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Mitarbeiterbeteiligungsprogramme nach dem Zukunfts­finanzierungs­gesetz (ZuFinG) – Wesentliche Neuerungen und praktische Umsetzung

19.02.2024

Mit dem Fondsstandortgesetz (FoStoG) wurde Mitte 2021 in § 19a EStG eine Steueraufschubregelung für Mitarbeiterbeteiligungen bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) eingeführt, die die sog. Dry-Income-Problematik ((Lohn-)Besteuerung der gewährten Beteiligung im Ausgabezeitpunkt ohne Zufluss liquider Mittel bei den begünstigten Arbeitnehmern) vermeiden soll. Die insbesondere für deutsche Start-ups vorgesehene Steueraufschubregelung sollte die Mitarbeiterincentivierung mittels echter Beteiligungen (Employee Stock Ownership Plans; ESOPs) stärken und gegenüber den bisher zur Vermeidung der Dry-Income-Problematik vorherrschenden virtuellen Beteiligungsmodellen (Virtual Stock Ownership Plans; VSOPs) aufwerten. Nur zweieinhalb Jahre nach ihrer Einführung hat die Regelung nun nochmals eine erhebliche Aufwertung erfahren. Im Rahmen des ZuFinG wurde ihr Anwendungsbereich erweitert und an die Anforderungen im Venture Capital Umfeld angepasst. Zwar bleiben die Änderungen teilweise hinter den ursprünglich im Entwurf zum ZuFinG vorgesehenen Anpassungen zurück, dürften aber dennoch echten Mitarbeiterkapitalbeteiligungen einen lang erwarteten Schub bescheren (siehe nachfolgend unter Punkt A.).

ESOPs bieten mit der potenziell günstigeren Besteuerung der resultierenden Erlöse (Dividenden bzw. Exit-Erlöse) als Kapitaleinkünfte (Steuerlast i.d.R. 25% zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) einen entscheidenden steuerlichen Vorteil gegenüber VSOPs, die beim Mitarbeiter der regulären Lohnbesteuerung (Steuerlast bis 45% zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) und bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Sozialversicherung unterliegen. Aus Praxissicht rückt die Frage in den Focus, wie ESOPs zukünftig begünstigt auszugestalten sind und ob und wie bestehende VSOPs in begünstigte ESOPs überführt werden können (siehe Punkt B. zur Zusammenfassung der Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung).

A. Änderungen durch das ZuFinG

Zur Steigerung der Attraktivität von ESOPs enthält das ZuFinG insbesondere folgende Änderungen, die grundsätzlich ab dem 1.1.2024 Anwendung finden:

  • Anhebung des (jährlichen) Steuerfreibetrags in § 3 Nr. 39 EStG von EUR 1.440,00 auf EUR 2.000,00. Voraussetzung für die Gewährung des Steuerfreibetrags ist allerdings, dass das ESOP allen Mitarbeitern, die bereits mehr als ein Jahr beschäftigt werden, offensteht. Der Steuerfreibetrag spielt daher in praxi eine eher untergeordnete Rolle.
  • ESOPs können nun (auch) von den Gesellschaftern (bzw. Foundern/Investoren) gewährt werden, was der Strukturierungsrealität im PE/VC-Umfeld entgegenkommt.
  • Um vom Steueraufschub zu profitieren, darf das Arbeitgeberunternehmen bestimmte Größenschwellen nicht überschreiten. Diese wurden signifikant erhöht. Nunmehr sind Unternehmen begünstigt, wenn sie (i) weniger als 1.000 Mitarbeiter beschäftigen und (ii) entweder eine Bilanzsumme von EUR 100 Mio. oder einen Umsatz von EUR 86 Mio. nicht überschreiten. Es gilt weiterhin, die (allerdings ebenfalls verbesserten) zeitlichen Voraussetzungen für das Vorliegen der Schwellenwerte im Blick zu behalten.
  • Das Maximalalter für ein begünstigungsfähiges Arbeitgeberunternehmen im Zeitpunkt der Beteiligungsgewährung wurde von 12 auf 20 Jahre erhöht.
  • Das Ende des Besteuerungsaufschubs wurde von 12 auf 15 Jahre angehoben. Damit haben die ESOP-Begünstigten mehr Zeit bis zur Besteuerung. Es gilt jedoch weiterhin, dass der Besteuerungsaufschub grundsätzlich vorab im Falle eines Exits (bzw. einer sonstigen Verwertung der Beteiligung) oder bei Kündigung endet.
  • Eine theoretisch nach wie vor denkbares Dry-Income-Event im Falle des Ablaufs von 15 Jahren ohne Exit oder einer vorherigen Kündigung wird durch einen weiteren Besteuerungsaufschub bis zur tatsächlichen Veräußerung/Verwertung entschärft (Erweiterter Besteuerungsaufschub). Hierzu muss der Arbeitgeber sich allerdings unwiderruflich dazu verpflichten, für die Lohnsteuer bei der späteren Veräußerung/Verwertung ohne Exkulpationsmöglichkeit zu haften.
  • Eine weitere Neuregelung betrifft zudem die begünstigte Bewertung in sog. Leaver-Fällen (Ende des Besteuerungsaufschubs durch Kündigung). Endet der Besteuerungsaufschub (s.o.), unterliegt zwar – wie bisher – maximal der Verkehrswert im Zeitpunkt des Beginns des Besteuerungsaufschubs (Beteiligungsgewährung) der Besteuerung (Entry Value Cap), wobei bei einem aktuell gesunkenen Verkehrswert nur der niedrigere Wert gilt (Lower Current Value Cap). Allerdings ist nunmehr anstelle des Lower Current Value Caps eine tatsächlich an den Leaver gezahlte Vergütung maßgeblich (unter Fortgeltung des Entry Value Cap). Die Regelung privilegiert insbesondere Bad Leaver, die ihre Beteiligung regelmäßig zu Anschaffungskosten oder mit erheblichen Abschlägen auf den Verkehrswert abtreten müssen.

B. Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung

I. Gesellschafts- und steuerrechtliche Gestaltungsziele

Um in den Genuss der Steueraufschubregelung nach § 19a EStG zu gelangen und zugleich sicherzustellen, dass die aus den gewährten Beteiligungen erzielten Erlöse als Kapitaleinkünfte einer begünstigten Besteuerung unterliegen, sind gesellschafts- wie steuerrechtlich einige Herausforderungen zu bewältigen:

  • Aus Corporate Governance Gründen und um die Exit-Fähigkeit sicherzustellen, ist es oftmals seitens des bestehenden Gesellschafterkreises (Founder/Investoren) nicht erwünscht, dass eine Vielzahl von Kleinstbeteiligungen am Arbeitgeberunternehmen etabliert wird. Die in diesem Zusammenhang bestehenden – und im Einzelfall abzuwägenden – Lösungsmöglichkeiten (Stimmrechtspooling; Treuhandvereinbarungen; Unterbeteiligungen; Nutzung von Pooling-Vehikeln; Nutzung alternativer Beteiligungsformen) sind auf ihre Kompatibilität mit der Steueraufschubregelung zu prüfen bzw. entsprechend zu strukturieren. Dies betrifft insbesondere die Strukturierung indirekter ESOPs über Pooling-Vehikel in der Rechtsform von GmbH & Co. KGs (ggf. unter Berücksichtigung zwischengeschalteter Warehouse-Gesellschaften), aber auch die konkrete Ausgestaltung alternativer Beteiligungsformen, z.B. bei Genussrechten.
  • ESOPs gehen typischerweise mit speziellen Zustimmungsvorbehalten sowie Rechten und Pflichten der Beteiligten auf Satzungs- bzw. Gesellschaftervereinbarungsebene einher (Vesting-/Vinkulierungs-/Leaver-Regelungen; Tag-/Drag-Along-Klauseln usw.). Diese vertraglichen Regelungen werden regelmäßig durch die deutschen Finanzgerichte bei der Beurteilung einbezogen, ob eine an Mitarbeiter gewährte Beteiligung zu einer Sonderrechtsbeziehung führt (dann: begünstigte Besteuerung der Erlöse in der Haltephase bzw. beim Exit als Kapitaleinkünfte) oder (weiterhin) durch das Angestelltenverhältnis veranlasst bleibt (dann: Besteuerung der Erlöse in der Haltephase bzw. beim Exit als Arbeitslohn). Folglich ist das gesamte ESOP-Vertragswerk möglichst steuereffizient auszugestalten und sind die gewünschten Besteuerungsfolgen ggf. über verbindliche Auskünfte bzw. Lohnsteueranrufungsauskünfte oder – am Markt bereits beobachtbare – Steuerversicherungsprodukte abzusichern.

II. Anwendbarkeit bei indirekten Beteiligungsstrukturen

Praktische Herausforderungen bestehen auch im Rahmen (PE-typischer) indirekter Beteiligungsstrukturen. Bei diesen werden oftmals in- oder ausländische Personengesellschaften zwischengeschaltet, die die Anteile am Unternehmen halten und steuerlich kein Betriebsvermögen aufweisen (z.B. in Form gewerblich entprägter GmbH & Co. KGs; sog. ESOP KGs). Die Mitarbeiter werden als Kommanditisten an der ESOP KG beteiligt, wobei die Kommanditanteile regelmäßig durch eine sogenannte Warehouse-Gesellschaft veräußert und im Leaver-Fall zurückerworben werden. Die Warehouse-Gesellschaft wird meist von den Gesellschaftern des Arbeitgebers gehalten. Steuerlich ergeben sich insbesondere folgende Herausforderungen:

  • Der Anwendungsbereich des § 19a EStG ist nur eröffnet, wenn Anteile durch die Gesellschaft oder deren Gesellschafter eingeräumt werden. In der oben beschriebenen Struktur wird der Kommanditanteil aber zivilrechtlich durch die zwischengeschaltete Warehouse-Gesellschaft übertragen. Bei einer steuerlich rein vermögensverwaltenden Strukturierung (d.h. wenn sowohl das Pooling Vehikel als auch der Warehouse-Gesellschaft eine gewerblich entprägte Personengesellschaft ist) kann argumentiert werden, dass die Anteile am Arbeitgeberunternehmen aufgrund der in § 39 AO enthaltenen Bruchteilsbetrachtung den Gesellschaftern zuzurechnen sind und diese die Anteile steuerlich auch gewähren. Bei einer steuerlich nicht (vollständig) vermögensverwaltenden Strukturierung könnte auf die jeweils mittelbare Gesellschafterstellung (ggf. in Kombination mit der Bruchteilsbetrachtung) rekurriert werden. U.U. bietet sich auch eine Treuhandlösung an, in der die Warehouse-Gesellschaft ihre Beteiligungen an der ESOP KG nur treuhänderisch für die Gesellschafter des Arbeitgebers hält.
  • Eine ähnliche Problematik stellt sich im Rahmen der Wertfiktion für Leaver-Fälle, wonach beim Rückerwerb der Beteiligung in Folge einer Kündigung für Zwecke der (Lohn-)Besteuerung auf die tatsächlich vom Arbeitgeber an den Mitarbeiter gezahlte Vergütung, anstatt auf den gemeinen Wert abzustellen ist. Es ist fraglich, ob eine durch die Warehouse-Gesellschaft gezahlte Vergütung als „vom Arbeitgeber gewährte Vergütung“ i.S.v. § 19a Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2 EStG qualifiziert, da insoweit weder auf die Gesellschafter noch auf Konzernunternehmen rekurriert wird. Ggf. können auch hier Treuhandstrukturen für Rechtssicherheit sorgen.

In jedem Fall ist es zu empfehlen, die durch die Zwischenschaltung von Rechtsträgern entstehenden Steuerkomplexe (die über die vorgenannten Punkte hinaus u.a. auch Fragen der allgemeinen Anteilsrealisation beim Ein- und Austritt von Mitarbeitern aber auch bei Veränderungen im Gesellschafterkreis betreffen) mittels verbindlicher Auskünfte bzw. Lohnsteueranrufungsauskünfte oder mittels Steuerversicherungslösung abzusichern.

III. Bedeutung der für den Erweiterten Besteuerungsaufschub notwendigen Haftungserklärung des Arbeitgebers

Der Erweiterte Besteuerungsaufschub (s.o. unter Punkt A.) ist von einer unwiderruflichen Übernahme der Lohnsteuerhaftung durch den Arbeitgeber abhängig. Die (Lohn-)Besteuerung erfolgt dann nicht bereits wie beim regulären Besteuerungsaufschub mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder nach Ablauf von 15 Jahren, sondern erst mit der tatsächlichen Verwertung der Beteiligung durch den Mitarbeiter (i.d.R. im Rahmen eines späteren Exits).

Besondere Relevanz dürfte der Erweiterte Besteuerungsaufschub in Leaver-Fällen haben:

  • Üblicherweise sehen die Leaver-Regelungen in ESOPs einen Rückerwerb der Beteiligungen durch den Arbeitgeber bzw. die Gesellschafter vor (Call-Option).
  • Wird von der Call-Option Gebrauch gemacht, ist die an den Mitarbeiter gezahlte Vergütung oder Abfindung unter Berücksichtigung des Entry Value Cap der (Lohn-)Besteuerung zu unterwerfen.
  • Wird von der Call-Option kein Gebrauch gemacht, kann eine sofortige Besteuerung im Leaver-Fall mittels der Haftungserklärung durch den Arbeitgeber vermieden werden. Ob sich diese Haftungserklärung in der Praxis durchsetzen wird, bleibt vorerst offen, da sie dem Arbeitgeber das Risiko aufbürdet, die Lohnsteuer vom Arbeitnehmer beizutreiben, was bereits am unbekannten Aufenthalt des Mitarbeiters scheitern kann. Ein möglicher Lösungsweg wäre, die Abgabe der Haftungserklärung durch den Arbeitgeber mit einer Vereinbarung über den Einbehalt und Verrechnung bzw. die Abtretung eines Teils der Exit-Erlöse aus den Anteilen zu verbinden. Damit erhielte der Arbeitgeber Zugriff auf die Erlöse, um daraus die Lohnsteuer des (ehemaligen) Arbeitnehmers zu decken. Um solche Erlösverteilungsabreden insolvenz- und zwangsvollstreckungsfest auszugestalten, müssten sie allerdings in der Satzung verankert und/oder durch Pfandrechte besichert werden.
  • Weitere Implikationen können sich für die üblicherweise in den Gesellschaftervereinbarungen enthaltenden Tag-/Drag-Along-Klauseln ergeben. Sie sehen in der Regel vor, dass die Mitarbeiter zum Mitverkauf ihrer Beteiligung zu gleichen Konditionen wie der Investor verpflichtet sind. Sofern nach dem oben gesagten aber Teile des Kaufpreises nicht an den ehemaligen Mitarbeiter, sondern an den Arbeitgeber gezahlt werden, liegt hierin unter Umständen eine Ungleichbehandlung, die in der Klausel vorsorglich gestattet werden sollte, um deren Durchsetzbarkeit sicherzustellen.

IV. Umwandlung von VSOPs in ESOPs

Durch die gesteigerte steuerliche Attraktivität von ESOPs gegenüber VSOPs mag es insbesondere für einige Start-Ups und KMU nunmehr in Betracht kommen, ihr bestehendes virtuelles Beteiligungsprogramm in ein ESOP umzuwandeln. Eine solche Umstrukturierung ist grundsätzlich möglich.

Soweit eine Umwandlung eines VSOP in ein ESOP angestrebt wird, sollte die Umwandlung nach Möglichkeit für alle an dem Programm Beteiligten einheitlich erfolgen, um eventuelle arbeitsrechtliche Risiken im Hinblick auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu vermeiden. Mit dem jeweiligen Begünstigten sind individuelle Vereinbarungen zu schließen, die neben der Beendigung des VSOP auch die Bedingungen des neuen ESOPs enthalten. Die jeweiligen Organe der Gesellschaft müssen – je nach Ausgestaltung – ihre Zustimmung zur Umwandlung erteilen.

Aus steuerlicher Sicht ist die jeweilige Ausgestaltung des bisherigen VSOP maßgeblich. Die Umwandlung eines bereits erdienten Anspruchs aus einem VSOP in ein ESOP könnte dabei als lohnsteuerpflichtige Vorausverfügung über den VSOP-Anspruch gegen Gewährung der ESOP-Beteiligung angesehen werden. Dies würde wiederum dazu führen, dass von einem Zufluss aus dem VSOP in Höhe der gewährten ESOP-Beteiligung auszugehen ist. Ein solcher Vorausverfügungszufluss wäre nicht durch § 19a EStG privilegiert.

Aber auch bei noch nicht vollständig erdienten VSOP-Ansprüchen stellt sich die Frage, ob § 19a EStG eingreift, da vorausgesetzt wird, dass die ESOP-Anteile zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Sofern man die noch nicht erdienten VSOP-Ansprüche als „geschuldeten Arbeitslohn“ qualifiziert, wäre diese Voraussetzung nicht erfüllt. Unseres Erachtens sprechen die besseren Gründe jedoch dafür, diese Ansprüche nicht als geschuldeten Arbeitslohn anzusehen, insbesondere weil diese im Umwandlungszeitpunkt noch nicht entstanden und damit auch nicht geschuldet sind.

Da die Grenzen zwischen erdienten und nicht erdienten Ansprüchen fließend sind und die steuerrechtliche Bewertung einer Umwandlung vom Einzelfall abhängig ist, sollten für den konkreten Fall verbindliche Auskünfte bzw. Lohnsteueranrufungsauskünfte eingeholt oder Versicherungslösungen erwogen werden.

C. Ausblick

Mit dem ZuFinG hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Steueraufschubregelung in § 19a EStG für ESOPs bei Start-ups bis hin zu mittelständischen Unternehmen erweitert und (direkte sowie indirekte) echte Unternehmensbeteiligungen attraktiver gemacht. Das Echo auf die Neuregelungen ist insbesondere in der Venture Capital Szene durchweg positiv, so dass ein Schub für ESOPs zu erwarten ist. Bei der praktischen Umsetzung gibt es einzelfallbezogen einige Herausforderungen zu beachten. Sprechen Sie uns gerne an.