Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers auf Umstände, nach denen der Versicherer nicht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG in Textform gefragt hat
Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass die mit Antrag vom Juni 2013 abgeschlossene Pflegegeldtageversicherung für ihr versichertes Kind fortbesteht. Der Beklagte erklärte im März 2014 den Rücktritt von dem Versicherungsvertrag. Die Klägerin habe ihre Vertragspflichten mindestens grob fahrlässig verletzt, indem sie bei Abschluss des Versicherungsvertrags die Fragen zu dem Gesundheitszustand unrichtig beantwortet habe. Bereits bei den Vorsorgeuntersuchungen in 2012 und 2013 sei eine Entwicklungsverzögerung festgestellt worden. Die Klägerin erwiderte, dass die Pflegebedürftigkeit im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht vorlag.
Das OLG Celle beschäftigte sich in diesem Zusammenhang mit der umstrittenen Frage, ob der Versicherer auch dann zur Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung berechtigt ist, wenn der Versicherungsnehmer bei dem Vertragsschluss Umstände verschwiegen hat, nach denen der Versicherer – wie vorliegend – nicht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG in Textform gefragt hatte. Hierzu stellte das Gericht fest, dass sich über die Anzeigepflicht aus § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG hinaus eine Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers aus Treu und Glauben hinsichtlich nicht oder nicht ordnungsgemäß in Textform erfragter Umstände ergeben kann. Dabei könne dem Versicherungsnehmer regelmäßig nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben angelastet werden, wenn er den Fragenkatalog des Versicherers als abschließend ansehe und selber keine weitergehenden Überlegungen dazu anstelle, welche Umstände für den Versicherer darüber hinaus von Interesse sein könnten. Grundsätzlich müsse sich der Versicherungsnehmer darauf verlassen können, dass der Versicherer die aus seiner Sicht gefahrerheblichen Umstände erfragt. Nach der gesetzlichen Wertung obliege nämlich dem Versicherer die Mitteilung der Umstände, die er für gefahrerheblich ansehe. Eine spontane Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers bestehe nur beim Vorliegen solcher Umstände, die zwar offensichtlich gefahrerheblich, aber so ungewöhnlich sind, dass eine auf sie abzielende Frage nicht erwartet werden könne.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe verneinte das OLG Celle vorliegend eine Aufklärungspflicht der Klägerin hinsichtlich der Entwicklungsverzögerung. Eine solche Entwicklung des vorliegend betroffenen Kindes sei keineswegs so selten und ungewöhnlich, dass von der Beklagten eine diesbezügliche Frage nicht erwartet werden konnte. Dies gelte umso mehr, als eine Entwicklungsverzögerung im System des Beklagten als Ablehnungsgrund für den Abschluss eines Versicherungsvertrags angeführt war.
Bestens
informiert
Jetzt unseren Newsletter abonnieren, um zu aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden zu bleiben.
Jetzt anmelden