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BGH stärkt die Rechte von Banken und Vorbehaltslieferanten in der Insolvenz

19.03.2019

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 24.01.2019 (IX ZR 110/17) die Sicherungs- und Auskunftsrechte von Sicherungsnehmern in der Insolvenz des Sicherungsgebers gestärkt. Betroffen sind vornehmlich (i) Banken, denen das schuldnerische Unternehmen Forderungen zur Sicherheit abgetreten und ggf. Eigentum- und Anwartschaftsrechte an seinem beweglichen Vermögen zur Sicherheit übertragen hat, sowie (ii) Lieferanten, die durch einen (verlängerten) Eigentumsvorbehalt gesichert sind.

Daraus ergeben sich neue Haftungsrisiken für (vorläufige) Insolvenzverwalter, Sachwalter und die Organe des Schuldners  

I. Sachverhalt

In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte die insolvenzschuldnerische Gesellschaft, die einen Getränkehandel betrieb, einer kreditgebenden Bank durch Raumsicherungsübereignung sämtliche Eigentums- und Anwartschaftsrechte an ihren beweglichen Vermögensgegenständen zur Sicherheit übertragen sowie sämtliche etwaigen Kaufpreisforderungen aus einer Weiterveräußerung ihrer Waren zur Sicherheit abgetreten (soweit diese nicht mit vorrangigen Eigentumsvorbehaltsrechten der Getränkelieferanten belastet waren).

Bereits wenige Tage nach dem Insolvenzantrag über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin kündigte die Bank das Kreditverhältnis außerordentlich fristlos und untersagte jegliche Weiterveräußerung der im Lager der Insolvenzschuldnerin befindlichen Waren sowie jeglichen Forderungseinzug der zur Sicherheit abgetretenen Forderungen. Ferner widerrief die Bank jegliche in der Vergangenheit (ggf.) erteilte, hiervon abweichende Ermächtigung zur Weiterveräußerung der sicherungsübereigneten Waren im ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr und jegliche Einziehungsermächtigung für die sicherungsabgetretenen Forderungen.

Das insolvenzschuldnerische Unternehmen und der vorläufige Insolvenzverwalter setzten sich über diese Untersagungen der Bank jedoch hinweg und zogen die Außenstände der Insolvenzschuldnerin auf die allgemeinen Geschäftskonten der Schuldnerin ein. Ferner wurden die sicherungsübereigneten Waren, die im Zeitpunkt der Insolvenzantragsstellung noch bei ihr vorhanden waren, von der Insolvenzschuldnerin oder dem vorläufigen („schwachen“) Insolvenzverwalter an Dritte veräußert und die hierfür erzielten Kaufpreisforderungen ebenfalls über die allgemeinen Geschäftskonten der Insolvenzschuldnerin eingezogen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zeigte der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit an.

Mit ihrer Klage gegen den Insolvenzverwalter verlangte die Bank nach Insolvenzeröffnung Herausgabe der erzielten Erlöse aus der Verwertung der zu ihrer Sicherheit übertragenen Forderungen und Waren der Insolvenzschuldnerin. Hiergegen wehrte sich der Insolvenzverwalter mit dem Hinweis, die eingezogenen Erlöse seien nicht mehr unterscheidbar in der Insolvenzmasse vorhanden, sodass etwaige Ersatzaussonderungs- und/oder Absonderungsrechte der Bank ins Leere gingen.

II. Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung zunächst festgestellt, dass ein Schuldner durch seinen Insolvenzantrag und durch die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht automatisch eine im Sicherungs- oder Kaufvertrag eingeräumte Befugnis verliert, seine Forderungen einzuziehen oder die unter Eigentumsvorbehalt bezogenen Waren weiter zu veräußern oder zu verarbeiten. Diese Befugnis entfalle nur, wenn der Sicherungsnehmer eine entsprechende Ermächtigung es Schuldners zum Forderungseinzug bzw. zur Weiterveräußerung oder Verarbeitung der Waren im ordnungsgemäßen Geschäftsgang nach Bekanntwerden des Insolvenzantrags widerruft und einer Weiterveräußerung, -verarbeitung bzw. einem Einzug seines Sicherungsguts widerspricht.

Erfolgen ein solcher Widerruf und Widerspruch aber, muss ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter, Sachwalter und/oder die Geschäftsführung des schuldnerischen Unternehmens (bei Einsetzung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters oder Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung) dies beachten und dürfen die sicherungsweise übertragenen Forderungen und/oder Waren nicht gegen den erklärten Willen des Sicherungsgebers eingezogen, veräußert oder verarbeitet werden, urteilte der Bundesgerichtshof. Auch vor einem solchen Widerruf und Widerspruch bestehe nur eine Befugnis, die mit Sicherungsrechten belasteten Forderungen und Vermögensgegenstände im ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr zu veräußern, verarbeiten und/oder einzuziehen. Dem ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr entspreche dies aber nur, wenn die dabei erzielten Erlöse auf einem offenen Treuhandkonto eingezogen und separiert würden. Werde dies nicht beachtet, sei eine Verwertung dieser Vermögensgegenstände „unberechtigt“ gemäß § 48 S. 1 InsO. Etwas anderes ergebe sich auch dann nicht, wenn das Insolvenzgericht gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO anordne, dass (zur Sicherheit übertragene) Gegenstände des Schuldnervermögens, an denen im eröffneten Insolvenzverfahren Aus- und Absonderungsrechte bestehen, einstweilen im Eröffnungsverfahren zur Fortführung des Geschäftsbetriebs weitergenutzt werden dürfen. Die Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO erlaube lediglich, die mit Sicherungsrechten Dritter belasteten Gegenstände des Schuldnervermögens vorübergehend weiter zu nutzen und ggf. (sicherungsabgetretene) Forderungen einzuziehen, aber nicht, fremdes Eigentum durch eine Veräußerung oder Verarbeitung zu verbrauchen oder Sicherungsrechte zu vereiteln.

Erfolgt nach dem Insolvenzantrag eine Verwertung sicherungsübertragener Forderungen oder Waren der Insolvenzschuldnerin, müsse durch die im Insolvenz(eröffnungs)verfahren zuständigen Personen daher (ungeachtet der Anordnungen des Insolvenzgerichts) sichergestellt werden, dass sich die daran bestehenden Sicherungsrechte am hierfür erzielten Erlös fortsetzen und dadurch (wirtschaftlich) gewahrt bleiben. Dazu seien die Erlöse, soweit diese dem jeweiligen Sicherungsgeber zustehen, über ein offenes Treuhandkonto einzuziehen, um diese Erlöse vom übrigen Schuldnervermögen unterscheidbar zu separieren. Dann stünden den Sicherungsgebern (insolvenzfeste) Aussonderungsrechte gemäß § 47 InsO an den treuhänderisch verwahrten Erlösen zu.

Erfolge die Einziehung nicht über ein solches Treuhandkonto, sondern über andere Konten der Insolvenzschuldnerin oder des Insolvenzverwalters, müsse der Sicherungsgeber beweisen, inwiefern die dort eingezogenen Erlöse noch unterscheidbar in der Masse vorhanden sind, wenn er diese unter Verweis auf ein Ersatzaussonderungs- oder –absonderungsrecht gemäß § 48 S. 1 InsO herausverlangt. Dazu müsse er auch Angaben zum jeweiligen Kontosaldo machen und darlegen, dass die für das Sicherungsgut erzielten Erlöse auf einem kreditorisch geführten Konto eingegangen sind. Andernfalls wären diese Erlöse (grundsätzlich) nicht mehr unterscheidbar in der Masse. Hierbei könne es allerdings zu Beweiserleichterungen zugunsten der Sicherungsgeber kommen, da den Insolvenzverwalter (bzw. die schuldnerischen Organe in der Eigenverwaltung) grundsätzlich eine sekundäre Beweislast dazu treffe, was aus den vereinnahmten Erlösen geworden ist, auch wenn nach der Insolvenzordnung insofern auch Auskunftsrechte des jeweiligen Sicherungsnehmers bestehen.

III. Fazit

Den für die Kassenführung einer insolventen Gesellschaft zuständigen (vorläufigen) Insolvenzverwaltern, Sachwaltern oder Organen ist zu raten, unmittelbar nach Insolvenzantrag (und ggf. ihrer Einsetzung) ein offenes Treuhandkonto einzurichten, auf dem sämtliche vereinnahmten Erlöse aus der Einziehung von Forderungen und ggf. der Verwertung des schuldnerischen Umlaufvermögens gesammelt und separiert werden. Wird dies nicht beachtet und werden hierdurch Aus- der Absonderungsrechte gesicherter Gläubiger vereitelt, droht den vorgenannten Personen eine persönliche Haftung mit ihrem Privatvermögen gemäß § 60 InsO (analog) wegen des verursachten Schadens.

Gläubigern, die über Sicherungsrechte verfügen, ist anzuraten, nach Bekanntwerden eines Insolvenzantrags umgehend sämtliche erteilten Ermächtigungen zum Forderungseinzug, zur Veräußerung und/oder zur Verarbeitung ihres Sicherungsguts zu widerrufen und einer Verwertung ihres Sicherungsguts zu widersprechen. Ferner sollten die für das Insolvenzeröffnungsverfahren zuständigen, vorgenannten Personen aufgefordert werden, Erlöse aus einer Verwertung des Sicherungsguts nur noch auf einem offenen Treuhandkonto einzuziehen und zu separieren und umgehend einen Kontoauszug zu diesem Konto und zu sämtlichen weiteren Geschäftskonten der Insolvenzschuldnerin zu übermitteln, der den Saldo dieser Konten zum Stichtag des Insolvenzantrags jeweils widergibt. Nur so kann später anhand der Entwicklung des jeweiligen Kontostands geklärt und dargelegt werden, ob die durch Verwertung des Sicherungsguts vereinnahmten Erlöse noch unterscheidbar in der Insolvenzmasse vorhanden sind. Ist dies nicht der Fall, kommen ggf. Schadensersatzansprüche gegenüber den vorgenannten, für das Insolvenz(eröffnungs)verfahren zuständigen Personen in Betracht.

Gerne unterstützen wir Sie bei der Durchsetzung Ihrer Sicherungsrechte bzw. bei der Vermeidung persönlicher Haftungsrisiken.

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