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Gutschrift auf Kapitalkonto II führt nicht zur Gewährung von Gesellschaftsrechten
05.02.2016
Vorsicht bei Übertragung von Wirtschaftsgütern in Personengesellschaften
Mit seinem aktuell veröffentlichten Urteil vom 29.07.2015 (IV R 15/14) wendet sich der BFH gegen eine jahrelang gelebte Praxis bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern in das Gesamthandsvermögen von Personengesellschaften (KG, OHG).Sollen einzelne Wirtschaftsgüter, ganze Betriebe, Teilbetriebe oder Mitunternehmeranteile steuerneutral, d.h. ohne Aufdeckung stiller Reserven, in eine Personengesellschaft übertragen werden, müssen dem Einbringenden im Gegenzug Gesellschaftsrechte gewährt werden. Die Gewährung solcher Gesellschaftsrechte liegt nach der derzeit vorherrschenden Rechtsauffassung der Finanzverwaltung auch vor, wenn dem Einbringenden der Gegenwert der eingebrachten Wirtschaftsgüter auf dem sog. Kapitalkonto II gutgeschrieben wird (BMF-Schreiben vom 11.7.2011). Bei dem Kapitalkonto II handelt es sich regelmäßig um ein variables Konto, das dem jeweiligen Gesellschafter im Gegensatz zum festen Kapitalkonto I zwar keinen konkreten Anteil am Gewinn oder den Stimmrechten vermittelt. Gleichwohl zählt es zum Eigenkapital des Gesellschafters, wenn darauf Verluste der Personengesellschaft verbucht werden. Dies reichte der Finanzverwaltung bisher aus, selbst die alleinige Verbuchung des Einbringungsvorgangs auf dem Kapitalkonto II als Gewährung von Gesellschaftsrechten anzusehen.
Der BFH tritt nun dieser Rechtsauffassung der Finanzverwaltung mit seinem Urteil vom 29.07.2015 ausdrücklich entgegen. Überträgt der Kommanditist einer KG dieser ein Wirtschaftsgut, dessen Gegenwert allein seinem Kapitalkonto II gutgeschrieben wird, so liegt nach Auffassung des BFH keine Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, sondern eine Einlage vor, wenn sich nach den Regelungen im Gesellschaftsvertrag der KG die maßgeblichen Gesellschaftsrechte nach dem aus dem Kapitalkonto I folgenden festen Kapitalanteil richten. Maßgebend für die Beurteilung, ob ein Kapitalkonto Gesellschaftsrechte gewährt, ist die Vermittlung von Anteilen am Vermögen, am Gewinn oder an den Stimmrechten.
In dieser Frage vertritt der BFH nun im Vergleich zur Finanzverwaltung eine deutlich restriktivere Auffassung. Ausdrücklich offen lässt der BFH die sich anschließende Frage, ob vollumfänglich eine Gewährung von Gesellschaftsrechten vorliegt, wenn die Einbringung sowohl auf dem Kapitalkonto I als auch auf dem Kapitalkonto II verbucht wird.
Auch hier besteht die Gefahr, dass eine solche Verbuchung des Einbringungsvorgangs nicht mehr vollumfänglich zur Gewährung von Gesellschaftsrechten führt.
Hinweise:
Die Entscheidung des BFH bedeutet eine Zäsur für die Verbuchung von Einbringungsvorgängen bei Personengesellschaften. Sie ist für zukünftige Einbringungen zu beachten. Unsicherheiten bestehen ferner über den Urteilstext hinaus, für die künftige steuerliche Behandlung bei gleichzeitiger Verbuchungen auf dem Kapitalkonto I und II. Rechtsicherheit wird man künftig nur noch durch eine alleinige Verbuchung auf dem Kapitalkonto I oder einem anderen Kapitalkonto erreichen, das dem Gesellschafter die maßgeblichen Gesellschaftsrechte vermittelt. Solche Verbuchungen führen allerdings gleichzeitig zu Verschiebungen der Beteiligungsquoten bei solchen Übertragungsvorgängen, die bisher durch die Verbuchung auf dem variablen Kapitalkonto verhindert werden konnten.
Spannend dürfte vor allem auch die Reaktion der Finanzverwaltung sein. Das BMF wollte wohl seine Linie verteidigen. Dies lässt sich zumindest aus dem Antrag auf Beitritt zum Verfahren vermuten. Dieses Begehren lehnte der BFH allerdings mit Beschluss vom 16.12.2015 ab. Es ist nun nicht auszuschließen, dass das BMF seine bisherige Auffassung ändern wird und auf die restriktivere Linie des BFH einschwenkt. Ein Nichtanwendungserlass des BMF oder gar eine gesetzliche Klarstellung zum Erhalt der derzeitigen Rechtsauffassung scheint bei der Argumentation des BFH eher auszuschließen sein.
Fraglich ist auch, ob und wie lange die Finanzverwaltung noch Einbringungsvorgänge nach der für die Steuerpflichtigen vorteilhafteren Rechtsauffassung des heute noch geltenden BMF-Schreibens vom 11.7.2011 anwenden wird. Möglicherweise kommt hier die gleiche Vorgehensweise, wie bei der Neufassung des BMF-Schreibens am 11.7.2011 zur Anwendung. Parallelen sind hier erkennbar. Auch damals wurde die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung auf die Verschärfung der BFH-Rechtsprechung aus dem Jahr 2008 (BFH vom 24.1.2008 und vom 17.7.2008) angepasst. Konkret wurde den Steuerpflichtigen eine Übergangsregelung eingeräumt, in der für Übertragungsvorgänge bis zum 30.6.2009 auf Antrag noch die vorteilhaftere Auffassung der Finanzverwaltung angewendet werden konnte. Bei einer solchen Übergangsregelung bestünde zumindest Rechtssicherheit für die vor der Veröffentlichung des BFH-Urteils erfolgten Einbringungsvorgänge. Unsicher ist aus heutiger Sicht allerdings, ob auch in diesem Fall eine Übergangsregelung gewährt wird und bis zu welchem Zeitpunkt diese gelten würde.
Doch angesichts der für viele überraschenden Änderung der Rechtsprechung und dem Erhalt des Vertrauens auf die in dem BMF-Schreiben enthaltenen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung dürfte auch in diesem Fall eine Übergangsregelung zu erwarten sein. Dies gilt insbesondere für die Fälle, die bis zur Rechtsprechungsänderung erfolgt sind.
Bestens
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