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Gesetzentwurf zur Versteigerung von Schrott­immobilien

04.04.2024

Am 13.03.2024 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung missbräuchlicher Ersteigerungen von Schrottimmobilien (Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetz) beschlossen. Das Bundesministerium der Justiz betrachtet den Entwurf als „Meilensteinauf dem Weg der Bekämpfung von missbräuchlichen Ersteigerungen sogenannten „Schrottimmobilien“. Hierbei handelt es sich um meist in strukturschwachen Regionen belegenen Immobilien, welche oft minderwertig oder in verfallenem Zustand und damit sanierungsbedürftig sind. Die Zwangsversteigerung derartiger Immobilien ruft häufig unredliche Akteure auf den Plan.

Der beschlossene Gesetzentwurf will betrügerische Praktiken im Zusammenhang mit Schrottimmobilien bekämpfen, schafft hierbei jedoch erhebliche Rechtsunsicherheiten für Zwangsversteigerungsgläubiger und Ersteher.

Problemfall Schrottimmobilie in der Zwangsversteigerung

Im Rahmen der Zwangsversteigerung wird der erfolgreiche Bieter durch den Zuschlag bereits Eigentümer der Immobilie, bevor er sein Gebot vollständig bezahlt hat. Hierfür muss er lediglich eine relativ geringe Sicherheitsleistung (10% des festgesetzten Verkehrswertes) erbringen. Zahlt er sein Gebot nicht, kann der Gläubiger die Wiederversteigerung der Immobilie beantragen. Erhält in der Wiederversteigerung ein neuer Bieter den Zuschlag, verliert der Ersteigerer das Eigentum an der Immobilie wieder. Allerdings kann die Wiederversteigerung längere Zeit in Anspruch nehmen, teilweise ein Jahr oder länger. In der Zwischenzeit kann der Ersteigerer als Eigentümer die Immobilie vermieten und Mieten einziehen.

Diese Rechtslage, verbunden mit der langen Bearbeitungsdauer bei den Vollstreckungsgerichten, wird im Fall von Schrottimmobilien für ein betrügerisches Geschäftsmodell genutzt. Hierbei erlangen unredliche Bieter durch unrealistisch überhöhte Gebote den Zuschlag, obwohl sie von vornherein nicht die Absicht haben, das Gebot zu bezahlen. Vielmehr werden diese nahezu unbewohnbaren Schrottimmobilien bis zur Wiederversteigerung – oft mit Überbelegung – vermietet, um die so erzielten Miete einzubehalten.

Hinzu kommt, dass die Ersteher die Schrottimmobilie oftmals weiter verwahrlosen lassen, auch durch katastrophale Vermietungsverhältnisse. Da der betrügerische Ersteher weiß, dass er das Eigentum an der Schrottimmobilie wieder verlieren wird, hat er kein Interesse am Unterhalt oder Erhalt der Schrottimmobilie.

Gesetzesgeber plant Antragsrecht der Gemeinden auf gerichtliche Verwaltung

Diesen Problemfällen will der Gesetzgeber nunmehr mit dem Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung missbräuchlicher Ersteigerungen von Schrottimmobilien (Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetz) begegnen. Dieser wurde am 13.03.2024 durch das Bundeskabinett beschlossen und ist nunmehr im Bundestag einzubringen.

Der Regierungsentwurf sieht die Einführung eines neuen § 94a des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) vor, welcher der Gemeinde des Belegenheitsortes der Immobilie das Recht einräumt, auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 94 ZVG im Zwangsversteigerungsverfahren einen Antrag auf gerichtliche Verwaltung zu stellen. In der Folge sind nach Anordnung der gerichtlichen Verwaltung etwaige Mieteinnahmen an den gerichtlich bestellten Verwalter zu zahlen und werden eben nicht von dem Ersteher vereinnahmt. Gleichzeitig hat der Verwalter für den ordnungsgemäßen Unterhalt der Schrottimmobilie zu sorgen. Hiermit soll dem betrügerischen Geschäftsmodell des Missbrauchs von Schrottimmobilien der Anreiz entzogen werden.

Gesetzesentwurf schafft Rechtsunsicherheit in Grenzfällen

Das im Regierungsentwurf des Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetz vorgesehene Instrument des Antragsrechts der Gemeinden auf gerichtliche Bestellung eines Verwalters erscheint zunächst als effektives Mittel gegen das Geschäftsmodell des Missbrauchs von Schrottimmobilien und damit zur Stärkung der Integrität des Immobilienmarktes.

Problematisch ist der Regierungsentwurf jedoch insoweit, als er den Gemeinden ein Antragsrecht auch in Grenzfällen bzw. Fällen gibt, in denen es sich tatsächlich nicht um eine Schrottimmobilie handelt.

Der vorangegangene Referentenentwurf zu § 94a ZVG-E sah zunächst ein Antragsrecht der Gemeinden vor, welches weder an Voraussetzungen geknüpft, noch auf Schrottimmobilien beschränkt war. Unter welchen Voraussetzungen eine Immobilie als Schrottimmobilie einzustufen ist, war nicht festgelegt. Angesichts dieser Rechtsunsicherheit und den infolgedessen weit gefassten Interventionsrechten von Gemeinden ohne Gläubigerstellung kritisierte der Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) den Referentenentwurf als „Systembruch“ und äußerte zugleich verfassungsrechtliche Bedenken.

Dieser Kritik begegnet der nunmehr verabschiedete Regierungsentwurf, indem er in § 94a Abs. 2 Satz 2 ZVG-E eine Bestätigung der Gemeinde verlangt, dass die betreffende Immobilie typische Merkmale sogenannter Schrottimmobilien aufweist. Jedoch sind diese Merkmale unbestimmt. Außerdem besteht keine Darlegungspflicht der Gemeinde, weder hinsichtlich des Vorliegens der entsprechenden Katalogmerkmale, noch hinsichtlich eines begründeten Verdachts auf einen beabsichtigten Missbrauch der Immobilie.

Fehlende Kontrolle der Gemeinden

Verstärkt wird die Gefahr einer ausufernden Antragspraxis der Gemeinden durch dessen fehlende Justiziabilität für Zwangsversteigerungsgläubiger und Ersteher.

Eine gerichtliche Überprüfung des Vorliegens der Katalogmerkmale durch das Vollstreckungsgericht ist nicht vorgesehen. Mag dies angesichts des raschen Handlungsbedarfs noch nachvollziehbar sein, ist eine gerichtliche Überprüfung des Vorliegens einer Schrottimmobilie auch im Rechtsmittelverfahren nicht zu erreichen. Sowohl die Vollstreckungserinnerung als auch die sofortige Beschwerde überprüfen lediglich die Einhaltung der Vorschriften durch das Vollstreckungsgericht. Da § 94a ZVG-E das tatsächliche Vorliegen einer sogenannten Schrottimmobilie aber nicht voraussetzt, können Gemeinden präventiv Anträge stellen, ohne eine gerichtliche Prüfung ihres Antrags fürchten zu müssen.

Zum Schutz der Interessen von Gläubigern und Erstehern wäre es daher wünschenswert, eine gerichtliche Überprüfung des Vorliegens der Katalogmerkmale durch das Beschwerdegericht zu ermöglichen. So könnte vermieden werden, dass die Gemeinde das ihr eingeräumte Antragsrecht auch in Fällen in Anspruch nimmt, die tatsächlich keine Schrottimmobilien betreffen und daher nicht dem Gesetzeszweck entsprechen.

Alternativen unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen

In Anbetracht der mit dem weitreichenden Interventionsrecht der Gemeinde aus § 94a ZVG-E verbundenen Rechtsunsicherheiten sollten zudem alternative Wege in den Blick genommen werden, dem Missbrauch bei Schrottimmobilien entgegenzutreten.

Förderlich wäre beispielsweise eine Ertüchtigung der Justiz, durch welche zeitnahe Verteilungstermine und damit kurze Zahlungsfristen ermöglicht würden. Infolgedessen wäre bei Nichtzahlung des Gebots durch den Ersteher eine kurzfristige Wiederversteigerung möglich und der Anreiz für unredliche Bieter gering.

Denkbar ist auch eine Änderung des Eigentumserwerbs im Zwangsversteigerungsverfahren dahingehend, dass – wie in anderen Fällen der Immobilienübereignung auch – der Eigentumserwerb und damit das Recht zur Nutzziehung erst mit Eintragung in das Grundbuch erfolgt. Die Missbrauchsmöglichkeit vor Zahlung des Gebots durch den Ersteher wäre damit nicht gegeben.

Sollte der Regierungsentwurf unverändert als Gesetz verabschiedet werden, besteht für Gläubiger proaktiv die Möglichkeit, bereits frühzeitig mit potentiellen Erstehern in Verhandlungen zu treten und – gegebenenfalls unter Einbeziehung nachrangiger Gläubiger – im Falle eines Antrags der Gemeinde dem Vollstreckungsgericht eine Einigung im Sinne von § 144 Abs. 1 ZVG nachzuweisen.

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