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EuGH: Konkurren­zschutz­klauseln in gewerblichen Miet­verträgen nicht per se kartell­rechts­widrig

22.12.2015

Der EuGH hat in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung klargestellt, dass Konkurrenzschutzklauseln in gewerblichen Mietverträgen nicht per se kartellrechtswidrig sind (Urteil vom 26. November 2015, Rs. C-345/14 – Maxima Latvija). Bei Klauseln, mit denen sich ein Vermieter von Gewerbeimmobilien gegen über einem Mieter verpflichtet, Ladenflächen nicht an Wettbewerber dieses Mieter zu vermieten, ist daher stets im Einzelfall und unter Berücksichtigung der konkreten Marktverhältnisse zu prüfen, ob diese gegen das Kartellverbot verstoßen.

Hintergrund

Vorausgegangen war der Entscheidung ein Kartellverfahren gegen einen großen lettischen Lebensmitteleinzelhändler. Dieser hatte mit mehreren Betreibern von Einkaufszentren Mietverträge über Ladenflächen in den jeweiligen Einkaufszentren abgeschlossen. Hierin verpflichtete sich der jeweilige Vermieter, andere Ladenflächen nur mit Zustimmung des Einzelhändlers an Dritte zu vermieten.

Der lettische Wettbewerbsrat (Konkurences padome) sah hierin eine per se unzulässige wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung, die objektiv bezwecke, Wettbewerber des Einzelhändlers vom Zugang zu Mietflächen abzuschotten, und verhängte ein Bußgeld. Aufgrund des wettbewerbswidrigen Zwecks der Vereinbarung sei der konkrete Nachweis, dass die jeweilige Vereinbarung tatsächlich Wettbewerbern des Einzelhändlers den Marktzugang erschwere, nicht erforderlich. Nachdem der Einzelhändler das Urteil über mehrere Instanzen angefochten hatte, legte der lettische oberste Gerichtshof (Augstākā Tiesa) dem Europäischen Gerichtshof im August 2014 die Frage vor, ob derartige Konkurrenzschutzklauseln „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AUEV darstellen (siehe bereits unsere Meldung vom 27. August 2014: Wettbewerbsverbote in Immobilienmietverträgen vor kartellrechtlicher Überprüfung durch den EuGH).

Ob die in Frage stehenden Klauseln – entsprechend der Einschätzung des lettischen Wettbewerbsrates – als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung einzustufen sind, hat bedeutsame Auswirkungen auf den Prüfungsmaßstab und mögliche Ausnahmeregelungen:

  • Zum einen muss in einem solchen Fall eine konkrete Beeinträchtigung des Wettbewerbs nicht oder nicht im Detail dargelegt oder bewiesen werden, um einen Verstoß gegen das Kartellverbot zu begründen. Bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen gelten vielmehr schon objektiv, d.h. „ihrem Wesen nach“ als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs.
  • Zum anderen – so die überwiegende Interpretation der Expedia-Entscheidung des EuGH von 2014 (Rs. C-226/11) – können sich die Beteiligten auch nicht auf den Standpunkt zurückziehen, dass die Wettbewerbsbeschränkung nicht spürbar sei. Bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen seien hiernach vielmehr stets spürbar. Die Europäische Kommission hat dieses Verständnis in ihre überarbeitete De-minimis-Bekanntmachung (C (2014) 4136 final) übernommen.

Gerade für das Verhältnis zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen Marktstufen (sog. Vertikalvereinbarungen) ist bislang nicht abschließend geklärt, in welchen Fallgruppen von einer „bezweckten“ Wettbewerbsbeschränkung auszugehen ist. Auch die zusammen mit der überarbeiteten De-Minimis-Bekanntmachung veröffentlichte „Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen“ (SWD (2014) 198 final), die der Praxis weitere Orientierungshilfen bei der Beurteilung „bezweckter“ wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen geben sollte, erwähnt die verfahrensgegenständlichen Klauseln nicht.

Die Entscheidung

Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass Konkurrenzschutzklauseln in gewerblichen Mietverträgen keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen.

Zwar könnten auch Vertikalvereinbarungen in bestimmten Fällen eine Wettbewerbsbeschränkung objektiv bezwecken. Bei Konkurrenzschutzklauseln in Mietverträgen sei dies aber nicht der Fall. Selbst wenn diese im Einzelfall möglicherweise eine Einschränkung des Zugangs von Wettbewerbern zu bestimmten Einkaufszentren zur Folge hätten, bedeute dies nicht, dass sie bereits „ihrem Wesen nach“ den Wettbewerb auf dem örtlichen Markt des Lebensmitteleinzelhandels beschränke.

Vielmehr sei im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Klauseln erheblich zu einer möglichen Abschottung des Marktes beitragen. Hierfür sei zum einen zu berücksichtigen, ob Wettbewerber in den Einzugsgebieten der betroffenen Einkaufszentren auf andere Mietflächen ausweichen kann. Zum anderen komme es auf die konkreten Marktverhältnisse an, wozu der EuGH insbesondere Zahl und Größe der Marktteilnehmer, die Marktkonzentration, die Treue der Verbraucher zu bestehenden Geschäften und die sonstigen Konsumgewohnheiten zählt.

Auch nach dem Urteil des EuGH bleibt es also dabei, dass die kartellrechtliche Beurteilung von Konkurrenzschutzklauseln in gewerblichen Mietverträgen nur nach sorgfältiger Prüfung im Einzelfall möglich ist.

 

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