Fehler bei der Leitung von Hauptversammlungen - Schadenspotential, Fehlerquellen und Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung
Die Leitung einer Hauptversammlung ist für den Versammlungsleiter nicht frei von persönlichen Haftungsrisiken. Regelmäßig übernehmen der Aufsichtsratsvorsitzende oder im Fall seiner Verhinderung ein anderes Aufsichtsratsmitglied die Leitung der Hauptversammlung. Mit Blick auf die beginnende Hauptversammlungssaison 2016 sollten daher vor allem Aufsichtsratsmitglieder sicherstellen, dass auch die Haftung für Fehler bei der Versammlungsleitung versichert ist.
Schadenspotential einer fehlerhaften Leitung der Hauptversammlung
Fehler des Versammlungsleiters können dazu führen, dass Hauptversammlungsbeschlüsse angefochten und für nichtig erklärt werden. Dadurch kann der betroffenen Gesellschaft ein erheblicher Schaden entstehen. Beispielsweise kommen folgende Schadenspositionen in Betracht:
- Kosten der Gesellschaft für den Anfechtungsprozess.
- Kosten der Gesellschaft für eine etwaig erforderliche Bestätigung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 244 AktG), insbesondere die Kosten für die Wiederholung der Hauptversammlung, die bei börsennotierten Gesellschaften beträchtlich sein können.
- Kosten bzw. nachteilige Konditionen, wenn dringende Struktur- oder Kapitalmaßnahmen, insbesondere in Sanierungssituationen, mangels eines wirksamen Hauptversammlungsbeschlusses nicht oder nur mit zeitlicher Verzögerung umgesetzt werden können.
Mögliche Fehler bei der Leitung der Hauptversammlung
Maßnahmen des Versammlungsleiters sind im Wesentlichen dann rechtswidrig, wenn sie die versammlungsgebundenen Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre verletzen. Beispielhaft sei auf folgende Fehlerquellen hingewiesen:
- Einschränkung des Teilnahmerechts der Aktionäre durch nicht ordnungsgemäße Sicherheitskontrollen im Einlassbereich oder gar Verweigerung des Zugangs zur Hauptversammlung durch Hilfskräfte an der Einlasskontrolle.
- Das Auskunftsrecht der Aktionäre kann etwa durch einen unberechtigten Wortentzug oder eine Ungleichbehandlung bei der Zumessung der Redezeit durch den Versammlungsleiter verletzt werden.
- Fehler bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses können entstehen, wenn der Versammlungsleiter wirksame Stimmen nicht oder umgekehrt Stimmen zu Unrecht berücksichtigt. Dies kann insbesondere vorkommen, wenn der Versammlungsleiter das Vorliegen eines Stimmverbots (§ 136 AktG) oder eines temporären Rechtsverlustes wegen Verstoßes gegen Stimmrechtsmitteilungspflichten (§§ 20, 21 AktG bzw. § 28 WpHG) verkennt. Durch die jüngste Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 28 WpHG im Rahmen der Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie (dazu Schilha, DB 2015, 1821, 1825 f.) wird bei börsennotierten Gesellschaften insbesondere die Prüfung der Stimmberechtigung von Aktionären durch den Versammlungsleiter künftig eine noch größere Bedeutung erlangen.
Haftung des Versammlungsleiters
Maßnahmen der Versammlungsleitung werden in der Praxis regelmäßig zum Anlass für Beschlussmängelklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse genommen und in diesem Rahmen von den Gerichten auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft. Betrachtet man zudem die zuletzt stetig gewachsene Zahl der Fälle, in denen Verwaltungsorgane persönlich für Pflichtverletzungen tatsächlich in Anspruch genommen wurden, so besteht zumindest das Risiko, dass auch die Haftung des Versammlungsleiters die Praxis künftig stärker beschäftigen wird, auch wenn die dogmatische Grundlage einer Haftung noch nicht abschließend geklärt ist.
Zurechnung des Fehlverhaltens von Hilfskräften
Wenn die vom Versammlungsleiter eingesetzten Hilfskräfte Fehler begehen, könnte ihm dies grundsätzlich zuzurechnen sein (vgl. § 278 BGB). Relevant wird dies etwa, wenn ein Mitarbeiter der Gesellschaft oder eines externen Dienstleisters einen Aktionär an der Eingangskontrolle zu Unrecht zurückweist und dadurch die Beschlüsse der Hauptversammlung anfechtbar macht. Genauso kann es zu folgenreichen Pflichtverletzungen von Hilfskräften kommen, wenn diesen etwa beim Zulassen, Einsammeln oder Auszählen der Stimmen Fehler unterlaufen. In der Praxis ist es aber regelmäßig die Gesellschaft, die die im Zusammenhang mit der Hauptversammlung tätigen Hilfskräfte auswählt, instruiert und sie als Hilfskräfte in der Hauptversammlung bereit stellt. Solche Fälle könnten deshalb unter Berufung auf die Wertung des § 254 BGB zu lösen sein, indem man der Gesellschaft ein Mitverschulden aufgrund der Auswahl und Ausbildung der Hilfskräfte zuspricht.
Maßstab der Haftung des Versammlungsleiters
Der Versammlungsleiter haftet grundsätzlich für Vorsatz und jede Form der Fahrlässigkeit. Soweit es um die Frage geht, ob der Versammlungsleiter seine Sorgfaltspflicht gegenüber der Gesellschaft verletzt hat, ist dem Versammlungsleiter aber ein weiter, gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum einzuräumen. Bei rechtlich besonders komplexen Fragestellungen dürfen zudem die Pflichtanforderungen an den Versammlungsleiter nicht überspannt werden.
Möglichkeiten zur Begrenzung des Haftungsrisikos für den Versammlungsleiter
Zur Begrenzung des Haftungsrisikos ist zu erwägen, die Haftung des Versammlungsleiters in den Grenzen des § 276 Abs. 3 BGB durch vertragliche Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs oder gar durch eine Satzungsregelung im Voraus zu beschränken. Im Übrigen sollte das Haftungsrisiko jedenfalls durch eine Haftpflichtversicherung aufgefangen werden können. Aufsichtsratsmitglieder sollten daher ihren bestehenden Versicherungsschutz diesbezüglich überprüfen.
Weitere Einzelheiten zu diesem Thema finden Sie auch in dem Beitrag von Theusinger/Schilha, Die Leitung der Hauptversammlung – eine Aufgabe frei von Haftungsrisiken?, in: Betriebs-Berater 2015, 131 ff.
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