Noerr-Mandantin TAD Pharma darf HIV-Generika in Deutschland vertreiben

29.08.2017

Vertreten von einem Patentrechtsteam der Wirtschaftskanzlei Noerr hat sich der zum Pharmakonzern KRKA d.d. gehörende Generika-Hersteller TAD Pharma GmbH in einem sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich enorm bedeutsamen einstweiligen Verfügungsverfahren gegen den US-Pharmakonzern Gilead Sciences Inc. durchgesetzt. Das Landgericht München I wies die Anträge von Gilead auf Erlass von einstweiligen Verfügungen gegen insgesamt sieben Generika-Hersteller – darunter TAD Pharma – zurück. Gilead hatte die Verletzung eines sogenannten ergänzenden Schutzzertifikats („SPC“) betreffend sein Arzneimittel TRUVADA geltend gemacht (Az. 7 O 11152/17 bis 7 O 11158/17). Eine Berufung gegen die Entscheidung ist möglich.

TRUVADA ist ein medizinisch hochwirksames und wirtschaftlich sehr erfolgreiches Arzneimittel (Blockbuster) zur Behandlung von HIV, welches aus einer Kombination der Wirkstoffe Tenofovirdisoproxil und Emtricitabin besteht.

Hintergrund des Rechtsstreits war der Ablauf der Schutzdauer des sogenannten Grundpatents EP 0 915 894 B1 am 25. Juli dieses Jahres. Das Grundpatent schützte jedenfalls den in TRUVADA enthaltenen Wirkstoff Tenofovirdisoproxil. Fraglich war, ob Generika-Hersteller nach Ablauf des Grundpatents sogenannte Generika des HIV-Blockbusters TRUVADA vertreiben dürfen. Denn Gilead hatte für den Zeitraum nach Ablauf des Grundpatents zusätzlich ein SPC erteilt bekommen, welches TRUVADA selbst, also die Wirkstoffkombination von Tenofovirdisoproxil mit Emtricitabin, schützt.

Die den Vertrieb von TRUVADA anstrebenden Generika-Hersteller argumentieren, dass das insofern entgegenstehende SPC nicht rechtsbeständig sei, weil die Wirkstoffkombination von Tenofovirdisoproxil mit Emtricitabin entgegen Art. 3 (a) der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 („AM-VO“) nicht durch das Grundpatent geschützt sei. Anspruch 27 des Grundpatents beziehe sich auch im Licht der Patentbeschreibung nicht in spezifischer Art und Weise auf den zweiten Wirkstoff Emtricitabin, wie es der Europäische Gerichtshof („EuGH“) z.B. in seiner „Eli Lilly“-Entscheidung verlangt.

Das Bundespatentgericht ist im Rahmen der parallel anhängigen Nichtigkeitsverfahren (Az. 4 Ni 12/17) der Argumentation der Generika-Hersteller gefolgt und hat in einem qualifizierten Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG die vorläufige Auffassung vertreten, dass das betreffende SPC nicht rechtsbeständig sei. Das Landgericht München I kam in den nun entschiedenen einstweiligen Verfügungsverfahren zu dem Ergebnis, dass die Auffassung des Bundespatentgerichts jedenfalls nicht offensichtlich falsch, sondern wahrscheinlich zutreffend sei. Daher hat das Landgericht die auf die geltend gemachte Verletzung des SPCs gestützten Anträge von Gilead auf Erlass von einstweiligen Verfügungen zurückgewiesen. Die Einlegung von Berufungen ist möglich und höchstwahrscheinlich.

„Der UK-Parallelfall Gilead vs. Generika wurde von dem englischen Richter Arnold bereits dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Auch das vorliegende Verfahren wird voraussichtlich auf nationaler wie europäischer Ebene fortgeführt“, sagt Dr. Ralph Nack, Partner bei Noerr in München. „Die für das vorliegende Verfahren entscheidende Rechtsfrage der Auslegung von Art. 3 (a) AM-VO im Hinblick auf den Schutz von Wirkstoffkombinationen ist seit jeher höchst umstritten und über den Einzelfall hinaus von großer rechtlicher und wirtschaftlicher Bedeutung“, erläutert Dr. Thomas Gniadek, Patentrechtsexperte und Associated Partner bei Noerr. Hierzu ergingen zahlreiche Urteile des EuGH – z.B. die Entscheidungen „Medeva“, „Actavis“ und „Eli Lilly“.

Berater TAD Pharma GmbH: Noerr LLP

Dr. Ralph Nack, Dr. Thomas Gniadek; Associate: Dr. Armin Kühne (alle Patentrecht, München)

Presse-Team


Gewerblicher Rechtsschutz

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