BGH: Grundsatzurteile zum Influencer-Marketing
Seit einigen Jahren wird nun schon über die Frage gestritten, ob und in welcher Form Instagram-Posts als Werbung zu kennzeichnen sind. Es gibt zahlreiche, teils erheblich divergierende Gerichtsentscheidungen rund um diesen Themenkomplex. Auch das Bundesjustizministerium hat reagiert und in die Novelle des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) Regelungen integriert, die die Rechtslage klären soll. Das neue Gesetz tritt allerdings erst im Mai 2022 in Kraft.
Nun hat sich erstmals der Bundesgerichtshof (BGH) zum Influencer-Marketing geäußert und drei Urteile mit grundsätzlicher Bedeutung für die Frage erlassen, ob Beiträge auf Instagram als Werbung gekennzeichnet werden müssen.
In allen Verfahren hatte der Verband Sozialer Wettbewerb geklagt. Die Beklagten sind Influencerinnen, die jeweils auf Instagram eine hohe Followeranzahl haben und auf ihren Accounts regelmäßig Bilder veröffentlichen. Zwei der drei Verfahren hatten Instagram-Beiträge zum Gegenstand, für die die Influencerinnen von den betreffenden Anbietern der gezeigten Produkte keine Gegenleistung erhalten hatten. Im dritten Verfahren lag der Fall anders, die Influencerin war für ihren Post bezahlt worden. In allen drei Verfahren warf der Kläger der jeweiligen Beklagten unzulässige Schleichwerbung vor und machte Unterlassungs- und Kostenerstattungsansprüche geltend.
(Bezahlte) Werbung mit „Tap Tags“ kennzeichnungspflichtig
Das Verfahren I ZR 90/20 gegenüber der Fitness-Influencerin Luisa-Maxime Huss betraf die Veröffentlichung eines Beitrags über eine neue Himbeermarmelade. Neben Aussagen dazu, ab wann und wo die Marmelade erhältlich sein würde, hatte die Influencerin einen „Tap Tag“ verwendet. „Tap Tags“ erscheinen beim Antippen des jeweiligen Bildes auf Instagram und zeigen die Firma oder die Marke des Herstellers/Anbieters des „getaggten“ Produkts. Tippt der Nutzer auf den „Tap Tag“, wird er auf das Instagram-Profil des Herstellers/Anbieters weitergeleitet. Die Influencerin war für die Kooperation bezahlt worden, eine Werbekennzeichnung war jedoch nicht erfolgt.
Der BGH hat nun entschieden, dass dieser Post als Werbung hätte gekennzeichnet werden müssen. Der Beitrag verstoße gegen § 5a Abs. 6 UWG, weil der kommerzielle Zweck des Beitrags, den Absatz von Produkten dieses Herstellers zu fördern, nicht hinreichend kenntlich gemacht sei und sich auch nicht aus den Umständen ergebe. Insoweit komme es nicht darauf an, ob der Verbraucher erkenne, dass die Beklagte mit der Veröffentlichung von Beiträgen auf ihrem Instagram-Profil zugunsten ihres eigenen Unternehmens handele. Für die Verbraucher müsse gerade der Zweck eines Beitrags, ein fremdes Unternehmen zu fördern, erkennbar sein. Das Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks eines solchen mit "Tap Tags" und Verlinkungen versehenen Beitrags sei regelmäßig geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung - dem Anklicken des auf das Instagram-Profil des Herstellers führenden Links - zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Posts ohne Gegenleistung trotz Förderung eines fremden Unternehmens nicht kennzeichnungspflichtig
In den beiden anderen Verfahren (Az. I ZR 125/20 und I ZR 126/20) gegenüber den Influencerinnen Cathy Hummels und Leonie Hanne gab der BGH dagegen den Influencerinnen Recht. Der BGH stellte fest, dass die beanstandeten Beiträge mangels Gegenleistung eines Dritten keine kommerziellen Inhalte bzw. keine Werbung im Sinne der telemedienrechtlichen Vorschriften enthielten und somit keine telemedienrechtliche Kennzeichnungspflicht bestehe. Bei den telemedienrechtlichen Bestimmungen handele es sich aber um bereichsspezifische Spezialvorschriften, die den Anwendungsbereich der allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Bestimmung des § 5a Abs. 6 UWG beschränkten.
Der BGH führt in seiner bislang allein vorliegenden Pressemitteilung weiter aus, dass Influencer, die mittels eines sozialen Mediums wie Instagram Waren vertreiben, Dienstleistungen anbieten oder das eigene Image vermarkten, ein Unternehmen betreiben. Die Veröffentlichung von Beiträgen dieser Influencer in dem sozialen Medium sei geeignet, ihre Bekanntheit und ihren Werbewert zu steigern und damit ihr eigenes Unternehmen zu fördern. Daneben komme aber auch eine geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens in Betracht. Eine solche stelle die Veröffentlichung eines Beitrags - abgesehen von dem Fall, dass ein Influencer dafür eine Gegenleistung erhalte - allerdings nur dar, wenn dieser Beitrag nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich sei, etwa weil er ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge eines Produkts dieses Unternehmens in einer Weise lobend hervorhebe, dass die Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information verlasse. Allein der Umstand, dass Bilder, auf denen das Produkt abgebildet ist, mit „Tap Tags“ versehen seien, reiche für die Annahme eines solchen werblichen Überschusses nicht aus. Bei einer Verlinkung auf eine Internetseite des Herstellers des abgebildeten Produkts liege dagegen regelmäßig ein werblicher Überschuss vor.
Fazit
Die Entscheidungen des BGH sind richtungsweisend und dürften auch unter der im kommenden Jahr in Kraft tretenden UWG-Novelle fortgelten.
Eine entscheidende Weichenstellung ist für den BGH die Frage, ob Influencer für ihre Beiträge eine Gegenleistung erhalten oder nicht. Ist dies nicht der Fall und greifen die telemedienrechtlichen Kennzeichnungspflichten daher nicht, kommt es auf eine möglicherweise abweichende Bewertung nach dem UWG nicht mehr an. Der BGH hält die telemedienrechtlichen Vorschriften, die eine Gegenleistung fordern, für abschließende Spezialregelungen. Ein aktuell vielleicht verbleibender „gefühlter“ Wertungswiderspruch zum UWG wird sich erledigen, wenn die UWG-Novelle in Kraft tritt, denn auch die Neuregelung wird an die Frage der Gegenleistung anknüpfen.
Ein weiterer spannender – und zumindest bis zur Veröffentlichung der Urteilsgründe noch nicht abschließend zu beantwortender – Punkt bleiben die „Tap Tags“. Der BGH differenziert offenbar zwischen dem Setzen eines „Tap Tags“ (in diesem Fall soll ein werblicher Überschuss noch nicht naheliegen) und einer Verlinkung (in diesem Fall soll ein werblicher Überschuss regelmäßig gegeben sein). Diese Differenzierung irritiert auf den ersten Blick, denn „Tap Tags“ auf Instagram gehen grundsätzlich mit einer Verlinkung auf ein Instagram-Profil einher. Eine bloße nicht-klickbare Namens- oder Markennennung durch „Tap Tags“ ist auf Instagram nicht möglich. Es bleibt also abzuwarten, was der BGH mit der Verlinkung genau meint. In Betracht käme auf den ersten Blick eine (durch „Tap Tags“ nicht mögliche) unmittelbare Linksetzung auf die Internetseite eines Herstellers/Anbieters. Eine solche ist aber auch im Begleittext eines Posts nicht möglich. Sie könnte allenfalls in der „Bio“ des Influencers erfolgen, dem kurzen Einleitungstext eines Profils, der praktisch die Visitenkarte auf Instagram darstellt. Eine dortige Linksetzung auf Drittunternehmen erscheint jedoch fehl am Platz und ist auch völlig unüblich. Damit bleibt bis zur Veröffentlichung der Entscheidungsgründe offen, ob die Urteile des BGH tatsächlich nahelegen, dass „Tap Tags“ nicht zu einer Kennzeichnungspflicht führen, wie aktuell vielfach zu lesen ist.