Standardessentielle Patente: Unterlassungsklage kann Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen
Aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des LG Düsseldorf hat der EuGH am 16. Juli 2015 (C-170/13) entschieden, dass der Inhaber eines für einen von einer Standardisierungs-Organisation (SSO) normierten standard-essentiellen Patents (SEP) seine marktbeherrschende Stellung bei Vorliegen besonderer Umständen missbrauche, wenn er auf Unterlassung der Beeinträchtigung seines Patents klage.
Im zugrundeliegenden Fall legte das Unternehmen Huawei Technologies als Inhaber eines Europäischen Patents im Telekommunikationsbereich, das Huawei beim Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) als essentielles Patent für einen bestimmten Standard in diesem Bereich anmeldete, Patentverletzungsklage gegen ein Unternehmen der Unternehmensgruppe ZTE ein.
Das Unternehmen vertrieb in Deutschland Produkte mit einer Software, von der der genannte Standard genutzt wurde, ohne dabei an Huawei Lizenzgebühren zu zahlen. Nach den durch den BGH 2009 in der Entscheidung „Orange Book“ definierten Prinzipien ist grundsätzlich der Lizenzsucher bzw. potentielle Verletzer gehalten, dem SEP-Inhaber ein unbedingtes Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrages zu machen und sich gleichzeitig bereits im Vorfeld so zu verhalten, als sei dieser Vertrag zustande gekommen. Das LG Düsseldorf wollte nun vom EuGH wissen, unter welchen Umständen ein Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung durch eine solche Patentverletzungsklage missbrauche.
Der EuGH wies zunächst darauf hin, dass die Geltendmachung von Ansprüchen aus Immaterialgüterrechten an sich keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstelle. Allerdings könne dies im Falle von SEP anders sein. In einem solchen Fall sei das fragliche Patent für einen von einer SSO normierten Standard essenziell und seine Benutzung daher für jeden Wettbewerber, der Produkte herzustellen beabsichtige, die dem Standard entsprächen, unerlässlich. Das Patent erlange den SEP-Status ferner nur dann, wenn sich der Inhaber dazu verpflichtet, Dritten zu FRAND-Bedingungen (fair, zumutbar und diskriminierungsfrei) Lizenzen für dieses SEP zu erteilen.
Aus diesen Gründen vertrat der EuGH die Ansicht, dass der Inhaber eines SEP dem vermeintlichen Patentverletzer ein konkretes Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrages unterbreiten müsse, bevor er Klage auf Unterlassung der Verletzung des Patents einreiche. Allerdings unterschied das Gericht klar zwischen dem Begehren auf Unterlassung und dem auf Rechnungslegung bezüglich der vergangenen Benutzungshandlungen in Bezug auf das Patent oder auf Schadensersatz wegen dieser Handlungen. Diesbezüglich würde der Inhaber einer marktbeherrschenden Stellung und eines SEP seine marktbeherrschende Stellung jedenfalls nicht missbrauchen.
Die Entscheidung hat weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen. Die Möglichkeiten des SEP-Inhabers, einen Unterlassungstitel zu erstreiten, sind durch die Verpflichtung des Patentinhabers zur Unterbreitung von Lizenzangeboten an potentielle Verletzer signifikant beschränkt. Der SEP-Inhaber ist hierdurch letztlich an einer effizienten Durchsetzung seines Schutzrechts gehindert. Das wiederum kann zu einem starken Rückgang der Teilnahme an SSOs führen. Offen bleibt zudem, wie das Lizenzangebot konkret aussehen muss.
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