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BGB-Update für den Verkauf digitaler Produkte

06.07.2021

Am 25. Juni 2021 hat der Bundestag weitreichende Änderungen des allgemeinen Schuldrechts und des Kaufrechts mit Wirkung zum 1. Januar 2022 beschlossen. Damit kommt der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Umsetzung zweier EU-Richtlinien nach. Die Warenkaufrichtlinie löst die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die jahrelang die Rechtsprechung zur Auslegung nationalen Kaufrechts geprägt hat, ab. Nötig wurde dies, nachdem die Europäische Union den elektronischen Handel als wichtigen Wachstumsfaktor im Binnenmarkt ausgemacht hatte. Die neue Richtlinie soll das Recht der Mitgliedstaaten zur Förderung von Verträgen mit digitalen Waren und Dienstleistungen harmonisieren. Daneben sieht die Digitale-Inhalte-Richtlinie einen eigenen Vertragstypus für Verträge mit Daten als Leistungsgegenstand, etwa für Streamingangebote, Software-as-a-Service-Lösungen und Social Media Plattformen, vor.

Neuer Sachmangelbegriff trotz Kritik auch für B2B-Verträge

Der Sachmangelbegriff in § 434 BGB wird grundlegend neu gefasst. Damit geht die teilweise Abkehr vom heute vorherrschenden subjektiven Fehlerverständnis einher. § 434 Abs. 1 BGB n.F. verlangt für die Mängelfreiheit, dass die Sache bei Gefahrübergang den subjektiven (Abs. 2) und objektiven (Abs. 3) Anforderungen und den Montageanforderungen (Abs. 4) der Vorschrift entspricht. Die Sache entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat, sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen übergeben wird. Den objektiven Anforderungen genügt die Sache, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und die übliche Beschaffenheit aufweist.

Dies führt dazu, dass eine Sache auch dann mangelhaft sein kann, wenn sie sich trotz Einhaltung der vereinbarten Beschaffenheit nicht auch zur gewöhnlichen Verwendung eignet. Denn anders als nach alter Rechtslage müssen die objektiven und subjektiven Voraussetzungen nun kumulativ vorliegen. Gerade wo bei komplexen Kaufsachen die Beschaffenheit zwischen Verkäufer und Käufer im Einzelnen festgelegt wird, können gesetzliche Gewährleistungsrechte trotz Einhaltung dieser Vereinbarungen entstehen. Das wird insbesondere im B2B-Bereich nicht immer zu sachgerechten Lösungen führen. Zwar gelten die zugrundeliegenden Richtlinien nur für Verbraucherverträge. Der deutsche Gesetzgeber hat sich aber trotz Kritik für eine Anwendung dieser sehr käuferfreundlichen Regelungen auch auf Verträge, bei denen Käufer und Verkäufer beide Unternehmer (B2B) oder Verbraucher sind (C2C) entschieden, um einen einheitlichen Sachmangelbegriff beizubehalten. Vor diesem Hintergrund müssen Vertragsmuster und AGB von Verkäufern geprüft und ggf. aktualisiert werden. 

Verschärfung des Verbrauchsgüterkaufrechts

Die in den § 474 ff. BGB vorgesehenen Spezialvorschriften für Kaufverträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern werden umfassend reformiert. In den §§ 475b, c BGB n.F. finden sich fortan neue Regeln für den Verkauf von Waren „mit digitalen Elementen“. Die Vereinbarung einer sog. negativen Beschaffenheitsvereinbarung wird durch § 476 Abs. 1 S. 2 BGB n.F. erheblich erschwert. Diese Änderung birgt im Zusammenhang mit den objektiven Anforderungen an den neuen Mängelbegriff Sprengkraft für Unternehmer. Denn selbst wenn der Verkäufer eine Sache gemäß der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit liefert, kann diese mangelhaft sein. Für Verträge mit Verbrauchern stellt der Gesetzgeber nun sehr hohe und zum Teil auch unklare Voraussetzungen für eine davon abweichende vertragliche Vereinbarung z.B. in AGB auf, die bei der künftigen Vertragsgestaltung unbedingt zu berücksichtigen sind. 

Zudem sieht § 475e BGB n.F. vor, dass die zweijährige Gewährleistungsfrist für vier Monate nach erstmaligem Auftreten des Mangels und für zwei Monate nach Reparaturversuch aus Gewährleistung oder Garantie unterbrochen wird, was im Endeffekt zur einer deutlichen Verlängerung der Verjährung führen kann. Schließlich wurde die bisher sechsmonatige Beweislastumkehr bezüglich der Mangelhaftigkeit der Kaufsache bei Übergabe zu Lasten des Verkäufers auf ein Jahr verlängert.

Neue Regeln für Verträge über digitale Produkte

Wie wichtig der Gesetzgeber Verträge über digitale Waren und Dienstleistungen einordnet, zeigt sich in den eigens dafür geschaffenen §§ 327 ff. BGB n.F., die auf ab dem 1. Januar 2022 geschlossene Verträge und ältere Verträge anwendbar sind, wenn die Bereitstellung des digitalen Produkts ab diesem Zeitpunkt erfolgt. Dabei kommt es nicht auf den Inhalt, sondern auf die digitale Form an. Primär gelten die Änderungen nur für Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern, spielen aber auch im Regress des Unternehmers gegen seinen Lieferanten eine Rolle, sodass die Auswirkungen kaum zu überschätzen sind. Das Gesetz sieht ein besonderes Gewährleistungsrecht vor, welches die speziellen Regeln aus dem Kauf- oder Mietrecht verdrängt und damit vorrangig ist. Dabei werden die einmalige Bereitstellung im Wege eines Kaufmodells und die dauernde Bereitstellung unterschieden. Von den Neuerungen sind auch digitale Teile von beliebten Leistungspaketen umfasst, z.B. ein Streaming-Abo bei Kauf eines Smart TV oder das Navigationssystem bei Kauf eines Autos.

Bezahlung mit Bitcoin und Daten erstmals auch als „entgeltlicher Vertrag“

Erstmals berücksichtigt der Gesetzgeber dabei auch Kryptowährungen wie den Bitcoin. Ein entgeltlicher Vertrag über digitale Produkte liegt auch vor, wenn die Gegenleistung die „digitale Darstellung eines Werts“ ist. Damit wird zumindest insoweit die bisher ungeklärte Frage, ob es sich bei Bezahlung mit Bitcoin um einen Kauf oder Tausch handelt, obsolet. Darüber hinaus erfassen die neuen Vorschriften auch solche Verträge, die statt eines Entgelts die Preisgabe der personenbezogenen Daten von Verbrauchern vorsehen. Relevant ist das vor allem bei sozialen Netzwerken.

Updatepflicht lässt nach kontroverser Diskussion ­Fragen offen

Darüber hinaus schuldet der Unternehmer ausweislich des § 327f BGB n.F. während des „maßgeblichen Zeitraums“ Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich sind. Davon umfasst sind Funktions- und Sicherheitsupdates, aber auch Kompatibilitätsupdates z.B. nach einem Update auf eine neue Version des Betriebssystems. Diese Neuerungen haben für heftige Diskussionen im Gesetzgebungsverfahren geführt. Noch ist ungeklärt, wie die Aktualisierungspflicht in der Praxis umgesetzt werden soll und was unter dem „maßgeblichen Zeitraum“ zu verstehen ist, wie lange entsprechende Updates im Fall eines Softwarekaufs also bereitgestellt werden müssen. Digitalen Produkten liegen häufig mehrpolige Vertragsverhältnisse zugrunde. In aller Regel ist der Verkäufer eines digitalen Produkts nicht auch der Hersteller der Hardware, der Software oder der einzelnen Anwendung. Weil das Verhältnis des Händlers zu Großhändlern und Herstellern aber ungeregelt bleibt, wird der Händler oftmals gar keine Möglichkeit haben, die fortan vertraglich geschuldeten Aktualisierungen vorzunehmen und befindet sich in einem Konflikt, der auch den Verbrauchern kaum weiterhelfen wird. Unter Umständen droht dem Unternehmer sogar eine Haftung für Schäden, wenn notwendige Sicherheitsupdates unterbleiben. Folglich werden sich die Händler zwingend entsprechende Update-Verpflichtungen in den Verträgen mit ihren Vorlieferanten und den Herstellern zusichern lassen müssen.

Einige Antworten und noch mehr neue Fragen

Die BGB-Novelle wird die Rechtsanwender, Unternehmen und die Gerichte für die nächsten Jahre mit vielen ungeklärten Einzelfragen beschäftigen. Einzelne Änderungen waren angesichts der stetig steigenden Bedeutung des digitalen Binnenmarktes lange überfällig. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, Vorschriften aus der verbraucherschützenden Warenkaufrichtlinie auch auf Verträge zwischen Unternehmern anzuwenden, führt zu Rechtsunsicherheit und besonderem Beratungsbedarf. Auch die Umsetzbarkeit der Aktualisierungspflicht in der Praxis ist noch unklar. Fest steht jedenfalls, dass vor dem Hintergrund der umfassenden Anpassungen praktisch jedes Vertragsmuster und Allgemeine Geschäftsbedingungen geprüft werden müssen.

 

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