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Energiepreisbremsen – Boni- und Dividendenverbot

21.04.2023

Mit dem Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse (Strompreisbremsegesetz – „StromPBG“) und dem Gesetz zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme (Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz – „EWPBG“) sind seit dem 24. Dezember 2022 zwei gesetzliche Instrumente zur Entlastung von energieintensiven Unternehmen und Verbrauchern von den gestiegenen Energiekosten in Kraft. Neben weitreichenden Entlastungen sehen die Gesetze unter anderem ein Boni- und Dividendenverbot für Unternehmen vor, deren Entlastungen bestimmte Schwellenwerte überschreiten (§ 37a StromPBG und § 29a EWPBG). Am 5. April 2023 hat die Bundesregierung ein Gesetz zur Änderung des Strompreis- und des Erdgas-Wärme-Preisbremsegesetzes beschlossen, welches in Kürze zur Beratung in den Bundestag eingebracht werden und eine Reihe von klarstellenden Regelungen zum Boni- und Dividendenverbot enthalten soll. Im folgenden Beitrag sollen die Vorschriften zum Boni- und Dividendenverbot in den Preisbremsengesetzen und die vom Bund geplanten Neuerungen näher beleuchtet werden.

Betroffene Unternehmen

Grundsätzlich können Unternehmen konzernweit nur dann eine Entlastungssumme von mehr als EUR 2 Mio. bzw. EUR 4 Mio. erhalten, wenn die zuständige Prüfbehörde auf Antrag der Unternehmen hin festgestellt hat, dass sie besonders von hohen Energiepreisen betroffen sind (vgl. §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, 11 StromPBG, §§ 18 Abs. 4, 19 EWPBG). Unter welchen Umständen die Prüfbehörde von einer solchen besonderen Betroffenheit ausgehen darf, hängt davon ab, ob die Geschäftstätigkeit des Unternehmens grundsätzlich energieintensiv ist.

  • Ein energieintensives Unternehmen gilt als besonders von hohen Energiepreisen betroffen, wenn sich das EBITDA, ohne die Entlastungssumme, des Unternehmens im Entlastungszeitraum (2023) um mindestens 40 % gegenüber dem EBITDA in dem den Kalendermonaten entsprechenden Zeitraum des Jahres 2021 verringert hat oder sein EBITDA, ohne die Entlastungssumme, im Entlastungszeitraum (2023) negativ gewesen ist. Energieintensiv sind nach den Legaldefinitionen des StromPBG bzw. des EWPBG solche Unternehmen, deren Energiebeschaffungskosten einschließlich der Beschaffungskosten für andere Energieerzeugnisse als Erdgas und Strom entweder (a) nach dem Geschäftsbericht des Unternehmens für das Jahr 2021 mindestens 3 % des Produktionswertes oder des Umsatzes oder (b) nach dem Geschäftsbericht des Unternehmens für das erste Halbjahr 2022 mindestens 6 % des Produktionswertes oder des Umsatzes betragen. Der Begriff des Geschäftsberichts ist nicht legaldefiniert; das Handelsrecht kennt grundsätzlich keine Geschäftsberichte. Hinsichtlich der Geschäftsberichte für das Jahr 2021 wird entweder auf den Jahresabschluss (§ 242 HGB) oder – falls das Unternehmen einen solchen als Konzernmutter aufstellt – den Konzernabschluss (§ 290 HGB) abzustellen sein. Auf Halbjahresabschlüsse werden ganz überwiegend börsennahe Unternehmen abstellen können, da nur sie nach Gesetz bzw. Börsen-AGB zur Aufstellung eines solchen Abschlusses verpflichtet sind.
  • Ein sonstiges Unternehmen gilt als besonders von hohen Energiepreisen betroffen, wenn sich sein EBITDA im Entlastungszeitraum (2023) um mindestens 30 %, ohne die Entlastungssumme, gegenüber dem EBITDA in dem den Kalendermonaten entsprechenden Zeitraum des Jahres 2021 verringert hat.

Für solche Unternehmen gelten konzernweit absolute Höchstgrenzen für die Entlastung von EUR 50 Mio. bis EUR 150 Mio., je nachdem, ob die Prüfbehörde zusätzlich die Energieintensivität des jeweiligen Unternehmens und dessen Zugehörigkeit zu bestimmten Branchen nach Anlage 2 zum StromPBG und EWPBG, zu denen z.B. die Herstellung von Chemiefasern und pharmazeutischen Erzeugnissen zählen, festgestellt hat (vgl. § 9 Abs. 1 StromPBG, § 18 Abs. 1 EWPBG). Angesichts der Schwellenwerte für das Eingreifen des Boni- und Dividendenverbots (siehe unten), wird voraussichtlich nur eine vergleichsweise kleine Zahl an Unternehmen von dem Boni- und Dividendenverbot betroffen sein.

Konzernbetrachtung

  • 37a StromPBG und § 29a EWPBG knüpfen an die durch ein „Unternehmen“ erhaltenen Entlastungssummen an. Dem Wortlaut der § 37a StromPBG und § 29a EWPBG lässt sich nicht entnehmen, ob damit das einzelne Unternehmen oder die jeweilige Konzernmuttergesellschaft gemeint ist. Mit der eingangs angesprochenen, vom Bundeskabinett am 5. April 2023 beschlossenen Gesetzesänderung soll diese Konzernbetrachtung, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz („BMWK“) auch schon zuvor in den von ihm veröffentlichen FAQ zu „Höchstgrenzen, Selbsterklärungen sowie Boni- und Dividendenverbot nach EWPBG und StromPBG“ (Version 5.0 vom 30. März 2023) vertreten hat, ausdrücklich gesetzlich geregelt werden.

Danach sind zum einen Unternehmen erfasst, die selbst eine Entlastungssumme von mehr als EUR 25 Mio. oder EUR 50 Mio. beziehen. Zum anderen bilden auch verbundene Unternehmen einschließlich der Konzernmuttergesellschaft ein „Unternehmen“ in diesem Sinne.

Schwellenwerte

Solange ein Unternehmen insgesamt bis zu EUR 25 Mio. an Entlastungen erhält, findet das Boni- und das Dividendenverbot keine Anwendung. Bei der Ermittlung der Entlastungssumme sind Entlastungen nach dem StromPBG und dem EWPBG sowie andere einschlägige Energiehilfeprogrammen – mit Ausnahme des Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetzes – zusammenzurechnen (§ 37a Abs. 7 StromPBG und § 29a Abs. 7 EWPBG).

Für Unternehmen, die insgesamt eine Entlastungssumme von mehr als EUR 25 Mio. erhalten, gilt ein gestuftes Boni- und Dividendenverbot mit einer ersten Stufe für Entlastungssummen von mehr als EUR 25 Mio. bis EUR 50 Mio. und einer zweiten Stufe für Entlastungssummen von mehr als EUR 50 Mio.

Entlastungen von über EUR 25 bis EUR 50 Mio.

Erhält ein Unternehmen eine Gesamtentlastung von über EUR 25 bis EUR 50 Mio. gilt für das Unternehmen:

  • Boni und andere variable oder vergleichbare Vergütungen (unter Einbeziehung von etwaigen Konzernbezügen) oder andere über das Festgehalt hinausgehende Vergütungsbestandteile im Sinne des § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG an Mitglieder der Geschäftsleitung sowie Mitglieder von Aufsichtsorganen für das Kalenderjahr 2023, die nach dem 1. Dezember 2022 vereinbart oder beschlossen wurden, dürfen nicht gewährt werden. „Gewähren“ meint nach der Gesetzesbegründung die Auszahlung eines Betrages oder das Zukommenlassen eines anderen wirtschaftlichen Vorteils.

Da die Zeitpunkte des Anstellungsvertrags, der Festlegung der Leistungskriterien für einen konkreten Bemessungszeitraum und der Feststellung der Zielerreichung typischerweise auseinanderfallen, verbleiben angesichts des weiten Wortlauts Auslegungsfragen hinsichtlich des für die Einhaltung der Frist zum 1. Dezember 2022 maßgeblichen Ereignisses. Die Gesetzesbegründung zeigt, dass es dem Gesetzgeber darauf ankam, eine Umgehung des Boniverbots nach Bekanntwerden der Regelungen des § 37a StromPBG bzw. § 29a EWPBG zu verhindern. Während der Anstellungsvertrag bereits seit mehreren Jahren bestehen kann, erfolgt die Festlegung der konkreten Zielwerte für kurzfristige variable Vergütungsbestandteile regelmäßig zu Beginn des maßgeblichen Geschäftsjahres. Die Feststellung der Zielerreichung wiederum erfolgt in der Regel im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses bzw. der Billigung des Konzernabschlusses für das maßgebliche Geschäftsjahr. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll es auf den Zeitpunkt der Grundsatzentscheidung ankommen.

  • Schließlich dürfen auch keine freiwilligen Vergütungen oder Abfindungen gewährt werden, die rechtlich nicht geboten sind. Wann eine Zahlung nicht geboten ist, lässt sich indes weder dem StromPBG noch dem EWPBG oder den jeweiligen Gesetzesbegründungen entnehmen.
  • Die Zahlung solcher Vergütungsbestandteile „für“ das Kalenderjahr 2023 soll nach der Gesetzesbegründung und der in den hierzu vom BMWK veröffentlichten FAQ bekannt gemachten Auffassung des BMWK auch nicht in späteren Geschäftsjahren nachholbar sein (Umgehungsverbot). Eine bloße Verschiebung der Fälligkeit der Auszahlung solcher Vergütungen kommt danach nicht in Betracht.
  • Soweit die variable Vergütung an das EBITDA des Unternehmens geknüpft ist, sind Entlastungszahlungen für die Berechnung der Zielerreichung aus dem EBITDA herauszurechnen.
  • Das Boniverbot wird flankiert durch die Vorgabe, dass die Geschäftsleiter des Unternehmens im Jahr 2023 „darüber hinaus“ keine über die vor dem 1. Dezember 2022 bestehende Grundvergütung hinausgehende Vergütung erhalten dürfen. Mit der von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzesänderung werden die Vorschriften nun konkretisiert, indem festgelegt wird, dass sich dieses Verbot auf den Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023 für das Kalenderjahr 2023 bezieht. Lediglich ein Inflationsausgleich ist hiervon gesetzlich ausgenommen. Bei neu in das Unternehmen eintretenden Geschäftsleitern gilt insoweit die Grundvergütung von Geschäftsleitern derselben Verantwortungsstufe drei Monate vor dem 1. Dezember 2022. Erhöhungen der Vergütung für den Zeitraum 1. Dezember 2022 bis einschließlich 31. Dezember 2023 sind damit ausgeschlossen.

Entlastungen von über EUR 50 Mio.

Erhält ein Unternehmen eine Gesamtentlastung von über EUR 50 Mio., gelten für das Unternehmen im Grundsatz die oben für den Erhalt einer Gesamtentlastung von über EUR 25 Mio. bis zu EUR 50 Mio. genannten Verbote. Darüber hinaus gilt:

  • Die Gewährung von Boni und anderen variablen oder vergleichbaren Vergütungen an Mitglieder der Geschäftsleitung sowie Mitglieder von Aufsichtsorganen im Jahr 2023 ist unabhängig von dem Zeitpunkt der Vereinbarung oder Beschlussfassung unzulässig. Ausgeschlossen sein sollen durch dieses Verbot lediglich Zahlungen „für“ das Kalenderjahr 2023. Sofern etwa die Boni für frühere Kalenderjahre erst im Kalenderjahr 2023 ausgezahlt werden, sind diese Zahlungen nicht verboten.
  • Zudem dürfen diese Unternehmen im Jahr 2023 grundsätzlich keine Dividenden ausschütten. Hiervon sollen nach den vom BMWK veröffentlichten FAQ lediglich konzerninterne und vertraglich bzw. gesetzlich geschuldete Ausschüttungen zulässig sein.

Möglichkeit der Erklärung eines „Opt-Out“

Für Unternehmen besteht die Möglichkeit, mittels Erklärung in Textform gegenüber der zuständigen Prüfbehörde auf eine insgesamt EUR 25 Mio. übersteigende Förderung zu verzichten und auf diese Weise die Anwendung des Boni- und Dividendenverbots zu vermeiden (sog. „Opt-Out“, vgl. § 37a Abs. 6 StromPBG, § 29a Abs. 6 EWPBG). Die Opt-Out Erklärung ist nicht erforderlich, falls die tatsächliche Entlastung unter EUR 25 Mio bzw. EUR 50 Mio liegt.

Die zunächst gesetzlich vorgesehene Frist zur Erklärung des „Opt-Out“ gemäß § 37a Abs. 6 StromPBG, § 29a Abs. 6 EWPBG lief am 31. März 2023 aus. Mit einer im März 2023 vom Bundestag beschlossenen Gesetzesänderung wurde die vorgesehene Frist zur Erklärung des „Opt-Out“ bis zum 31. Juli 2023 verlängert.

Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Boni- und Dividendenverbot

Zunächst sahen das StromPBG und das EWPBG keine Regelungen zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Boni- und Dividendenverbot vor. Mit der jüngst beschlossenen Gesetzesänderung werden wesentliche Rechtsfolgen nun jedoch geregelt. Danach hat die Prüfbehörde die die EUR 25 Mio. oder EUR 50 Mio. übersteigende Entlastungssumme bei Verstößen gegen das Boni- und Dividendenverbot (inklusive Verzinsung) zurückzufordern. Ausweislich der Begründung zu der jüngst beschlossenen Gesetzesänderung sollen die § 37a StromPBG und § 29a EWPBG keine Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB sein, sodass die zivilrechtlichen Geschäfte entgegen dem Boni- und Dividendenverbot nicht unwirksam sind. Weiterhin sind Verstöße nicht nach § 43 StromPBG bzw. § 38 EWPBG bußgeldbewährt.

Fazit / Handlungsempfehlung

Unternehmen, die signifikante Entlastungen nach dem StromPBG und/oder dem EWPBG erhalten (können), müssen sich angesichts des möglicherweise drohenden Boni- und Dividendenverbots mit der Frage der Organvergütung und ggf. der Dividendenpolitik für das Jahr 2023 befassen. Bei der Entscheidung über den Opt-Out ist sorgfältig zu prüfen, ob und inwiefern die anlässlich des Opt-Out für das Unternehmen erwarteten Vorteile die möglichen Nachteile in Form der infolge des Opt-Out ggf. geringeren Entlastungssumme überwiegen.

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