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Unein­­ge­­schränkt aktive Weiter­­nutzung von Social-Media-Accounts durch Erben - Update zum digi­­talen Nach­­lass

Neue Recht­sprechung, Ge­stal­tungs­möglich­keiten und Em­pfehlungen für den Umgang mit digitalen (Vermögens-) Positionen

04.03.2025

Die Frage, was nach dem Ableben mit dem „digitalen Nachlass“ des Verstorbenen geschieht, ist relevanter denn je. Das betrifft digitale Vermögenswerte wie Kryptoassets und auch Social-Media-Profile und -Accounts. Dort verschmelzen oft private Erinnerungen mit öffentlicher Präsenz. Und sie ermöglichen dem Inhaber eine Kommerzialisierung und teils erhebliche Wertschöpfung.

Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg rückt das Thema erneut in den Fokus: Mit Urteil vom 30.12.2024 (Az. 13 U 116/23) hat das OLG entschieden, dass ein Instagram-Konto nach dem Tod des Nutzers von dessen Erben uneingeschränkt und aktiv weitergenutzt werden kann. Damit hat das OLG die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erheblich ausgeweitet.

Diese Anerkennung eines uneingeschränkten und nun auch aktiven Nutzungsrechts zeigt einmal mehr, wie wichtig der Umgang mit unseren digitalen (Vermögens-) Positionen ist, Zeit unseres Lebens und darüber hinaus.

Dieser Beitrag bietet (1) einen Überblick über die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, (2) eine Einordnung der Entscheidung des OLG Oldenburg und (3) praktische Empfehlungen und Gestaltungsmöglichkeiten zum digitalen Nachlass.

1. Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

Wesentliche Maßstäbe für den Umgang mit digitalen Nachlasspositionen hat bereits der Bundesgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung vom 12.07.2018 (Az. III ZR 183/17) formuliert.

In dem zu entscheidenden Fall klagte die Mutter eines im Jahr 2012 verstorbenen Mädchens auf Zugang zu dem Facebook-Account der Tochter, um mögliche Hintergründe des Todes der Tochter zu ergründen. Dazu hat der BGH entschieden, dass der digitale Nachlass genauso wie physische Vermögenswerte zu behandeln ist.

In die Rechtspositionen eines Verstorbenen treten dessen Erben kraft Gesamtrechtsnachfolge ein (§ 1922 BGB) – auch in Nutzungsverträge mit Betreibern von Social-Media-Plattformen. Das Vertragsverhältnis zwischen dem Nutzer und dem Plattformbetreiber ist nicht höchstpersönlich und somit vom Nutzer vererbbar. Ob die Vererbbarkeit und das daraus folgende Zugangsrecht durch allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ausgeschlossen werden kann, hat der BGH ausdrücklich offengelassen. Unter bestimmten Voraussetzungen wäre das wohl möglich.

Zum selben Fall hat der BGH in einer Folgeentscheidung vom 27.08.2020 (Az. III ZB 30/20) klargestellt, dass das Zugangsrecht der Erben auch die Möglichkeit beinhaltet, von einem Nutzerkonto und dessen Inhalt „auf dieselbe Art und Weise“ Kenntnis nehmen zu können, wie es der Erblasser zu seinen Lebzeiten konnte. Mit anderen Worten: Die Erben müssen sich in dem Benutzerkonto grundsätzlich so "bewegen" können, wie der Erblasser selbst zu seinen Lebzeiten (mit Ausnahme einer aktiven Nutzung).

Diese vom BGH entwickelten Grundsätze fanden in der Rechtsprechung verschiedene Bestätigungen (OLG Karlsruhe Az. 9 U 1/19; LG Münster Az. 014 O 565/18; LG Freiburg Az. 5 O 169/18).

2. Fortentwicklung durch das OLG Oldenburg

Das OLG Oldenburg hat diese Rechtsprechung jetzt mit Urteil vom 30.12.2024 (Az. 13 U 116/23) erheblich fortentwickelt.

In dem zu entscheidenden Fall ging es um den Instagram-Account eines im Jahr 2019 verstorbenen Casting-Show-Gewinners. Nach dessen Tod nutzte dessen Alleinerbin den Account weiter, bis Meta (zu dem Instagram gehört) den Account im Jahr 2022 in den sog. Gedenkzustand versetzte, was dazu führte, dass das Profil zwar weiterhin öffentlich einsehbar war, aber die Zugriffs- und aktive Nutzungsmöglichkeit fortan gesperrt war.

Das OLG Oldenburg hat entschieden, dass die Erbin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in das Vertragsverhältnis mit Meta eingetreten ist und sich daraus nicht nur ein Anspruch auf passive Nutzung („Lesen“), sondern auch ein Recht auf aktive Nutzung („Schreiben“) des Accounts ergibt. Das Gericht hat dies damit begründet, dass lediglich eine technische Plattform bereitgestellt wird, die keine höchstpersönlichen Rechte begründe. Die aktive Nutzung sei demnach von der Gesamtrechtsnachfolge umfasst, sofern der Erblasser dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen habe.

Das OLG hat gegen sein Urteil die Revision zum BGH zugelassen, Meta sie aber wohl nicht eingelegt. Das Urteil des OLG scheint rechtskräftig zu sein.

3. Bedeutung des Urteils für die Praxis - Empfehlungen zum digitalen Nachlass

Der Fall und die Entscheidung des OLG verdeutlichen, wie wichtig die vorausschauende Planung und Regelung unseres digitalen Nachlasses ist, und zwar in rechtlicher wie auch in praktischer Hinsicht.

Wesentlich sind dabei Fragen wie: Sollen alle digitalen (Vermögens-) Positionen an die Erben gehen und sollen die Erben uneingeschränkt darauf zugreifen können? Sollen anstelle der Erben andere Personen diese Positionen erwerben oder verwalten? Sollen digitale Positionen vor dem Zugriff von wem auch immer geschützt oder gar gelöscht werden?

Die Antworten auf diese Fragen führen zu den rechtlichen Regelungen. Zudem ist rein praktisch und technisch sicherzustellen, dass entsprechend auf die digitalen Positionen zugegriffen werden kann (oder eben nicht). Eine umsichtige Vorsorge auf beiden Ebenen - rechtlich wie tatsächlich - empfiehlt sich, auch um späteren Aufwand, der ungleich höher ausfallen kann, möglichst zu vermeiden: Seien es Streitigkeiten unter den Erben, in der Familie, vor Gericht oder auch mit Dritten wie z.B. Plattformanbietern, oder auch nur der technische Aufwand zur Erlangung des Zugriffs.

Die rechtlichen Möglichkeiten zur Regelung des digitalen Nachlasses sind vielfältig, erwägenswert ist dabei insbesondere:

  • Konkrete Zuwendung digitaler Positionen: Durch Testament oder Erbvertrag, sei es als Teil einer Gesamtverfügung oder als separate Verfügung für den digitalen Nachlass („Digitales Testament“), können digitale (Vermögens-) Positionen gezielt einzelnen Erben oder Vermächtnisnehmern zugewendet werden. Alternativ kann auch verfügt werden, dass bestimmte Accounts zu schließen und Daten oder Datenträger zu löschen sind, ggf. auch ohne vorherige Einsichtnahme.
  • Anordnung von Testamentsvollstreckung: Um die Umsetzung der eigenen letztwilligen Verfügungen entsprechend seinem Willen zu gewährleisten, kann man, allgemein oder auf den digitalen Nachlass beschränkt, Testamentsvollstreckung anordnen, einen Testamentsvollstrecker ernennen und ihm auch inhaltliche Vorgaben für die Verwaltung machen.
  • Erteilung einer Vollmacht: Für die Abwicklung des digitalen Nachlasses kann man zu Lebzeiten und auch darüber hinaus (transmortal oder postmortal) eine Person bevollmächtigen und beauftragen, diese Aufgabe zu übernehmen. Eine solche Vollmacht kann und sollte man auch einem etwaigen Testamentsvollstrecker erteilen, um sicherzustellen, dass dieser im Fall der Fälle sofort handlungsfähig ist.
  • Tatsächliche Zugangsvorkehrungen: Um den Zugriff der jeweils betrauten Person auch praktisch abzusichern, sollten auch insoweit bereits zu Lebzeiten Vorkehrungen getroffen werden. Neben der (physischen) Dokumentation und Hinterlegung von Zugangsdaten können sich dafür auch digitale Lösungen eignen (z.B. Passwort-Manager mit Zugriff über Master-Passwort oder virtuelle Hinterlegung von entsprechenden Dokumenten).
  • Besondere Umsicht bei Kryptoassets: Bei digitalen Vermögenspositionen auf Blockchain-Basis (sog. Kryptoassets wie z.B. Bitcoin) sind Besonderheiten zu beachten. Denn diese Positionen sind dezentral und anonym ohne Vertragspartner strukturiert. Für den Zugriff und die Verwaltung ist regelmäßig ein Private Key notwendig. Ohne diesen Private Key kann jedenfalls bei non-custodial Wallets nicht mehr über das Kryptoasset verfügt werden, womit es faktisch wertlos ist, selbst wenn die Nachfolge nach dem Tod rechtlich geklärt ist. Dem ist bei der Nachfolgeplanung von Kryptoassets also unbedingt Rechnung zu tragen (z.B. durch detaillierte Dokumentationen und sichere Hinterlegung).

4. Fazit

Kümmert man sich Zeit seines Lebens nicht um seinen digitalen Nachlass, fallen alle digitalen (Vermögens-) Positionen grundsätzlich an die testamentarischen oder gesetzlichen Erben, gegebenenfalls an mehrere Erben gemeinschaftlich. Deren tatsächlicher Zugriff ist damit aber nicht automatisch gewährleistet und vielleicht auch gar nicht gewollt. Wie die aktuelle Rechtsprechung zeigt, kann es nach dem Tod zu kritischen und gegebenenfalls aufwendig zu klärenden Fragen um den digitalen Nachlass kommen. Auseinandersetzungen unter Erben, in der Familie, vor Gericht oder auch mit Dritten wie z.B. Plattformbetreibern sind keine Seltenheit. Zudem kann der technische Aufwand zur Erlangung des Zugriffs auf den digitalen Nachlass erheblich sein.

Deshalb empfiehlt es sich, seinen digitalen Nachlass vorausschauend und gezielt zu planen und auch zu regeln, solange man es noch kann. Dazu sollte man sich zunächst fragen, was nach seinem Leben mit den eigenen digitalen (Vermögens-) Positionen geschehen soll. Danach richtet sich, welche Vorkehrungen rechtlich und tatsächlich zu treffen sind.

Weitere Rechtsprechung in diesem dynamischen Feld ist zu erwarten. Schon jetzt gibt aber es zielführende Gestaltungsmöglichkeiten, um für sich selbst und seine Angehörigen eine klare und rechtssichere Regelung des eigenen digitalen Nachlasses zu erreichen.