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Gestaltungs­optionen für Bestellungs­dauer bei Vorstands­vorsitzenden einer AG

13.05.2019

Die Fragen rund um die Ausgestaltung der Vorstandsbestellung gewinnen nicht zuletzt durch den Referentenentwurf zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) vom 11. Oktober 2018 (sehen Sie hierzu unseren News-Beitrag) an Aktualität. Neben der Vorstandsvergütung bildet die konkrete Dauer der Bestellung ein im Einzelfall sorgsam zu diskutierendes Gestaltungselement, insbesondere im Zusammenhang mit einem mittel- bzw. langfristig geplanten Aufrücken des neu zu bestellenden Vorstands in die Position des Vorstandsvorsitzenden. Derartige Nachfolgeplanungen stellen sich vor allem bei bevorstehenden Generationswechseln in Familienunternehmen oder mit Blick auf beabsichtigte unternehmerische Strategiewechsel. Das neue Vorstandsmitglied hat dabei naturgemäß ein Interesse, bereits zu Beginn seiner Tätigkeit eine verbindlichen Zusage hinsichtlich des späteren Aufrückens in die Position des Vorstandsvorsitzenden zu haben.

Geltende Grundlagen bei der Vorstandsbestellung

Aktienrecht

Die Bestellung des Vorstands einschließlich der Entscheidung über dessen Anstellungsvertrag fällt gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG in den ausschließlichen und unübertragbaren Zuständigkeitsbereich des Gesamtaufsichtsrats. Dem Personalausschuss kann einzig die Vorbereitung der konkreten Personalie übertragen werden.

Die Entscheidung über die erstmalige Bestellungsdauer ist jedoch gem. § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG auf einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren beschränkt, wobei die Frist mit Beginn der Amtszeit anläuft. Diese Höchstfrist gilt ebenfalls bei der Verlängerung der Amtszeit des Vorstands. Darüber hinaus enthält § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG die weitergehende Einschränkung, dass dieser Aufsichtsratsbeschluss frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit des Vorstandsmitglieds gefasst werden kann. Der Aufsichtsrat kann sich seiner Personalhoheit demnach für längstens sechs Jahre begeben.

Deutscher Corporate Governance Kodex

Nach Ziffer 5.1.2 des aktuellen Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) soll die maximale Bestellungsdauer von fünf Jahren bei der Erstbestellung nicht die Regel sein. Die am 6. November 2018 vorgelegten Änderungsvorschläge zum DCGK enthalten eine weitere Eingrenzung dahingehend, dass die Erstbestellung von Vorstandsmitgliedern auf längstens drei Jahre erfolgen soll. Gleichzeit enthält der Konsultationsentwurf weiterhin die Empfehlung, wonach der Aufsichtsrat gemeinsam mit dem Vorstand für eine langfristige Nachfolgeplanung auf Vorstandsebene sorgen soll.

Bestellung des Vorstandsvorsitzenden

Die Ernennung zum Vorstandsvorsitzenden einer Aktiengesellschaft baut auf dessen Stellung als Vorstandsmitglied auf. Nach übereinstimmender Auffassung im Schrifttum finden daher grund-sätzlich die Regelung für die Beschlussfassung über die Vorstandsbestellung Anwendung, mithin bedarf es insbesondere eines Aufsichtsratsbeschlusses mit einfacher Mehrheit. Die zeitliche Höchstbefristung von fünf Jahren kann ebenfalls nicht überschritten werden. In der Praxis ist ein Gleichlauf zwischen der Bestellungsdauer als Vorstandsmitglied und Ernennung zum Vorstandsvorsitzenden zwar üblich, aber nicht zwingend.

Vorzeitige Bestellung als Vorstandsmitglied und Vorstandsvorsitzender

Aus der Anwendung von § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG auf die Bestellung des Vorstands folgt jedoch kein Hindernis für eine vorzeitige Ernennung als Vorstandsvorsitzender über die Grenze der Jahresfrist hinaus. Eine gestaffelte Vorgehensweise in einer Beschlussfassung dergestalt, dass die Bestellung zunächst als Vorstandsmitglied und zu einem bereits festgelegten, späteren Zeitpunkt die Ernennung zum Vorstandsvorsitzender erfolgt, ist möglich. Die Jahresfrist des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG kann in diesem Fall für die Übernahme des Amts als Vorstandsvorsitzender nicht gelten, sondern muss allein hinsichtlich der vorgelagerten (erstmaligen) Übernahme des Vorstandsamts als solches beachtet werden. Sinn und Zweck der Regelung des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG ist, eine Umgehung der fünfjährigen Höchstfrist für die Bestellungsdauer zum Vorstandsmitglied durch zeitlich im Voraus liegende Bestellungsversprechen des Aufsichtsrats zu verhindern.

Dieser Schutz der Personalhoheit des Aufsichtsrats wird jedoch nicht verletzt, wenn ein unter Einhaltung der Vorgaben des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG auf maximal fünf Jahre bestelltes Vorstandsmitglied gleichzeitig mit dem Bestellungsbeschluss zu einem außerhalb des Jahreszeitraums liegenden Zeitpunkt zum Vorstandsvorsitzenden ernannt wird. Die Personalhoheit des Aufsichtsrats ist in diesem Fall durch die Einhaltung der Jahresfrist für die Vorstandsbestellung als solches und dadurch, dass das Amt des Vorstandsvorsitzenden nicht über die Frist der Vorstandsbestellung hinausgehen kann, gewährt. Ein weitergehender Schutz ist nicht notwendig und wird vom Gesetz auch nicht gefordert.

Ein Beschluss des Aufsichtsrats könnte daher beispielsweise sinngemäß lauten:

„Herr/Frau [●] wird ab dem 01.01.2020 für die Dauer von fünf Jahren zum Mitglied des Vorstands der Gesellschaft bestellt. Zugleich wird Herr/Frau [●] ab dem 01.01.2022 (bis zum 31.12.2025) zum Vorstandsvorsitzenden bestellt.“

Fazit

Bei der sowohl im Interesse der Gesellschaft als auch des nachrückenden Vorstandsvorsitzenden flexiblen Nachfolgeplanung im Vorstand einer Aktiengesellschaften sind die gesetzlichen Vorgaben als Leitplanken zu beachten, müssen jedoch mit Blick auf deren Sinn und Zweck ausgelegt und angewandt werden. Bei der zusammenhängenden Beschlussfassung über die Bestellung als Vorstand und Ernennung als Vorstandsvorsitzender steht die Jahresfrist nach § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG nicht einem späteren Amtsantritt als Vorstandvorsitzender entgegen.


Corporate
Kapitalmarktrecht

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