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Regierungsentwurf zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II)

02.05.2019
Am 20. März 2019 wurde der Regierungsentwurf (RegE) des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) vorgelegt. Die Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf (RefE) (siehe hierzu Referentenentwurf zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II)) bringen im Wesentlichen materielle Anpassungen in Bezug auf das Zustimmungsverfahren bei Related Party Transactions (RPT), konkrete, jedoch kritikwürdige Aussagen zu dessen Anwendung bei der KGaA sowie verschiedene begrüßenswerte Klarstellungen mit sich:

1. Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat (Say On Pay) – Inhalt des Vergütungssystems und Verfahrensfragen

Vorstandsvergütung

Die Regelungen zur Vorstandsvergütung sind im Wesentlichen unverändert geblieben. Neben einer Änderung der Begrifflichkeit für das der Hauptversammlung vorzulegende „Vergütungssystem“ (RefE: „Vergütungspolitk“) betreffen die Anpassungen vor allem den Inhalt und den Detaillierungsgrad des Vergütungssystems sowie das Verfahren um die Billigungsentscheidung der Hauptversammlung.

  • Das Vergütungssystem muss „klar und verständlich“ sein. Die Streichung der im RefE vorgesehenen „Allgemeinverständlichkeit“ des Systems stellt klar, dass die Verständlichkeit der Angaben im Vergütungssystem an einem verständigen Durchschnittsaktionär zu messen ist, d.h. einem mit der Materie befassten Personenkreis. Es seien keine überzogenen Anforderungen an die inhaltliche Klarheit zu stellen; insbesondere könne der Maßstab des Transparenzgebots gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht herangezogen werden. Auch wird in der Begründung klargestellt, dass selbst mit Blick auf die Pflicht zur Offenlegung der Leistungskriterien für variable Vergütungsbestandteile (§ 87a Abs. 1 Nr. 3 AktG-E) keine detaillierte Offenlegung operativer Ziele erforderlich werde.
  • Bei der Einberufung der Hauptversammlung, die über die Billigung des Vergütungssystems oder des Vergütungsberichts (§ 120a Abs. 4 AktG-E) beschließen soll, sind das Vergütungssystem bzw. der Vergütungsbericht ihrem vollständigen Inhalt nach bekanntzumachen (§ 124 Abs. 2 Satz 3 AktG-E).
  • Die Festsetzung der konkreten Vorstandsvergütung muss nicht zwingend in Übereinstimmung mit dem zuletzt vorgelegten Vergütungssystem erfolgen. Der RegE stellt in der Gesetzesbegründung jedoch nun ergänzend klar, dass dies gleichwohl regelmäßig der Fall sein sollte.
  • Lehnt die Hauptversammlung die Billigung des Vergütungssystems ab, ist ein überprüftes Vergütungssystem vorzulegen. Der RegE stellt nun klar, dass die Vorlage spätestens in der nächsten ordentlichen Hauptversammlung erfolgen müsse (§ 120a Abs. 3 AktG-E). Dies gibt der Gesellschaft die nötige Flexibilität, außerordentliche Hauptversammlungen zu einem bestimmten Thema abzuhalten, ohne diese mit dem Aufwand der Vorlage eines überarbeiteten Vergütungssystems zu belasten.
  • Die Vergütungsstruktur bei börsennotierten Gesellschaften ist in Zukunft statt auf eine „nachhaltige Unternehmensentwicklung“ (§ 87 Abs. 1 Satz 2 AktG) auf eine „langfristige Entwicklung der Gesellschaft“ auszurichten. Dabei handelt es sich lediglich um eine redaktionelle Anpassung an die Vorgaben der Richtlinie; eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden.

Aufsichtsratsvergütung

In Bezug auf die Aufsichtsratsvergütung stellt der RegE klar, dass die in dem Beschluss der Hauptversammlung zu machenden Angaben zum Vergütungssystem nicht in die Satzung aufgenommen werden müssen, wenn die konkrete Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder in der Satzung festgesetzt wird. Dadurch soll eine unnötige „Aufblähung“ der Satzung durch erläuternde Angaben zum Vergütungssystem vermieden werden.

2. Related Party Transactions (RPT) – Entscheidungskompetenz des Aufsichtsratsausschusses und Zuständigkeit bei der KGaA

Klarstellungen und Entscheidungskompetenz des Aufsichtsratsausschusses

Das Zustimmungsverfahren in Bezug auf wesentliche Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen (RPT) hat mit Blick auf die Kompetenzen eines hierfür eingerichteten Aufsichtsratsausschusses eine wesentliche inhaltliche Veränderung erfahren. Weitere Anpassungen betreffen das Verfahren der Zustimmungserteilung sowie den Umfang der Transparenzpflicht.

  • Der RegE spezifiziert in der Gesetzesbegründung die Geschäfte, die im ordentlichen Geschäftsgang und zu marktüblichen Bedingungen mit nahestehenden Personen getätigt werden, und die nach § 111a Abs. 2 AktG-E nicht als RPT gelten. Gestrichen wurde der Hinweis, wonach diese Ausnahmevorschrift eng auszulegen sei. Die Marktüblichkeit eines Geschäfts setze ein angemessenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung voraus (Drittvergleich). Für die Praxis hilfreich ist die Klarstellung, dass für diese Beurteilung auch Markt- bzw. Schätzpreise sowie die hierzu bestehende Praxis und Verlautbarungen zu § 285 Nr. 21 HGB herangezogen werden können. Geschäfte im ordentlichen Geschäftsgang seien typische, sich wiederholende Alltagsgeschäfte. Unter diesen Voraussetzungen seien insbesondere auch konzerninterne Cash-Pooling-Systeme, die üblichen Konditionen entsprechen, nicht als RPT einzuordnen.
  • Ferner erstreckt sich die Ausnahme von RPT gemäß § 111a Abs. 3 Nr. 1 AktG-E nun auch auf Geschäfte mit börsennotierten Tochterunternehmen mit Sitz in der EU. In diesem Fall sei der Schutz der Gesellschaft, der Tochtergesellschaft und ihrer Aktionäre durch die Anwendung der RPT-Vorschriften auf der Ebene der Tochtergesellschaft sichergestellt.
  • Der RegE stellt klar, dass die Ausnahme für Geschäfte im Vertragskonzern gemäß § 111a Abs. 3 Nr. 3 lit. a) AktG-E nicht nur Geschäfte erfasst, die auf einer konzernrechtlichen Weisung gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG beruhen.
  • Der Bezugspunkt der Wesentlichkeitsschwelle bezieht sich nun nicht mehr auf Geschäfte, die in den letzten zwölf Monaten getätigt wurden, sondern auf die Geschäfte im laufenden Geschäftsjahr. Dadurch soll ein Gleichlauf mit den Rechnungslegungspflichten ermöglicht werden (§ 111b Abs. 1 AktG-E).
  • Die Zustimmung zu den RPT kann durch den Aufsichtsrat oder – insoweit enthält der RegE eine wesentliche inhaltliche Änderung – durch einen Ausschuss des Aufsichtsrats erteilt werden. Das noch im RefE vorgesehene vorbereitende Verfahren unter Einbeziehung eines Ausschusses sowie die Notwendigkeit der Einholung einer Fairness Opinion durch einen Wirtschaftsprüfer in bestimmten Fällen wurden aufgegeben. Entsprechend wurden die Vorgaben für die Besetzung des Ausschusses verschärft. An dem betreffenden Geschäft beteiligte nahestehende Personen können nicht Mitglieder des Ausschusses sein. Zudem muss der Ausschuss mehrheitlich aus Mitgliedern zusammengesetzt sein, bei denen objektiv, und nicht nur nach Einschätzung des Aufsichtsrats, keine Besorgnis eines Interessenkonflikts aufgrund ihrer Beziehungen zu einer nahestehenden Person besteht (§ 107 Abs. 3 Satz 3 AktG-E).
  • Entscheidet der Aufsichtsrat über die Zustimmung, unterliegen sowohl an dem Geschäft beteiligte nahestehende Personen als auch solche Mitglieder einem Stimmverbot, bei denen die Besorgnis eines Interessenkonflikts aufgrund ihrer Beziehung zu der nahestehenden Person besteht (§ 111b Abs. 2 AktG-E). Ist die Entscheidung einem Ausschuss übertragen, begründet die Besorgnis eines Interessenkonflikts dagegen kein Stimmverbot. Dadurch soll ein Anreiz geschaffen werden, einen Ausschuss einzurichten, in dem die Argumente aller Seiten ausgetauscht werden können.
  • Die Transparenzpflichten, die im RefE noch in § 48a WpHG-E verortet waren, wurden nunmehr in § 111c AktG-E verschoben. Zum Inhalt der Veröffentlichung enthält die Begründung die Klarstellung, dass zur Bewertung der Angemessenheit des Geschäfts unter Umständen auch eine kurze Beschreibung des Geschäfts sowie Angaben zu Leistung und Gegenleistung bzw. bei anderen Maßnahmen Angaben zu Vor- und Nachteilen des Geschäfts erforderlich werden können. 

Wer entscheidet bei der KGaA?

  • Nachdem der RefE zur konkreten Anwendung der RPT-Regelungen bei der börsennotierten KGaA noch schwieg, enthält der RegE in der Gesetzesbegründung die Aussage, dass in der KGaA gemäß § 278 Abs. 3 AktG ebenfalls der Aufsichtsrat bzw. ein Aufsichtsratsausschuss für die Zustimmung zu RPT zuständig sei. Die Begründung einer solchen Zustimmungskompetenz zugunsten des Aufsichtsrats der KGaA widerspricht jedoch dem gesetzlichen Kompetenzgefüge in der KGaA und sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren korrigiert werden.
  • Das Rechtsverhältnis der persönlich haftenden Gesellschafter untereinander und gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre sowie die Geschäftsführung- und Vertretungsbefugnis der persönlich haftenden Gesellschafterin bestimmen sich gemäß § 278 Abs. 2 AktG nach dem HGB. Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Aufsichtsrats (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) bestehen daher in der KGaA grundsätzlich nicht. Für den neuen Zustimmungsvorbehalt bei RPT gemäß § 111b AktG-E kann nichts anderes gelten.
  • Ein gesetzliches Zustimmungsrecht für außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen steht in der KGaA (nur) den Kommanditaktionären zu (§§ 278 Abs. 2 AktG, 164, 161 Abs. 2, 116 Abs. 2 HGB). In der Praxis börsennotierter KGaAs wird dieser Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Hauptversammlung in der Satzung jedoch regelmäßig ausgeschlossen oder einem fakultativen Gesellschaftsorgan (z.B. Gesellschafterausschuss, Beirat) übertragen. Entsprechend sollte auch die Delegation der RPT-Zustimmungskompetenz an ein fakultatives Gesellschaftsorgan in der Satzung möglich sein.

3. Identifikation der Aktionäre und Informationspflichten von Intermediären

  • Die §§ 67a ff. AktG-E enthalten nun umfassende Verweisungen auf die Durchführungsverordnung zur Aktionärsrechterichtlinie VO (EU) 2018/1212 vom 03. September 2018.
  • Die im RefE noch enthaltene „opt-in“-Möglichkeit für nicht börsennotierte Gesellschaften, insbesondere für solche mit Notierung im Freiverkehr, durch Begründung des Informationsanspruchs gegenüber Intermediären in der Satzung wurde gestrichen.

4. Gesteigerte Transparenzpflicht für institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater

Die Vorschriften zu den Transparenzpflichten für institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater wurden im Wesentlichen nur redaktionell geändert.

5. Ausblick und Übergangsregelungen

Ob das ARUG II unter Einhaltung der europäischen Umsetzungsvorgaben tatsächlich bis spätestens zum 10. Juni 2019 in Kraft treten wird, ist nicht gesichert. Dem Vernehmen nach ist auch denkbar, dass eine abschließende Beratung über das Gesetzesvorhaben erst nach der parlamentarischen Sommerpause erfolgt und das ARUG II deshalb erst im Herbst 2019 Geltung erlangt.

Die Übergangsregelungen wurden durch den RegE zudem zeitlich verlängert:

  • Die Vorschriften zum Say on Pay sollen nun erstmals für eine ordentliche Hauptversammlung gelten, die mindestens fünf Monate nach Inkrafttreten des ARUG II stattfindet.
  • Eine Beschlussfassung des Aufsichtsrats über die Vergütung der Vorstandsmitglieder in Übereinstimmung mit einem Vergütungssystem im Sinne von § 87a Abs. 1 AktG-E hat bis zum Ablauf von zwei Monaten nach erstmaliger Billigung eines Vergütungssystems durch die Hauptversammlung zu erfolgen. Eine Orientierung an einem nicht gebilligten Vergütungssystem muss zunächst ebenso wenig erfolgen wie eine nachträgliche Anpassung eines bereits laufenden Dienstvertrags.
  • Einen Vergütungsbericht haben Vorstand und Aufsichtsrat erstmals für das Geschäftsjahr aufzustellen, das nach Ablauf des fünften auf das Inkrafttreten des ARUG II folgenden Monats beginnt.
  • Die Regelungen zur Aktionärsidentifikation und zum Informationsaustausch mit Aktionären sind erst ab dem 03. September 2020 anzuwenden und sollen frühestens auf Hauptversammlungen Anwendung finden, die nach dem 03. September 2020 einberufen werden. Diese Überleitungsregelung resultiert daraus, dass die Regelungen der Durchführungsverordnung zur Aktionärsrechterichtlinie, auf die umfassend verwiesen wird, erst ab dem 03. September 2020 gelten.
  • Die Regelungen zu den RPT sind hingegen mangels besonderer Übergangsvorschriften bereits ab dem auf die Verkündung des ARUG II folgenden Monat zu beachten.





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