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Karenz­entschädigung wider Willen? – Risiken und Neben­wirkungen „Salvatorischer Klauseln“

14.03.2017

Insbesondere vertriebs- und forschungsnahe Unternehmen vereinbaren häufig nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit ihren Arbeitnehmern. Allerdings ist nach § 74 Abs. 2 HGB eine solche Vereinbarung nichtig, wenn sich das Unternehmen nicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung (die mindestens 50 % der zuletzt bezogenen Vergütung betragen muss) verpflichtet. Im Falle einer unwirksamen Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbot besteht nach bisheriger Rechtsprechung für das Unternehmen zwar das Risiko, dass der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden in den Wettbewerb zum Unternehmen tritt; indes war ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber Zahlungspflichten ausgesetzt ist, da eben gerade keine Karenzentschädigung zugesagt wurde. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wird sich nun Ende März damit beschäftigen, ob es von diesem Grundsatz auch Ausnahmen gibt,– der Arbeitgeber also zur Zahlung einer Karenzentschädigung verpflichtet sein kann, die er nie zugesagt hat (Az.: 10 AZR 448/15).

Stolperfalle „Salvatorische Klausel“?

Der beklagte Arbeitgeber vereinbarte mit einer bei ihm beschäftigten Industriekauffrau ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für die Dauer von zwei Jahren; für jeden Fall des Verstoßes sollte die Mitarbeiterin eine Vertragsstrafe in Höhe von EUR 10.000,00 bezahlen. Eine Pflicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung wurde hingegen nicht aufgenommen. Nach ihrem Ausscheiden fordert die Mitarbeiterin nun die Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von 50 % ihrer zuletzt bezogenen Vergütung. Zwar sei das im Arbeitsvertrag vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot zunächst nach § 74 Abs. 2 HGB unwirksam, weil keine Karenzentschädigung vereinbart worden sei. Allerdings enthalte der Arbeitsvertrag auch eine „Salvatorische Klausel“, nach der im Falle der Unwirksamkeit einer Klausel dasjenige gilt, was die Parteien in diesem Fall vereinbart hätten. Die Mitarbeiterin argumentiert deshalb, in jedem Fall hätten die Parteien ein wirksames Wettbewerbsverbot und damit auch eine Karenzentschädigung in der gesetzlich mindestens geschuldeten Höhe von 50 % der zuletzt bezogenen Vergütung vereinbart.

Was meinen die Instanzgerichte?

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm (Az.: 10 Sa 67/15) haben der Klage stattgegeben. Zwar sei das vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot zunächst mangels Vereinbarung einer Karenzentschädigung unwirksam. Aufgrund der vereinbarten Salvatorischen Klausel solle allerdings das gelten, was die Parteien vereinbart hätten, hätten sie die Unwirksamkeit der Regelung gekannt. Ob eine solche Salvatorische Klausel mit Fiktionswirkung im Arbeitsvertrag wirksam sei (was von namhaften Stimmen in der Literatur zu Recht verneint wird), sei hier nicht zu entscheiden, da sich in jedem Fall der Arbeitgeber als Klauselverwender nicht auf die Unwirksamkeit berufen könne. Es müsse deshalb im jeweiligen Einzelfall untersucht werden, ob die Parteien in jedem Falle ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot hätten vereinbaren wollen. Hierfür spreche insbesondere die vereinbarte Vertragsstrafe. Mithin führe die Salvatorische Klausel dazu, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot von zwei Jahren sowie eine Karenzentschädigung von 50 % der zuletzt bezogenen Vergütung als vereinbart gelte.

Konsequenz: Unbeabsichtigte Zahlungspflichten für Unternehmen

Für Unternehmen birgt die anstehende Entscheidung des BAG große Risiken. Zum einen vereinbaren manche Unternehmen bislang im Bewusstsein der Nichtigkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ohne Karenzentschädigung ein solches, in der Hoffnung, der Arbeitnehmer werde sich trotzdem daran halten. Das LAG Hamm hält sie – und zwar ausdrücklich – gerade nicht für schützenswert.

Ferner verwenden viele Arbeitgeber – gerade in internationalen Konzernen und Unternehmensgruppen – auch unbewusst nachvertragliche Wettbewerbsverbote: Zu denken ist etwa an Fallgestaltungen, in denen der deutsche Arbeitsvertrag kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot enthält, die weltweit gültige Provisionsregelung im Vertrieb entsprechend ausländischen Gepflogenheiten allerdings ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung vorsieht. Bisher konnten viele Unternehmen diese Klausel deshalb (etwa vor dem Hintergrund der gewünschten weltweit einheitlichen Geltung) unbesehen übernehmen. Bestätigt das BAG hingegen die Rechtsprechung des LAG, droht diesen Unternehmen zukünftig die Pflicht, eine Karenzentschädigung zu zahlen, die sie nie vereinbart haben und auch nicht wollten.

Unternehmen sollten deshalb zeitnah ihre Arbeitsverträge und insbesondere auch sonstige Vereinbarungen mit ihren Arbeitnehmern dahingehend überprüfen, ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung vereinbart wurde. Besonders riskant ist die Gestaltung für den Fall, dass zugleich auch (wie üblich) im Arbeitsvertrag eine Salvatorische Klausel vereinbart wurde. Sollte das BAG die Rechtsprechung des LAG Hamm bestätigen, sollten mit den Arbeitnehmern die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote einvernehmlich abgeändert werden. Ist das Wettbewerbsverbot im konkreten Fall gar nicht gewünscht, ist der einfachste Weg, um ungewollte Karenzentschädigungen zu vermeiden, rechtzeitig einseitig auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot zu verzichten (§ 75a HGB).

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