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Bericht­erstattung über Töchter eines Prominenten zulässig, wenn Personen­daten bereits bekannt

13.09.2016

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 28.07.2016 entschieden, dass die namentliche Nennung der Töchter eines berühmten Fernsehmoderators samt Altersangabe in einem Presseartikel nicht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Töchter verletzt, sofern die Daten bereits aus früheren Veröffentlichungen bekannt sind (Az. 1 BvR 335/14 u.a.).

Die Adoptivtöchter des Fernsehmoderators hatten 2011 Klage gegen mehrere Zeitschriften erhoben, die in verschiedenen Artikeln über öffentliche Auftritte des Adoptivvaters berichteten und die Klägerinnen in jeweils einem Satz mit Name, Alter und Herkunft erwähnten. Weder die Töchter selbst noch die Eltern hätten für ihre Töchter jemals den Weg in die Öffentlichkeit gesucht. Nichtsdestotrotz gab es vor allem in den Jahren um die Adoptionen mehrere Presseveröffentlichungen ähnlichen Inhalts, denen nicht oder nur teilweise widersprochen wurde. Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) die Unterlassungsklagen letztinstanzlich abgewiesen hatte (Az. VI ZR 304/12, VI ZR 138/13, VI ZR 137/13), erhoben die Klägerinnen Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung ihres Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung.

Das BVerfG bestätigte allerdings die verfassungsrechtliche Wertung des BGH. Zwar hielt das BVerfG zunächst fest, dass sich aus dem jungen Alter der Klägerinnen eine besondere Schutzbedürftigkeit ergebe. Ihre Persönlichkeitsentwicklung könne durch unangemessene Presseberichterstattung empfindlicher gestört werden, als dies bei Erwachsenen der Fall sei. Besonders stark ausgeprägt sei dieses Schutzbedürfnis, wenn Kinder und Eltern in den Vorjahren auf die Privatsphäre der Kinder bedacht waren und Auftritte in der Öffentlichkeit gemieden haben. Allerdings findet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grenzen vor allem in der Meinungs- und Pressefreiheit. Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist zum Wohle der Rechte anderer und den Bedürfnissen der sozialen Gemeinschaft hinzunehmen, wenn zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren gewahrt bleibt.

Die Klägerinnen wurden seit 1997 bzw. 2000 regelmäßig in Pressemitteilungen erwähnt, die auch durch eine Internetsuche weiterhin zur Verfügung standen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung der ersten Instanz ergab die Eingabe des Namens einer der Klägerinnen bei der Suchmaschine „Google“ noch 2430 Treffer. Der relativ geringe Zeitraum von zwei Jahren seit der letzten Veröffentlichung sei nicht ausreichend, um den Klägerinnen ihre Anonymität zurückzugeben. Die angegriffene Neuveröffentlichung habe daher gegenüber der Ausgangslage keine höhere Beeinträchtigung hervorgerufen. Im Vergleich zu einem Ersteingriff sei die Weiterverbreitung von bekannten Daten nur gering verletzend. Vor diesem Hintergrund ist, so BGH und BVerfG, der Meinungs- und Pressefreiheit gegenüber dem Recht der Klägerinnen auf informationelle Selbstbestimmung Vorrang einzuräumen.

Besondere Bedeutung hat dieser Beschluss für alle redaktionellen Anbieter von unterhaltenden Pressebeiträgen sowohl im Online- als auch Printbereich, in denen künftig auch für besonders geschützte Bevölkerungsgruppen Informationen veröffentlicht werden dürfen, die der breiten Öffentlichkeit bereits zugänglich sind. Den von der Berichterstattung Betroffenen werden hingegen in Zukunft höhere Anstrengungen abgefordert. Wenn sie sich erfolgreich gegen identifizierende und personenbezogene Veröffentlichungen zur Wehr setzen möchten, müssen sie dafür Sorge tragen, dass keine unerwünschten Daten ohne Gegenwehr bekannt oder dauerhaft verfügbar werden. Ob diese Grundsätze auf die in der Praxis häufig vorkommenden Fälle der Verdachtsberichterstattung übertragen werden, in denen die Schuld eines mutmaßlichen Straftäters noch nicht gerichtlich festgestellt wurde, erscheint angesichts des besonders geschützten Interesses des Beschuldigten an seiner Anonymität und dem erheblichen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht durch namentliche Erwähnung unwahrscheinlich.

 

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