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Neue Compliance-Herausforderungen infolge der AÜG-Reform 2017

03.01.2017

Ab dem 1. April 2017 gelten veränderte Rahmenbedingungen für den Einsatz von Fremdpersonal. Diese betreffen nicht nur reine Leiharbeiter, sondern auch Kooperationen auf Basis von Dienst- oder Werkverträgen. Neue Regelungen u. a. zur Vorratserlaubnis oder das Verbot des Kettenverleihs stellen Compliance-Organisationen vor neue Herausforderungen. Vor allem aber schaffen verschärfte Sanktionen wie neue Bußgeldtatbestände oder die Entstehung ungewollter Arbeitsverhältnisse schon jetzt dringenden Handlungsbedarf.

Wir geben Ihnen nachfolgend einen Überblick zu den wichtigsten Neuerungen und deren Konsequenzen für Ihre Compliance-Organisation:

Vorsicht beim Abschluss von Dienst- oder Werkverträgen

Dienst- oder Werkverträge enthalten häufig Indizien für Leiharbeit. Zu enge Vorgaben des Auftraggebers, reines Staffing von Projekten oder unmittelbare Zusammenarbeit der jeweiligen Arbeitnehmer – und das Rechtsverhältnis wandelt sich ungewollt in Leiharbeit.

Dieses Bewertungsrisiko wurde bislang mit der sogenannten „Vorratserlaubnis“ aufgefangen: Auftragnehmer halten – zur Sicherheit – eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vor. Hierdurch konnten die Beteiligten die Rechtsfolgen einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung verhindern, also insbesondere das Zustandekommen von Arbeitsverhältnissen zum Auftraggeber sowie die Unwirksamkeit des Rechtsverhältnisses zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.

Ab dem 1. April 2017 schützt die „Vorratserlaubnis“ nicht mehr vollumfassend, wenn eine Kooperation nicht explizit als Arbeitnehmerüberlassung gekennzeichnet ist. Effektiven Schutz bietet dann nur noch ein funktionierendes Compliance-System, das eine korrekte Vertragseinordnung und Durchführung sicherstellt.

 Änderungen  Rechtsfolgen  Handlungsempfehlung
  • Arbeitnehmerüberlassung muss im Vertrag als solche ausdrücklich gekennzeichnet und die Person des Leiharbeitnehmers konkretisiert sein
  • Sogenannte Vorratserlaubnis verhindert nicht mehr das Zustandekommen von Arbeitsverhältnissen mit dem Auftraggeber
  • Ordnungswidrigkeit: Bußgelder bis zu 30.000 €
  • Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Auftraggeber
  • Ausnahme: Der Arbeitnehmer erklärt innerhalb einer Frist von einem Monat, dass er am Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhalten möchte
  • Gründliche Überprüfung laufender und neu abzuschließender Kooperationen auf Basis von Dienst- oder Werkverträgen auf Indizien für Arbeitnehmerüberlassung
  • Schaffung eines Compliance-Systems zur Sicherstellung, dass der Vertragsinhalt konsequent umgesetzt wird 
     

Überlassungshöchstdauer begrenzt Einsatz von Leiharbeitnehmern

Ein Leiharbeitnehmer darf nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate an denselben Entleiher überlassen werden. Nach spätestens 18 Monaten muss der Leiharbeitnehmer von seinem Einsatz beim Entleiher abgezogen werden. Der Entleiher kann dann jedoch einen anderen Leiharbeitnehmer an dessen Stelle setzen.

Wird die Überlassungshöchstdauer überschritten, wird der Leiharbeitnehmer automatisch Arbeitnehmer des Entleihers, es sei denn, er möchte an seinem Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher festhalten.

Auf jetzt noch laufende Fremdpersonaleinsätze wird die Überlassungshöchstdauer ggf. keinen Einfluss haben, denn Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 werden bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer nicht berücksichtigt.

 Änderungen  Rechtsfolgen  Handlungsempfehlung
  • „Derselbe Leiharbeitnehmer darf nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen werden“
  • Mit Tarifvertrag der Einsatzbranche können Unternehmen sowohl nach oben als auch nach unten abweichen
  • Eingeschränkte Abweichungsmöglichkeiten bei nicht tarifgebundenen Entleihern
  • Ordnungswidrigkeit: Bußgelder bis zu 30.000 €
  • Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher
  • Ausnahme: Der Arbeitnehmer erklärt innerhalb einer Frist von einem Monat, dass er am Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhalten möchte
  • Für zukünftige Projekte bereits jetzt Kalkulation des Einsatzlimits
  • Prüfung, ob tarifliche Abweichungsmöglichkeiten in Betracht kommen und umgesetzt werden können 

     

Arbeitnehmer kann Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen

Die Fiktion des Arbeitsverhältnis ist künftig die gesetzlich angeordnete Rechtsfolge für

  • illegale Arbeitnehmerüberlassung (d. h. auch die rechtsirrige Leiharbeit ohne behördliche Erlaubnis),
  • die fehlende Bezeichnung eines Vertrags als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag sowie die fehlende Konkretisierung des Leiharbeitnehmers,

  • das Überschreiten der Überlassungshöchstdauer.

Mitarbeiter des Auftragnehmers sollen jedoch die Möglichkeit haben, auf die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses beim Auftragnehmer mittels einer sog. Festhaltenserklärung zu bestehen.

Die Festhaltenserklärung heilt jedoch nicht den eigentlichen Rechtsverstoß. Auftragnehmer und Auftraggeber sind dringend gehalten, unverzüglich einen rechtskonformen Zustand zu schaffen. Auch vor der Mithaftung für Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer schützt die Festhaltenserklärung den Auftraggeber nicht. Jede Festhaltenserklärung bildet damit den dringenden Anlass zur unverzüglichen Überprüfung der bestehenden Kooperation. Hierdurch aufgedeckte Verstöße sind unverzüglich zu beheben.

Equal Pay zwingend nach 9 Monaten

Während der Überlassung erhalten Leiharbeiter grundsätzlich das gleiche Arbeitsentgelt wie Arbeitnehmer mit vergleichbaren Tätigkeiten im Einsatzbetrieb (sog. „Equal Pay“). Dies gilt nicht, wenn der Verleiher einen Tarifvertrag der Leiharbeitsbranche anwendet und den Leiharbeiter somit tariflich entlohnt. Dies ist in der Regel nicht nur günstiger für Verleiher, sondern entbindet den Entleiher auch von weitreichenden Auskunftspflichten zur Vergütung seiner Arbeitnehmer.

Ab dem 1. April 2017 dürfen Verleiher nur für die ersten neun Monate des Einsatzes von Equal Pay abweichen. Ab dem zehnten Monat des Einsatzes erhält grundsätzlich jeder Leiharbeiter Equal Pay. Für die Beteiligten bedeutet dies einen höheren Verwaltungs- und Kostenaufwand, denn die Vergütungshöhe muss während des laufenden Einsatzes umgestellt werden. Hinzu kommt, dass durch die Reform nicht geklärt wurde, welche Entgeltbestandteile von Equal Pay umfasst sind.

Vereinzelte Ausnahmen können tarifvertraglich festgelegt werden, jedoch nicht über die Dauer von 15 Monaten hinaus. 

 Änderungen  Rechtsfolgen  Handlungsempfehlung
  • Der Leiharbeitnehmer erhält nach neun Monaten das gleiche Entgelt wie ein vergleichbarer Stammarbeitnehmer im Entleiherbetrieb
  • Wenn ein Tarifvertrag Lohnaufstockungen bereits nach längstens sechs Wochen vorsieht, muss spätestens nach einer Einsatzdauer von 15 Monaten Equal Pay gewährt werden
  • Ordnungswidrigkeit: Bußgelder bis zu 500.000 €
  • Leiharbeitnehmer kann Lohndifferenz einklagen
  • Versagung der Erlaubnis bzw. ihrer Verlängerung
  • Strenge Kontrolle der Überlassungszeit
  • Prüfung, ob tarifliche Abweichungsmöglichkeiten in Betracht kommen und umgesetzt werden können
  • Vertragliche Abbildung, insbesondere Offenlegung der Gehälter vergleichbarer Arbeitnehmer wenn Equal Pay greift 

     

Kein Projektstaffing mittels Kettenverleih

Ein Kettenverleih liegt vor, wenn der Verleiher nicht seine eigenen Arbeitnehmer überlässt, sondern die eines Dritten. Dies ist ab dem 1. April 2017 unzulässig und hat für die Beteiligten gravierende Rechtsfolgen.

Ein Kettenverleih ist insbesondere ein regelmäßig übersehenes Problem bei der Einschaltung von Unternehmen und Subunternehmen auf Basis von Dienst- oder Werkverträgen: Wird ein Dienst- oder Werkvertrag als Leiharbeit beurteilt oder wandelt sich im Zuge seiner Laufzeit hierzu und setzt der Auftragnehmer im Rahmen des Vertrags Arbeitnehmer eines Subunternehmers ein, liegt ein Kettenverleih vor. Damit fällt ein Staffing von Projekten mit Mitarbeitern eines Dritten künftig weg.

 Änderungen  Rechtsfolgen  Handlungsempfehlung
  • Arbeitnehmer dürfen nur von ihrem vertraglichen Arbeitgeber als Verleiher überlassen werden.
    -> Damit sind Ketten-, Zwischen- oder Weiterverleih untersagt 
     
  • Ordnungswidrigkeit: Bußgelder bis zu 30.000 €
  • Bei kumulativen Verstößen (z.B. keine Erlaubnis, nur „Vorratserlaubnis“, Überschreiten der Höchstüberlassungsdauer) kumuliert nachteilige Rechtsfolgen
  • Verkürzung von Vertragsketten, insbesondere beim Einsatz konzerninterner Personalführungsgesellschaften
  • Vertragliche Zusicherung im Leiharbeitsvertrag

Unternehmen haben nun eine "Galgenfrist" bis zum 1. April 2017, um ihre über dieses Datum hinaus laufenden Projekte und Kooperationen zu analysieren, einen etwaigen Änderungsbedarf zu identifizieren, erforderliche Anpassungen rechtzeitig umzusetzen und diesen Gesamtprozess auch zu dokumentieren. Nur so wird ein Unternehmen an dieser Stelle nachweisen können, seine Aufsichtspflichten im Sinne des § 130 OWiG nicht verletzt zu haben. Gerne helfen wir Ihnen hierbei mit unserem HR-Compliance-Healthcheck. Wenn Sie hierzu mehr Informationen erhalten möchten, kontaktieren Sie bitte Daniel Happ.

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