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Zeitlicher und persönlicher Anwendungs­bereich des § 215 VVG

16.03.2016

Die Klägerin, eine juristische Person, ging gegen den beklagten Versicherer mit Sitz in Liechtenstein vor. Die Klägerin begehrte Schadenersatz wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken des abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrages. Das Landgericht wies die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit als unzulässig ab.

Das OLG München hingegen bejahte eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus § 215 Abs. 1 VVG. Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag sei das Gericht am Wohnsitz des Versicherungsnehmers örtlich zuständig. Da es sich bei dem vorliegenden Versicherungsvertrag um einen vor der Reform des VVG am 1. Januar 2008 geschlossenen „Altvertrag“ handelte, äußerte sich das OLG München zur Anwendbarkeit des § 215 VVG auf einen solchen Altvertrag.

Maßgeblich bei der Beantwortung dieser Frage war Art. 1 EGVVG, wonach auf Altverträge bis zum 1. Januar 2008 das Versicherungsvertragsrecht in seiner bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung Anwendung findet. Unter Zugrundlegung dieser Vorschrift befasste sich das OLG München mit der Frage, ob Art. 1 EGVVG neben materiell-rechtlichen Regelungen auch prozessrechtliche Regelungen – wie vorliegend den § 215 VVG – erfasst. Dabei stellte das Gericht fest, dass die Ansicht, die keine Einschränkung auf das materielle Versicherungsrecht vorsieht und daher vorliegend eine Anwendbarkeit auf die prozessrechtliche Norm des § 215 VVG bejahen würde, auf Bedenken stoße. Entstehungsgeschichtliche und teleologische Erwägungen würden dafür sprechen, dass Art. 1 Abs. 1 EGVVG und die Rückausnahme nach Abs. 2 auf die Bewältigung materiell-rechtlicher Rückwirkungsprobleme zielten. Das OLG München stellte aber auch klar, dass selbst wenn der Anwendungsbereich des Art. 1 EGVVG die Vorschrift des § 215 VVG erfassen würde, § 215 VVG im vorliegenden Fall dennoch Anwendung fände. Abweichend von Art. 1 Abs. 1 EGVVG ordne Abs. 2 dieser Vorschrift eine Anwendung des früheren VVG nur insoweit an, als bei Altverträgen ein Versicherungsfall bis zum 31. Dezember 2008 eingetreten sei. Da es aber vorliegend um die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus Prospekthaftung und nicht um Ansprüche aus einem Versicherungsfall gehe, ergebe sich aus Art. 1 Abs. 2 EGVVG keine Fortgeltung des alten Rechts. Darüber hinaus erteilte das OLG München einer analogen Anwendung auf andere Ansprüche aus Versicherungsverträgen, die sich zwar nicht aus einem Versicherungsfall ergeben, aber bis zum 31. Dezember 2008 entstanden, eine Absage. Für eine so weitreichende Analogie fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke.

Im Anschluss nahm das OLG München zu der weiterem Frage Stellung, ob zu dem von § 215 VVG erfassten Personenkreis auch juristische Personen zählen. Ebenso wie zuletzt das OLG Schleswig mit Urteil vom 4. Juni 2015 (16 U 3/15) bestätigte das OLG München eine Anwendbarkeit des § 215 VVG auf juristische Personen. Die uneingeschränkte Verwendung des Begriffs „Versicherungsnehmer“ spreche für eine Einbeziehung juristischer Personen in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Insoweit sei der Begriff des Wohnsitzes in § 215 VVG berichtigend als „Sitz“ i.S.d. § 17 ZPO zu interpretieren. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung, an deren Ende es heißt: „Durch diese Regelung wird auch der prozessuale Rechtsschutz des Verbrauchers erheblich gestärkt“. Dem Gesetzgeber sei es bei § 215 VVG nicht alleine um Verbraucherschutz gegangen. Vielmehr sei im Hinblick auf die Zielsetzung des Versicherungsvertragsrechts zu beachten, dass der Verbraucherschutz generell zu einem Versicherungsnehmerschutz verallgemeinert sei, der nicht danach unterscheide, ob der Versicherungsnehmer eine natürliche oder juristische Person sei. Zudem spreche für einen Schutz der Gewerbetreibenden, dass diese kaum über mehr Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit Versicherungsprodukten verfügen würden, als der Verbraucher.

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