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Finanzielle Auswirkungen und gesteigerte Mitwirkungs­pflichten auf leisen Sohlen – das Steueroasen­abwehrgesetz

12.06.2023

Zum 01.01.2022 ist das neu eingeführte Steueroasenabwehrgesetz (StAbwG) in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist die Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb unter Zuhilfenahme von Steueroasen. Durch die Sanktionierung von Geschäftsbeziehungen in nicht kooperative Staaten („Steueroasen“) soll die Verlagerung von Einkünften bzw. der Geldfluss in Steueroasen erschwert und für Unternehmen wirtschaftlich unattraktiv gemacht werden.

Take Aways

  • Unternehmen sollten die Überwachung von Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungen in oder mit Bezug zu sog. nicht kooperativen Staaten in ihr internes Kontrollsystem einbauen, so dass diese Geschäftsbeziehungen bereits bei Anbahnung identifiziert werden können und ein frühzeitiger Austausch zu den steuerlichen Konsequenzen mit der Steuerabteilung oder dem steuerlichen Berater erfolgen kann.
  • Bei Vorliegen von Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungen in oder mit Bezug zu sog. nicht kooperativen Staaten ist zwingend ein standardisiertes Dokumentationssystem aufzubauen, da gemäß § 12 StAbwG Aufzeichnungen – ähnlich zu einer Verrechnungspreisdokumentation –spätestens ein Jahr nach Ablauf des Geschäftsjahres zu erstellen und ohne Aufforderung an das örtlich zuständige Finanzamt bzw. das BZSt zu übermitteln sind.

Welche Länder oder Gebiete gelten als Steueroasen?

Die betreffenden Jurisdiktionen, auf die das StAbwG Anwendung findet, werden einmal jährlich Ende des Jahres in der Steueroasen-Abwehrverordnung aktualisiert (zuletzt am 16.12.2022 Link). Die Maßnahmen nach dem StAbwG sind grundsätzlich ab dem 01.01. des Folgejahres anzuwenden, nachdem ein Staat in die Liste der nicht kooperativen Länder aufgenommen wurde.

Derzeit (Stand 16.12.2022) befinden sich folgende Staaten auf der Liste:

  • Amerikanisch-Samoa (seit dem 24. Dezember 2021),
  • Anguilla (seit dem 21. Dezember 2022),
  • Bahamas (seit dem 21. Dezember 2022),
  • Fidschi (seit dem 24. Dezember 2021),
  • Guam (seit dem 24. Dezember 2021),
  • Palau (seit dem 24. Dezember 2021),
  • Panama (seit dem 24. Dezember 2021),
  • Samoa (seit dem 24. Dezember 2021),
  • Trinidad und Tobago (seit dem 24. Dezember 2021),
  • Turks- und Caicosinseln (seit dem 21. Dezember 2022),
  • Amerikanische Jungferninseln (seit dem 24. Dezember 2021),
  • Vanuatu (seit dem 24. Dezember 2021).

EU-Liste nicht kooperativer Staaten

Zu beachten ist jedoch, dass die im Inland geltende jährlich aktualisierte Liste auf der EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke basiert (sog. „schwarze Liste“), welche zweimal jährlich aktualisiert wird.

Nachdem die EU ihre „schwarze Liste“ am 14.02.2023 um vier Staaten ergänzt hat, ist die Aufnahme folgender Länder in der nächsten Änderungsverordnung zu erwarten:

  • Britische Jungferninseln
  • Costa Rica
  • Marshallinseln
  • Russland

Stets im Blick zu behalten ist jedoch nicht nur die „schwarze Liste“, sondern auch die sogenannte „graue Liste“ der EU. Dort werden Staaten gelistet, welchen Fristen für die Anpassung zugesagter Gesetzesänderungen gegeben wurden.

Sowohl die „schwarze“ als auch die „graue Liste“ können auf der Seite der EU abgerufen werden (Common EU list of third country jurisdictions for tax purposes (europa.eu)).

Wann greift das Steueroasenabwehrgesetz?

Das StAbwG greift ein bei Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnissen in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet. Dies gilt auch bei anzunehmenden schuldrechtliche Beziehungen mit Betriebsstätten im Ausland (§ 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AStG) sowie auf Vorgänge, die lediglich auf einer gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung beruhen. Ein Beteiligungsverhältnis ist daher keine Voraussetzung für das Eingreifen des Gesetzes.

Die Maßnahmen sind grundsätzlich ab dem 01.01. des Folgejahres anzuwenden, nachdem ein Staat in die Liste der nicht kooperativen Länder aufgenommen wurde. Einzelne Maßnahmen sind jedoch mit einem Zeitversatz von zwei bzw. drei Jahren anzuwenden. Ab welchen Zeitpunkten die Maßnahmen greifen, ist in § 3 Abs. 2 StAbwG geregelt.

Welche Folgen ergeben sich aus der Anwendung des Steueroasenabwehrgesetzes?

Bei Vorliegen einer Geschäftsbeziehung oder eines Beteiligungsverhältnisses in oder mit Bezug zu einer Steueroase kommen folgende Sanktionierungsmaßnahmen in Betracht, wobei das StAbwG gegenüber Doppelbesteuerungsabkommen vorrangig gilt (§ 1 Abs. 3 StAbwG, Stichwort „treaty override“):

  • Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung: Einkünfte einer mittel- oder unmittelbaren Beteiligung in einer Steueroase werden unabhängig von ihrer Tätigkeit im Inland durch Hinzurechnung besteuert.
    Dies gilt mit Wirkung ab dem Folgejahr nach Aufnahme in die Liste.
  • Quellensteuermaßnahmen: Die Quellensteuer von 15% ist bei Zahlungen an ein in einer Steueroase ansässiges Unternehmen aufgrund folgender Leistungen einzubehalten:

Nr. 1: Finanzierungsbeziehungen, jedoch keine global verbrieften und zentral verwalteten Inhaberschuldverschreibungen sowie an anerkannter Börse handelbare Schuldtitel

Nr. 2: Versicherungsleistungen

Nr. 3 Erbringung von Dienstleistungen, jedoch keine Nutzungsüberlassungen

Nr. 4: Handel mit Waren oder Dienstleistungen

Nr. 5: Vermietung/Veräußerung von Rechten, die in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind (sog. „Registerfälle“)

Dabei existiert keine Freigrenze, d.h. jede Zahlung führt zum Quellensteuerabzug! Dies gilt mit Wirkung ab dem Folgejahr nach Aufnahme in die Liste.

  • Maßnahmen bei Gewinnausschüttung und Anteilsveräußerung: Steuerbefreiungen oder -begünstigungen für Einkünfte aus einer Beteiligung an einer Gesellschaft im nicht kooperativen Ausland werden versagt (§ 8b KStG, Erleichterungen in Doppelbesteuerungsabkommen, Teileinkünfteverfahren, Abgeltungsteuer)
    Dies gilt mit Wirkung ab dem dritten Folgejahr nach Aufnahme in die Liste.
  • Verbot des Betriebsausgabenabzugs: Aufwendungen aus Geschäftsvorgängen dürfen den Gewinn oder den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten im Inland nicht mindern.
    Dies gilt jedoch nachrangig ggü. der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung und den Quellensteuermaßnahmen sowie § 49 EStG und der normalen Hinzurechnungsbesteuerung.
    Das Verbot des Betriebsausgabenabzugs gilt mit Wirkung ab dem vierten Folgejahr nach Aufnahme in die Liste.

Gesteigerte Mitwirkungspflichten

Außerdem ergeben sich aus der Anwendbarkeit des StAbwG gesteigerte Mitwirkungspflichten. Aufzeichnungen – ähnlich zu einer Verrechnungspreisdokumentation – sind spätestens ein Jahr nach Ablauf des Geschäftsjahres zu erstellen und ohne Aufforderung an das örtlich zuständige Finanzamt sowie in den Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 138a AO erfüllt sind, dem BZSt, zu übermitteln.

  • § 12 StAbwG sieht, in Ergänzung zu den nach § 90 AO bestehenden (allgemeinen) Mitwirkungspflichten, für Geschäftsvorgänge i.S.d. § 7 StAbwG gesteigerte Mitwirkungspflichten vor. Gemäß § 12 Abs. 2 StAbwG sind folgende Aufzeichnungen zu erstellen:
  • Darstellung der Geschäftsbeziehungen sowie zugrundeliegende Verträge und vereinbarte Vertragsbedingungen;
  • Auflistung von Vereinbarungen mit Bezug zu immateriellen Werten
  • die von den Beteiligten im Rahmen der Geschäftsbeziehungen ausgeübten Funktionen und übernommenen Risiken, die eingesetzten wesentlichen Vermögenswerte;
  • die gewählten Geschäftsstrategien sowie die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse, die für die Besteuerung von Bedeutung sind;
  • die natürlichen Personen, die unmittelbar oder mittelbar Gesellschafter oder Anteilseigner einer Gesellschaft in dem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet sind, zu dem der Steuerpflichtige in Geschäftsbeziehung steht (Ausnahme hierzu siehe § 12 Abs. 2 Nr. 8 StAbwG).

Als praktisch wohl wichtigste Folge einer Verletzung der Aufzeichnungspflichten nach § 12 Abs. 3 StAbwG ergibt sich die Eröffnung der Schätzungsbefugnis der Finanzverwaltung.

Fazit

Mit den sich aus dem Gesetz ergebenden steuerlichen Folgen erreicht der Gesetzgeber, dass Geschäftsbeziehungen, Beteiligungen oder Investitionen in Länder, die als Steueroase benannt wurden, wirtschaftlich unrentabel sind. Insbesondere im Hinblick auf die Länder der „grauen Liste“ und auf Unternehmen mit dort belegenen Produktionsstätten und Vertriebsgesellschaften, sind die Auswirkungen immens, sollten diese künftig in die jährlich Ende des Jahres angepasst Verordnung aufgenommen werden.

Es ist daher dringend zu empfehlen, sowohl die schwarze als auch die graue Liste der EU ständig im Auge zu behalten und die steuerlichen Folgen des StAbwG bei der Auswahl der Geschäftspartner bzw. der örtlichen Niederlassung von Tochtergesellschaft oder Betriebsstätten genau zu analysieren. Prozesse zur Prüfung der Geschäftspartner und zur Einhaltung möglicher Quellensteuermaßnahmen sind daher frühzeitig zu etablieren.

Zur Einhaltung der gesteigerten Mitwirkungspflichten ist ein standardisiertes Dokumentationssystem für die betroffenen Geschäftsbeziehungen aufzubauen.