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Homeoffice aus dem euro­päischen Ausland - Sozial­versicherungs­recht

08.09.2023

Remote arbeiten von Orten außerhalb der Büroräume des Arbeitgebers (hier nachfolgend „Telearbeit“) hat spätestens seit der „Corona“-Krise einen bemerkenswerten Aufschwung erfahren. Diese Arbeitsform ermöglicht es Mitarbeitern, IT-gebundene Tätigkeiten außerhalb der traditionellen Büroumgebung, insbesondere von zu Hause aus, auszuüben.

Die Telearbeit im Homeoffice auch außerhalb Deutschlands wird seither immer beliebter und insbesondere von Mitarbeitern, deren Familie im Ausland lebt, bei deutschen Unternehmen angefragt. Eine Arbeitsgruppe innerhalb der EU hat vor diesem Hintergrund konkrete Spielregeln auf dem Feld des Sozialversicherungsrechts entwickelt. Abgeschlossen wurde das Multilaterale Rahmenübereinkommen über die Anwendung von Artikel 16 Absatz 1 VO (EG) 883/04 bei gewöhnlicher grenzüberschreitender Telearbeit (das „Multilaterale Rahmenübereinkommen“), dem sich nicht nur die Mitgliedstaaten der EU, sondern auch weitere Staaten anschließen können. Derzeit nehmen neben Deutschland sämtliche Anrainerstaaten Deutschlands (einschließlich der Schweiz) mit Ausnahme von Dänemark an dem Übereinkommen teil. Unter anderem das Vereinigte Königreich sowie Italien und Griechenland haben das Rahmenübereinkommen bislang nicht unterzeichnet.

Aus deutscher Perspektive kann nach den Regelungen des Multilateralen Rahmenübereinkommens ein Mitarbeiter, der im Ausland lebt und von dort aus regelmäßig arbeiten will, auch wenn er einen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber im deutschen Betrieb zur Verfügung hat, unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin im deutschen Sozialversicherungssystem verbleiben.  

Allerdings ist dies nur möglich, wenn die Telearbeit bei prognostischer Betrachtung in den kommenden zwölf Kalendermonaten im ausländischen Wohnsitzstaat weniger als 50% der Gesamttätigkeit des Mitarbeiters ausmacht und er somit mehr als 50% in Deutschland arbeiten wird. Hiervon ausgehend kann der Arbeitgeber seit 1. Juli 2023 mit Einverständnis des Arbeitnehmers bei der zuständigen (deutschen) Sozialversicherungsbehörde auf der Basis des neu geschlossenen Multilateralen Rahmenübereinkommens den Abschluss einer Ausnahmevereinbarung (die „Ausnahmevereinbarung MRA“) beantragen. Aufgrund einer solchen Ausnahmevereinbarung MRA gilt dann das deutsche Sozialversicherungsrecht weiter.

Das Multilaterale Rahmenübereinkommen ist zunächst für fünf Jahre geschlossen worden und wird sich automatisch – voraussichtlich – um fünf weitere Jahre verlängern.

Voraussetzungen für die Weitergeltung deutschen Sozialversicherungsrechts

Die Voraussetzungen für die Ausnahmevereinbarung MRA und damit das Verbleiben im deutschen Sozialversicherungssystem sind:

  • Der Arbeitnehmer ist in Telearbeit tätig, d.h. er erbringt eine Tätigkeit, die ortsunabhängig geleistet werden kann und in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers ausgeübt werden könnte.
  • Der Arbeitnehmer will diese Tätigkeit grenzüberschreitend, d.h. in einem anderen Mitgliedstaat erbringen als demjenigen, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
  • Die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist auf den Einsatz von Informationstechnologie gestützt.
  • Der Arbeitnehmer erbringt seine Arbeit nicht nur in seinem Wohnsitzstaat, sondern auch im Sitzstaat des Arbeitgebers.

Bedeutung für die grenzüberschreitende Homeoffice Tätigkeit

Basierend auf dem Multilateralen Rahmenübereinkommen können nun deutsche Arbeitgeber ihren Mitarbeitern eine Tätigkeit aus dem Homeoffice auch erlauben, wenn dieses im (angrenzenden) Ausland liegt und der Mitarbeiter fast die Hälfte seiner Arbeitszeit dort ableisten möchte.

Früher war in Fällen, in denen der Mitarbeiter in seinem (ausländischen) Wohnsitzstaat mehr als 25% seiner Arbeitsleistung erbrachte, das Sozialversicherungsrecht des Wohnsitzstaates anwendbar (Art. 13 Abs. 1 VO (EG) 883/04). Mit der neu geschaffenen Regelung bleibt das deutsche Sozialversicherungsrecht anwendbar, auch wenn der Mitarbeiter fast 50% in seinem Wohnsitzstaat in Telearbeit tätig wird.

Da der Mitarbeiter im deutschen Sozialversicherungssystem bleibt, ist für den Arbeitgeber insoweit kein weiterer Verwaltungsaufwand bei der Gehaltsabrechnung verbunden.

Vorsicht – Auslands- und steuerrechtliche Nebenwirkungen prüfen!

Allerdings muss der Arbeitgeber bei dieser grenzüberschreitenden Tätigkeit seines Mitarbeiters darauf achten, dass die zwingenden Rechtsvorschriften des Auslands vor allem im Bereich des Arbeitsrechts eingehalten werden. Diese werden regelmäßig die Arbeitszeit und auch andere Arbeitnehmerschutzvorschriften betreffen.

Eine sorgfältige schriftliche Dokumentation im Rahmen einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag ist dringend anzuraten. Auch sind ggf. zusätzliche Nachweispflichten gemäß dem Nachweisgesetz einzuhalten.

Zudem muss geprüft werden, ob der Arbeitgeber nicht auch steuerliche Pflichten im Ausland haben wird, wenn sein Mitarbeiter dort seine Arbeitsleistung (in Telearbeit) erbringt. Dies kann lohnsteuerliche Auswirkungen haben, aber auch auf ertragssteuerlicher Ebene die Thematik einer Betriebsstätte des Arbeitgebers im Ausland aufwerfen.

Ausblick: Die Zukunft der globalen Telearbeit

Derzeit sind 19 Staaten dem Multilateralen Rahmenübereinkommen beigetreten und es wird erwartet, dass noch weitere Staaten folgen werden.

Das Multilaterale Rahmenübereinkommen markiert einen bedeutenden Schritt in der Gestaltung der globalen Telearbeitslandschaft. Während es bereits jetzt Arbeitnehmern und Arbeitgebern neue Möglichkeiten bietet, bleibt die Zukunft der globalen Telearbeit spannend. Technologische Entwicklungen und sich verändernde Arbeits(zeit)modelle werden weiterhin Einfluss darauf nehmen, wie Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Arbeit im globalen Kontext gestalten. Unternehmen sollten die Gelegenheit ergreifen, von den Vorteilen des Multilateralen Rahmenübereinkommens zu profitieren, und gleichzeitig ihre Arbeitspraktiken an die sich wandelnden Anforderungen der globalen Arbeitswelt anpassen.

In Deutschland ansässige Arbeitgeber sollten prüfen, ob die Wohnsitzstaaten von Beschäftigten unter das Multilaterale Rahmenübereinkommen fallen und – soweit gewünscht – Anträge auf Abschluss einer Ausnahmevereinbarung MRA stellen. Sollen mehr als 50% grenzüberschreitende Telearbeit vereinbart werden und weiterhin die Anwendung des deutschen Sozialversicherungsrecht gewünscht sein, kann geprüft werden, ob eine „normale“ Ausnahmevereinbarung gemäß Artikel 16 Absatz 1 VO (EG) 883/2004 getroffen werden kann.

Wir beraten Sie gerne, welche Option im jeweiligen Fall für Sie am meisten geeignet ist.