Finanzbranche weiterhin im Fokus der Kartellbehörden
Am 04. Februar 2015 verhängte die Europäische Kommission Geldbußen in Höhe von 14,9 Mio. Euro gegen den Broker ICAP aus Großbritannien. Die Europäische Kommission wirft dem Londoner Finanzunternehmen vor, sechs Kartelle im Bereich der Yen-Zinsderivate (YIRD) unterstützt und dadurch gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen zu haben.
Hintergrund
Bereits im Dezember 2013 hatte die Europäische Kommission Bußgelder in Höhe von insgesamt ca. 670 Mio. Euro gegen die Banken RBS, Deutsche Bank, JP Morgan, Citigroup und den Broker RP Martin wegen der Manipulation des LIBOR-Zinssatzes für japanische Yen (JPY) verhängt. Einem weiteren Mitglied des YIRD-Kartells, der Bank UBS, war die Geldbuße erlassen worden, weil die UBS sich als Kronzeugin zur Verfügung stellte.
Referenzzinssätze wie der LIBOR-Zinssatz für JPY dienen als Grundlage dafür, die Kosten der Kreditvergabe auf dem Interbankenmarkt in JPY abbilden zu können. Solche Referenzzinssätze wie JPY LIBOR und Euroyen Tibor sind auf den internationalen Geldmärkten weit verbreitet. Festgelegt werden die Referenzzinsätze durch die jeweiligen Kursnotierungen der einschlägigen Panel-Banken, die der zuständigen Berechnungsstelle täglich übermittelt werden.
Beteiligung von ICAP
Dem Broker ICAP wirft die Europäische Kommission nach weiteren Ermittlungen nun vor, sechs von insgesamt sieben bilaterale Zuwiderhandlungen gegen EU-Kartellrecht unterstützt zu haben. So soll ICAP bspw. irreführende „Prognosen“ bzw. „Erwartungen“ für den JPY-LIBOR-Satz an JPY-LIBOR-Panel-Banken übermittelt haben, die nicht an den Zuwiderhandlungen beteiligt waren. Auf diese Weise soll ICAP diese Banken zur Angabe von LIBOR-Sätzen für JPY bewegt haben, die im Einklang mit diesen angepassten „Prognosen“ oder „Erwartungen“ standen.
Daneben soll ICAP auch als Kommunikationskanal zwischen Händlern der Citigroup und der RBS gedient und auf diese Weise das kartellrechtswidrige Verhalten der beiden Banken ermöglicht haben.
Bedeutung
Mit der jüngsten Entscheidung der Europäischen Kommission im Bereich der Zinsderivate wird deutlich, dass die neue Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager den konsequenten Kurs ihres Vorgängers Joaquín Almunia im Bereich der Verfolgung von Kartellen im Finanzsektor fortsetzen wird. Almunia hatte bereits im Dezember 2013 im Zuge des sog. LIBOR-Skandals angekündigt, dass die Bußgelder
„[…] ein deutliches Signal [sind], dass die Kommission fest entschlossen ist, Kartelle im Finanzsektor zu bekämpfen und zu sanktionieren. Ein gesunder Wettbewerb und Transparenz sind von zentraler Bedeutung, wenn es um das ordnungsgemäße Funktionieren der Finanzmärkte im Dienste der Realwirtschaft und nicht im Dienste einiger weniger geht.“
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Europäische Kommission an diesem Entschluss weiterhin festhalten und die Kartellbekämpfung im Finanzsektor auch in Zukunft einen Schwerpunkt in der Praxis der Europäischen Kommission bilden wird. Die Höhe des gegen den Broker ICAP verhängten Bußgelds zeigt zudem, dass die Europäische Kommission sich bei der Kartellverfolgung nicht auf die Sanktionierung von „Schwergewichten“ in der Finanzbranche und nicht nur auf Kreditinstitute beschränken wird. Dies war bereits nach der Verhängung der Geldbuße gegen den Broker RP Martin im Dezember 2013 absehbar.
Das Kartellrecht spielte noch bis vor kurzem im Bankensektor, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Mit dem zunehmenden Ermittlungs- und Sanktionsdruck der Europäischen Kommission, an deren Schwerpunktsetzung sich die nationalen Kartellbehörden zukünftig wohl orientieren dürften, wächst auch die Bedeutung des Kartellrechts für die Finanzwirtschaft. Die damit ebenfalls wachsende Bedeutung umfassender und wirksamer Compliance-Maßnahmen, die auch kartellrechtliche Vorgaben berücksichtigen, sollte daher keinesfalls unterschätzt werden.
Bestens
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