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Europäisches Lieferketten­gesetz (CSDDD) auf der Zielgeraden

15.12.2023

Nach langen Verhandlungen haben sich der Europäische Rat und das Europäische Parlament gestern vorläufig über Inhalte der Corporate Sustainability Due Diligence Directive („CSDDD“ auch CS3D) geeinigt.

Die Richtlinie, die auch als europäisches Lieferkettengesetz bezeichnet wird, soll die Menschenrechtslage verbessern, Umweltbelange schützen und die internationalen Klimaschutzziele vorantreiben. Die vorläufige Einigung muss von den Organen noch förmlich angenommen werden.

Da der finale Text der Richtlinie wohl erst in den kommenden Wochen veröffentlicht wird, stützen wir unsere Erkenntnisse auf die Pressemitteilungen des Europäischen Rats und des Europäischen Parlaments, einschließlich der mündlichen Äußerungen in der Pressekonferenz.

Nachfolgend fassen wir die wesentlichen Eckpunkte zusammen (I.) und analysieren, inwiefern sich die CSDDD vom deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz („LkSG“) unterscheidet (II.).

I. Wesentliche Eckpunkte

Anwendungsbereich

Die CSDDD wird große Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als EUR 150 Mio. erfassen. Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mehr als EUR 40 Mio. fallen unter die CSDDD, wenn sie mindestens EUR 20 Mio. in einem Hochrisikosektor erwirtschaften. Zu diesen zählen z.B. (i) die Herstellung von bzw. der Großhandel mit Textilien, Kleidungsstücken und Schuhen, (ii) Land-, Forstwirtschaft und Fischerei, (iii) die Herstellung von und der Großhandel mit Lebensmitteln oder (iv) die Gewinnung von und der Großhandel mit mineralischen Ressourcen.

Unternehmen, die nicht nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaates gegründet wurden, sind ebenfalls verpflichtet, wenn sie drei Jahre nach Inkrafttreten der CSDDD einen Nettoumsatz von mehr als EUR 300 Mio. in der EU erwirtschaften. Die Kommission hat angekündigt, eine Liste dieser Unternehmen zu veröffentlichen.

Klima- und Umweltschutz

Die CSDDD greift das im Pariser Klimaabkommen festgelegte 1,5°C Ziel auf. Verpflichtete Unternehmen müssen einen Plan erarbeiten und umsetzen, wie sie im Rahmen ihres Geschäftsmodells und ihrer Unternehmensstrategie dazu beitragen, das Klimaschutzziel zu erreichen (sog. transition plan).

Die Sorgfaltspflichten werden auch Umweltbelange adressieren, z.B. den Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen bzw. Wasser- oder Luftverschmutzung oder übermäßigen Wasserverbrauch.

Wertschöpfungskette

Die Sorgfaltspflichten werden sich nicht nur auf den eigenen Geschäftsbereich und die Zuliefererseite beziehen (upstream), sondern teilweise auch der Produktion nachgelagerte Tätigkeiten erfassen (downstream), wie z.B. die Lagerung, den Vertrieb und die Entsorgung.

Zivilrechtliche Haftung

Die zivilrechtliche Haftung wird kommen. Betroffene, einschließlich Gewerkschaften und NGOs, können innerhalb von fünf Jahren Schadenersatzansprüche gerichtlich geltend machen. Einstweiliger Rechtsschutz und Prozesskostenhilfe sollen eine effektive Rechtsdurchsetzung ermöglichen.

Aufsicht und Sanktionen

Die national zuständigen Aufsichtsbehörden können Untersuchungen einleiten und Sanktionen, darunter Geldbußen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Nettoumsatzes, verhängen sowie Verstöße veröffentlichen (naming and shaming). Die Kommission wird auf europäischer Ebene ein Netzwerk für die national zuständigen Aufsichtsbehörden gründen (European Network of Supervisory Authorities).

Finanzsektor

Ein neuralgischer Punkt in den Trilog-Verhandlungen war die Frage, ob der Finanzsektor, z.B. Kreditinstitute, Asset-Manager und Investmentfirmen, von der CSDDD ausgenommen werden soll. Auf der gestrigen Pressekonferenz hieß es dazu, dass auch Unternehmen des Finanzsektors die Sorgfaltspflichten im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber den Zulieferern (upstream) erfüllen und im Rahmen eines Übergangsplans dazu beitragen müssten, das Klimaschutzziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Die Kommission werde überprüfen, ob der Finanzsektor zukünftig vollständig unter die CSDDD fallen wird.

II. Zeitplan und erwartete Änderungen des LkSG

Die CSDDD wird am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten. Die Mitgliedsstaaten haben dann zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Es ist zu erwarten, dass der deutsche Gesetzgeber das LkSG an mehreren Stellen anpassen wird.

Diese ersten Erkenntnisse zur CSDDD haben wir den Regelungen des LkSG gegenübergestellt:

Thema

LkSG

CSDDD

Anwendungs-
bereich

Unternehmen mit

  • Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland
  • mindestens 3.000 bzw. 1.000 Beschäftigte im Inland

Unternehmen

  • gegründet nach den Rechtsvorschriften eines EU-Mitgliedstaates
  • Nettoumsatz von mehr als EUR 150 Mio.
  • mehr als 500 Beschäftigte

Unternehmen

  • gegründet nach den Rechtsvorschriften eines EU-Mitgliedstaates
  • Nettoumsatz von mehr als EUR 40 Mio.
  • Nettoumsatz von EUR 20 Mio. in einem sog. Hochrisikosektor erwirtschaftet, also insbesondere Textilien, Bekleidung und Schuhe, Land-, Forstwirtschaft und Fischerei, Herstellung von und Großhandel mit Lebensmitteln sowie Gewinnung von und Großhandel mit mineralischen Ressourcen
  • mehr als 250 Beschäftigte

Nicht EU-Unternehmen

  • Nettoumsatz von mehr als EUR 300 Mio. in der EU erwirtschaftet, drei Jahre nach Inkrafttreten der CSDDD
  • Die Kommission wird eine Liste der verpflichteten Unternehmen veröffentlichen

Umfang der Sorgfaltspflichten

Unternehmen müssen die Sorgfaltspflichten umsetzen

  • im eigenen Geschäftsbereich sowie
  • gegenüber (un-) mittelbaren Zulieferern

Unternehmen müssen die Sorgfaltspflichten umsetzen

  • im eigenen Geschäftsbereich,
  • gegenüber den vorgelagerten Geschäftspartnern (Zulieferer) sowie
  • teilweise auch in den nachgelagerten Tätigkeiten (Lagerung, Vertrieb oder Entsorgung)

Klimawandel/Klimaziele

Klimaziele und Maßnahmen zum Klimaschutz bzw. Eindämmung des Klimawandels sind nicht Teil des LkSG

Verpflichtete Unternehmen müssen einen sog. transition plan für die Eindämmung des Klimawandels entwerfen und umsetzen. Bis zum Jahr 2050 sollen Unternehmen klimaneutral sein

Finanzsektor

Das LkSG gilt für alle Unternehmen, die in den Anwendungsbereich fallen, also auch für Unternehmen des Finanzsektors

Unternehmen des Finanzsektors müssen die Sorgfaltspflichten wohl im eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber den Zulieferern (upstream) umsetzen

Darüber hinaus müssen Unternehmen des Finanzsektors ebenfalls dazu beitragen, das Klimaschutzziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen

Managementvergütung

Das LkSG hat keinen Einfluss auf die Vergütung der Geschäftsleitung

Für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten werden sich die Klimaziele wohl auf die Vergütung der Geschäftsleitung auswirken

Zivilrechtliche Haftung

Das LkSG sieht keine zivilrechtliche Haftung vor

Eine zivilrechtliche Haftung aus anderen Vorschriften ist möglich

Die zivilrechtliche Haftung soll ermöglicht werden

Mögliche Geldbußen

Bis zu zwei Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes, sofern der Jahresumsatz durchschnittlich mehr als EUR 400 Mio. beträgt

Bis zu fünf Prozent des weltweiten Nettoumsatzes

 

Weitergehende Hinweise

Informationen zu unserem Beratungsspektrum rund um das Thema Lieferketten-Compliance, einschließlich LkSG und CSDDD, finden Sie hier: https://www.noerr.com/de/themen/lieferketten-compliance

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