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Der neue EU-Wiederaufbauprospekt

17.02.2021

A. Einführung des EU-Wiederaufbauprospekts zur vereinfachten Eigenkapitalaufnahme

Nach der Zustimmung des Europäischen Parlaments am 11. Februar 2021 und des Rates am 15. Februar 2021 steht die Einführung des sog. "EU-Wiederaufbauprospekts" (EU Recovery Prospectus) nun kurz bevor. Der Wiederaufbauprospekt ist eine Art "Kurzprospekt", mit dem bisherige regulatorische Hürden für die Rekapitalisierung von Emittenten für einen befristeten Zeitraum deutlich abgebaut werden sollen. Vor dem Hintergrund der durch die Covid-19-Pandemie ausgelösten Welle an Lockdowns innerhalb Europas wird damit eine interessante zusätzliche Möglichkeit für Emittenten zur vereinfachten Eigenkapitalaufnahme durch Sekundäremissionen von Aktien geschaffen.

B. Der EU-Wiederaufbauprospekt

Mit der Einführung des EU-Wiederaufbauprospekts möchte die Europäische Kommission Emittenten zur Eigenkapitalaufnahme animieren, die bisher vom Zeit- und Kostenaufwand abgeschreckt wurden, der mit der Erstellung eines Wertpapierprospekts typischerweise verbunden ist. Dies soll insbesondere auch solche Emittenten einschließen, die aufgrund einer finanzieller Schieflage auf eine schnelle und kostengünstige Möglichkeit der Kapitalzuführung angewiesen sind. Emittenten sollen den Anreiz erhalten, vorrangig ihre Eigenkapitalbasis zu stärken und ihren Verschuldungsgrad zu verbessern anstatt zur Abwendung von (potentiellen) Liquiditätsengpässen auf die Aufnahme von Fremdkapitalmitteln, z.B. durch die Aufnahme von KfW-Krediten, zurückzugreifen. Nach Ansicht der Europäischen Kommission solle daher das Erfordernis einer Prospekterstellung kein Hindernis für die Eigenkapitalaufnahme von Unternehmen für Sekundäremissionen von Aktien sein.

Zum Abbau dieses (vermeintlichen) Hindernisses hat die Europäische Kommission mit ihrem Vorschlag zur Änderung der Prospektverordnung vom 24. Juli 2020 ("Kommissionsentwurf") mit dem EU-Wiederaufbauprospekt eine Art "Kurzprospekt" vorgestellt, der durch eine (zunächst vorübergehende) Änderung der geltenden Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 ("EU-Prospektverordnung") ermöglicht werden soll. Das Europäische Parlament hat eine modifizierte Fassung des Kommissionsvorschlags am 11. Februar 2021 gebilligt ("Parlamentsentwurf"). Die Zustimmung des Rates erfolgte am 15. Februar 2021. Die Änderung der EU-Prospektverordnung wird voraussichtlich bis Ende Februar im Amtsblatt veröffentlicht und tritt dann am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft (vgl. die Pressemitteilung des Rates vom 15. Februar 2021).

Die neue Form des Prospekts kann voraussichtlich bis zum 31. Dezember 2022 (Erwägungsgrund 4 des Parlamentsentwurfs. Die Europäische Kommission hatte zuvor eine Dauer von 18 Monaten ab Einführung des EU-Wiederaufbauprospekts vorgeschlagen) genutzt werden (Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung (Committee on Economic and Monetary Affairs) des Europäischen Parlaments ("ECON") hat bereits signalisiert, dass er sich auch dauerhaft eine vereinfachte Prospektform für etablierte Emittenten vorstellen könne, um den Aufwand für Sekundäremissionen von Aktien künftig zu erleichtern. Folgerichtig soll die Europäische Kommission im Zuge der geplanten Überprüfung der Prospektverordnung bis zum 21. Juli 2022 eine Analyse vorlegen, ob eine Verlängerung der Regelung für den EU-Wiederaufbauprospekt angemessen wäre.).

I. Prospektadressaten

Der EU-Wiederaufbauprospekt soll grundsätzlich für Sekundäremissionen von Aktien von Emittenten zur Verfügung stehen, deren Aktien bereits seit mindestens 18 Monaten ununterbrochen zum Handel an einem geregelten Markt oder an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen waren, sofern die neue Aktien mit den vorhandenen zuvor begebenen Aktien fungibel sind. Somit können in Deutschland auch Emittenten, deren Aktien im Scale-Segment des Freiverkehrs der Frankfurter Wertpapierbörse gehandelt werden, einen EU-Wiederaufbauprospekt erstellen (Zwar ist das Scale-Segment erst seit dem 16. Dezember 2019 als KMU-Wachstumsmarkt registriert, weshalb die Frist von 18 Monaten erst am 16. Juni 2021 abliefe. Es dürfte allerdings ausreichen, dass die Aktien des Emittenten ununterbrochen 18 Monate im Scale-Segment gehandelt wurden, ohne dass das Segment selbst bereits 18 Monate als KMU-Wachstumsmarkt registriert ist.).

Der EU-Wiederaufbauprospekt kann sowohl für das öffentliche Angebot von neuen Aktien als auch für deren Zulassung zum Handel am regulierten Markt genutzt werden. Auf die Emission von Anleihen oder anderen Finanzinstrumenten ist die neue Prospektart hingegen nicht anwendbar (vgl. Erwägungsgrund 8 des Parlamentsentwurfs).

II. Umfang der Emission

Die Gesamtzahl der Aktien, die innerhalb von zwölf Monaten auf Grundlage eines EU-Wiederaufbauprospekts ausgegeben werden können, ist auf maximal 150% der zum Zeitpunkt der Billigung des EU-Wiederaufbauprospekts zugelassenen Aktien beschränkt.

III. Prospektform/-umfang

Der Umfang des EU-Wiederaufbauprospekts ist – im Vergleich zum üblichen Prospektumfang, der in der Regel weit mehr als 100 Seiten umfasst – stark verkürzt und darf 30 DIN-A4-Seiten nicht überschreiten. Die Zusammenfassung, die ihrerseits nicht mehr als zwei DIN-A4-Seiten umfassen darf, ist hierauf nicht anzurechnen.

Der Inhalt des EU-Wiederaufbauprospekts ist in leicht zu analysierender, knapper und verständlicher Form zu präsentieren. Die Reihenfolge des dargestellten Inhalts liegt im Ermessen der Prospektverantwortlichen.

IV. Prospektinhalt

Um den geringen Umfang umzusetzen, sind – auch gegenüber dem vereinfachten Prospektregime für Sekundäremissionen nach Artikel 14 der EU-Prospektverordnung – wesentliche Erleichterungen vorgesehen. Der EU-Wiederaufbauprospekt soll daher nur noch verkürzte Informationen enthalten. Besonders hervorzuheben sind dabei u.a.:

  • eine Beschreibung der wesentlichen Risiken, die spezifisch dem Emittenten und den Aktien eigen sind,
  • Abschlüsse (Jahres- und Halbjahresabschlüsse), die im vergangenen Zeitraum von 12 Monaten vor Billigung des Prospekts veröffentlicht wurden,
  • Trendinformationen, insbesondere Informationen über die kurz- und langfristige finanzielle und nichtfinanzielle Geschäftsstrategie und die entsprechenden Ziele des Emittenten, sowie, falls einschlägig, eine mindestens 400 Worte umfassende spezifische Darlegung der wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Emittenten und eine Vorausschau auf die Auswirkungen auf denselben,
  • Erklärung über den Erhalt staatlicher Beihilfen im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Erholung, sowie
  • eine Übersicht zur Kapitalausstattung und Verschuldung, die nicht älter als 90 Tage sein darf.

Nach dem Parlamentsentwurf ist – im Vergleich zum Kommissionsentwurf – nun auch kein endgültiger Emissionskurs in den EU-Wiederaufbauprospekt mehr aufzunehmen. Eine solche Regelung hätte dahingehend (miss-)verstanden werden können, dass ein EU-Wiederaufbauprospekt nur für Sekundäremissionen mit einem vorab festgelegten Bezugspreis zur Anwendung gelangen kann.

V. Prospektbilligung

Die Prüfungsfrist der zuständigen Behörde für die Durchsicht des EU-Wiederaufbauprospekts soll, anstelle von grundsätzlich zehn, lediglich sieben Arbeitstage betragen. Allerdings hat der Emittent die zuständige Behörde mindestens fünf Arbeitstage im Voraus über die Antragstellung auf Billigung eines EU-Wiederaufbauprospekts zu unterrichten. Die konkrete Verfahrensdauer wird jedoch letztlich von der Verfahrenspraxis und Auslastung der Aufsichtsbehörden wie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im konkreten Einzelfall abhängen.

C. Fazit

In absehbarer Zeit gibt der EU-Wiederaufbauprospekt den Emittenten bis zum 31. Dezember 2022 eine Möglichkeit zur schnellen Eigenkapitalaufnahme, die nur mit geringem prospektrechtlichem Aufwand verbunden ist. Emittenten, die in den Anwendungsbereich fallen und eine Kapitalerhöhung beabsichtigen, sollten die Inanspruchnahme des neuen Prospektregimes im Falle eines (dringenden) Kapitalbedarfs in jedem Fall berücksichtigen. Denn mit der bevorstehenden Einführung des EU-Wiederaufbauprospekts werden die hohen Hürden für eine Prospekterstellung erheblich gesenkt, was insbesondere auch eine kurzfristige Durchführung von (Bezugsrechts-)Kapitalerhöhungen ermöglicht.