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Social Media Guidelines in Franchisesystemen

12.05.2023

I. Ausgangspunkt

Weltweit hat die Nutzung von sozialen Medien durch Unternehmen in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Auch die überwiegende Anzahl der Franchisesysteme ist mittlerweile in den sozialen Medien repräsentiert. Dabei sind auf den verschiedenen Plattformen (wie Facebook, Instagram, Twitter, LinkedIn und Xing) sowohl Accounts der Franchisegeber als auch der Franchisepartner zu finden. In der Praxis gibt der Franchisegeber dem Franchisepartner regelmäßig durch sog. Social Media Guidelines („SMG“) vor, auf welchen Plattformen der Franchisepartner aktiv sein darf und welche Inhalte der Franchisepartner veröffentlichen darf. Dieser Newsletter gibt einen Überblick über die damit verbundenen Rechtsfragen.

II. Verbindliche Vorgabe von SMG

Der Franchisegeber (FG) kann die SMG verbindlich vorgeben, soweit dies (i) mit dem Kartellrecht und (ii) dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Recht) vereinbar ist.

1. Vereinbarkeit mit dem Kartellrecht

Eine verbindliche Vorgabe von SMG durch den Franchisegeber gegenüber dem Franchisepartner ist grundsätzlich mit dem Kartellrecht vereinbar, sofern folgende „Leitplanken“ beachtet werden. Es verstoßen diejenigen Regelungen in den SMG nicht gegen das Kartellrecht,

  • welche zum Schutz eines einheitlichen Auftritts und eines einheitlichen Erscheinungsbildes des Franchisesystems; oder
  • welche zum Schutz des Know-hows des Franchisegebers erforderlich sind.

Nach dem Kartellrecht muss dem Absatzmittler grundsätzlich erlaubt sein, eine Webseite zu errichten und seine Güter und Dienstleistungen über das Internet zu vermarkten. Dazu gehört auch das Recht des Franchisepartners, soziale Medien einzusetzen. SMG, welche diese Freiheit beeinträchtigen, verstoßen grundsätzlich gegen das Kartellverbot (Art. 101 Abs. 1 AEUV). Eine Ausnahme hiervon liegt jedoch vor, wenn die betreffende Beeinträchtigung für das Funktionieren des betroffenen Franchisesystems unerlässlich ist (sog. Pronuptia-Rechtsprechung des EuGH). Dies erfasst Beeinträchtigungen, welche erforderlich sind entweder (i) zum Schutz eines einheitlichen Auftritts und eines einheitlichen Erscheinungsbildes des Franchisesystems oder (ii) zum Schutz des Know-hows des Franchisegebers. Letzteres soll dafür sorgen, dass die vom Franchisegeber ausgehende Unterstützung nur dem Franchisepartner – zur Wahrung der Identität und des Ansehens des „Systems“ – zugutekommt, nicht aber dem Wettbewerb. Ausdrücklich bestimmt der EuGH: „Da Werbung das öffentliche Erscheinungsbild des die Vertriebsorganisation symbolisierenden Zeichens mit bestimmt, ist schließlich auch die Bestimmung, nach der jede Werbung des Franchisepartners der Zustimmung des Franchisegebers bedarf, zum Schutz der Identität der Vertriebsorganisation unerlässlich, soweit es dabei nur um die Art der Werbung geht.“

Danach erscheint es nach dem Kartellrecht möglich, Qualitätskriterien zum Schutze eines einheitlichen Marketingkonzepts (welches plattform- und mediumsübergreifend durchgesetzt werden soll) und zum Schutz der Marke des Franchisesystems aufzustellen und für verbindlich zu erklären.

2. Vereinbarkeit mit dem AGB-Recht

Die verbindliche Vorgabe von SMG ist auch mit dem AGB-Recht vereinbar, soweit die einzelnen Regelungen der SMG einer Inhaltskontrolle standhalten – also mit dem Benachteiligungsverbot und mit dem Transparenzgebot vereinbar sind (§ 307 Abs 1 BGB).

a) Kein Verstoß gegen Benachteiligungsverbot (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB)

Eine Klausel ist in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Für die Prüfung der Angemessenheit kommt es grundsätzlich auf eine Abwägung der Interessen der jeweiligen Vertragsparteien an, für die wiederum Art und Gegenstand sowie Zweck des jeweiligen Vertrags maßgeblich sind.

Auf der einen Seite stehen beispielhaft nachfolgende Interessen des Franchisegebers:

  • Einheitlichkeit des Franchisesystems: So hat der Franchisegeber regelmäßig ein Interesse daran, dass sein Franchisesystem einheitlich am Markt auftritt. Insbesondere besteht ein Interesse an einem einheitlichen Werbe- und Marketingkonzept sowie an einem einheitlichen Markenauftritt, um seine Marktstellung zu stärken. Durch die Verbindlichkeit der SMG kann gewährleistet werden, dass die verschiedenen Social-Media-Kanäle und Accounts der Franchisepartner einheitlich gestaltet sind und somit das Franchisesystem in der Öffentlichkeit einheitlich wahrgenommen wird. Hierdurch wird zugleich die Integrität der Marke vor rufschädigenden Verhaltensweisen und vor Verwässerungen des Markenkerns geschützt.
  • Ausschöpfung des Potentials von Social Media: Darüber hinaus hat der Franchisegeber regelmäßig ein Interesse, durch SMG das Potential von Social Media bestmöglich auszuschöpfen. Konkrete Vorgaben zur Social-Media-Präsenz sowie zum Verhalten auf Social Media können einen optimalen Auftritt des Franchisesystems und seiner Franchisepartner auf Social Media gewährleisten und insgesamt die Reichweite des Franchisesystems auf Social Media erhöhen.
  • Weiterentwicklung des Franchisesystems: Daneben hat der Franchisegeber ein Interesse daran, dass sich sein Franchisesystem stetig fortentwickelt und weiter optimiert wird. Durch die SMG kann gewährleistet werden, dass sich das Franchisesystem auch hinsichtlich der Begebenheiten des digitalen Markts – insbesondere auf Social Media – weiterentwickelt und konkurrenzfähig bleibt.

Demgegenüber stehen beispielhaft die Interessen des Franchisepartners als selbständigem Unternehmer:

  • Wahrung der unternehmerischen Selbstständigkeit: Dieser hat insbesondere ein Interesse daran, dass seine unternehmerische Selbstständigkeit sowie seine wirtschaftliche Betätigungsfreiheit nicht übermäßig und damit unangemessen beschnitten wird. Dazu gehört auch das „Ob“ und „Wie“ von werbenden Tätigkeiten. Darüber hinaus hat der Franchisepartner ein rechtliches und auch praktisches Interesse daran, dass die ihm vom Kartellrecht eingeräumte Möglichkeit der effektiven Nutzung des Internets – insbesondere Social Media – durch den Franchisegeber nicht beschränkt wird. Auch hat der Franchisepartner ein Interesse daran, dass er sich im Internet (insbesondere auf Social Media) authentisch und individuell geben kann.
  • Keine zusätzliche finanzielle Belastung: Es ist zudem ein starkes Interesse des Franchisepartners, dass die Weiterentwicklung und Veränderung des Franchisesystems nicht mit zusätzlichen größeren finanziellen Belastungen verbunden ist, welche nicht gleichzeitig mit verbesserten Ertragschancen kompensiert werden.
  • Anwendung diskriminierungsfreier Kriterien: Auch hat der Franchisepartner stets ein Interesse daran, dass er im Vergleich zu anderen Franchisepartnern des Franchisesystems nicht schlechter behandelt wird. Das setzt die Aufstellung und Anwendung einheitlicher, objektiver, sachlich gerechtfertigter, transparenter und diskriminierungsfreier Kriterien hinsichtlich der Nutzung von Social Media voraus.

Die beispielhaft genannten Interessen sind im Rahmen der Interessenabwägung miteinander abzuwägen. Sofern die Interessen des Franchisepartners gegenüber den Interessen des Franchisegebers nicht überwiegen, sind die SMG angemessen. Beispielhaft kommen nachfolgende Abwägungserwägungen in Betracht:

  • Keine unzulässige Einschränkung der unternehmerischen Freiheit: Gegen eine unangemessene Einschränkung der unternehmerischen Freiheit durch verbindliche SMG spricht, dass diese sich regelmäßig darauf beschränken, die Corporate Identity eines Franchisesystems und damit einen einheitlichen Auftritt des Systems zu wahren. Die dafür notwendigen Einschränkungen müssen durch den Franchisepartner regelmäßig hingenommen werden (wie z.B. Vorgaben der Verwendung der Marke, Vermeidung von rufschädigenden Abbildungen und dergleichen). Sofern sich die SMG auf die insoweit notwendigen Vorgaben beschränken, verbleibt ein hinreichender unternehmerischer Entscheidungsspielraum der Franchisepartner. So kann der Franchisepartner beispielsweise weiterhin im zulässigen Rahmen den Inhalt seines Accounts frei gestalten und einzelne Posts absetzen.
  • Keine unzumutbare finanzielle Belastung des FP: Zu beachten ist, dass die Umsetzung der verbindlichen SMG keine unzumutbare finanzielle Belastung des Franchisepartners enthält. Klare Vorgaben zur Nutzung von Social Media wird die Reichweite der Marke auf Social Media regelmäßig erhöhen und damit ein höheres Kundeninteresse und Verkaufsvolumen erzielen.
  • Diskriminierungsfreie Ausgestaltung der SMG: Die (verbindlichen) SMG dürfen nicht zu Ungleichbehandlungen unter den Franchisepartnern führen. Es darf auch keine mittelbare Diskriminierung durch vermeintlich neutrale Vorgaben erfolgen, die bestimmte Franchisepartner ausschließt oder deren Social Media Arbeit übermäßig erschwert.

b) Kein Verstoß gegen Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB)

Zu beachten ist darüber hinaus das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Die SMG können den Franchisepartner auch dann unangemessen benachteiligen, wenn sie nicht klar oder nicht verständlich sind (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Notwendig ist, dass ein rechtsunkundiger Franchisepartner stets in der Lage ist, ihn benachteiligende Regelungen ohne Einholung von Rechtsrat zu erkennen. Daraus folgt, dass die SMG im Grundsatz möglichst weitgehend konkretisiert und bestimmt sein müssen. Gleichzeitig dürfen jedoch die Anforderungen an das Transparenzgebot nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Franchisegebers dahingehend führen, dass Generalklauseln, unbestimmte Rechtsbegriffe oder Umschreibungen allgemein unzulässig werden.

III. Einzelfälle

Letztlich kommt es auf eine Einzelfallprüfung der betreffenden SMG an. Beispielhaft scheinen folgende Vorgaben zulässig:

  • Vorgaben zu Social-Media-Kanälen: Die SMG können beispielsweise vorgeben, auf welchen Social-Media-Kanälen der Franchisepartner aktiv sein darf und welche Social-Media-Kanäle ausschließlich dem Franchisegeber vorbehalten sind. Gegen diese verbindliche Vorgabe bestehen kartellrechtlich grundsätzlich keine Bedenken, sofern das Diskriminierungsverbot beachtet wird. Der Exklusivvorbehalt muss gegenüber allen Franchisepartnern gelten; Ausnahmen für bestimmte Franchisepartner dürfen nur gemacht werden, solange es dafür eine sachliche Rechtfertigung gibt. Auch scheint die Regelung zivilrechtlich zulässig, da in der Regel die Interessen des Franchisegebers gewisse Accounts selber zu betreiben und deren Inhalte zu bestimmen, um ein einheitliches Erscheinungsbild des Franchisesystems und eine einheitliche Corporate Identity zu gewährleisten, überwiegen.
  • Vorgaben zur Account-Bezeichnung: Regelmäßig gibt der Franchisegeber über die SMG auch vor, wie die Accounts der Franchisepartner zu benennen sind. Verlangt wird regelmäßig der Name des Franchisesystems als fester, vorangestellter Bestandteil des Accountnamens. Auch eine solche Vorgabe scheint verbindlich möglich, da diese Vorgabe regelmäßig zur Sicherung der Identität und Integrität des Systems erforderlich ist und die Interessen des Franchisepartners nicht unangemessen benachteiligt werden.
  • Vorgaben zur visuellen Ausgestaltung des Accounts: Exemplarisch zu nennen sind Vorgaben zur Verwendung der Marke, zur Farbwahl, zur Verwendung von vom Franchisegeber gestellten Bildern, Mustern und Vorlagen. Derartige Vorgaben dürften in der Regel kartellrechtlich und AGB-rechtlich unbedenklich sein. Denn der Franchisegeber hat ein legitimes Interesse daran, dass sein Franchisesystem einheitlich am Markt auftritt. Dazu gehört auch der einheitliche Social-Media-Auftritt.
  • Vorgaben zum Inhalt des Social-Media-Auftritts: Exemplarisch hierfür sind Bestimmungen zum Unterlassen der Darstellung von Alkohol- oder Drogenkonsum, die Darstellung Minderjähriger ohne Einwilligung der Erziehungsberechtigten, die Darstellung eines übertrieben luxuriösen oder extravaganten Lebensstils sowie die Darstellung Dritter, deren geistigen Eigentums oder vergleichbarer Inhalte ohne Genehmigung. Derartige inhaltliche Regelungen dürften – je nach konkreter Ausgestaltung – oftmals problematischer sein als reine visuelle Vorgaben, da der dem Bild des selbstständigen Unternehmens folgende Franchisepartner bei der inhaltlichen Ausgestaltung seiner Posts und damit der Entfaltung seiner eigenen (Unternehmens-)Persönlichkeit eingeschränkt wird. Allerdings dürften in der Regel Vorgaben zu offensichtlich ruf- und markenschädigenden Inhalten zulässig sein, da sie vom Franchisesystem – zum Schutze aller Beteiligten – fernzuhalten sind.

IV. Fazit

Im Zuge des Wandels von der klassischen Ökonomie hin zum digitalen Zeitalter ist es regelmäßig angezeigt, die gewachsenen Strukturen des Franchisesystems durch SMG zu professionalisieren, um das Potential auf den stetig wichtiger werdenden Social-Media-Kanälen maximal auszuschöpfen. Genau wie in der analogen Welt, wo Werbung und Betriebsstätte professionell einheitlich gestaltet sind, sind diese Maßstäbe auch auf das digitale Schaufenster in Social Media zu übertragen. Es ist daher grundsätzlich sowohl kartellrechtlich als auch AGB-rechtlich möglich, dass der Franchisegeber SMG innerhalb seines Franchisesystems verbindlich vorgibt. Mit Blick auf die Mannigfaltigkeit der genauen Ausgestaltung der SMG im Einzelnen ist jedoch stets mit Bedacht zu prüfen, ob die jeweilige Regelung anmessen ist.

Dieser Artikel ist ebenfalls im ILO Newsletter Publication im Februar 2023 erschienen

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