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Neue EU-Spielzeug­verordnung – Der Entwurf der Kommission

14.08.2023

Am 28.07.2023 hat die Europäische Kommission ihren Entwurf für eine neue EU-Spielzeugverordnung („E-VO“) veröffentlicht, die die aktuelle EG-Spielzeugrichtlinie 2009/48/EG ablösen soll.

Die wesentlichen Änderungen für Industrie und Handel

Der Entwurf bringt – wie erwartet – eine deutliche Verschärfung der chemischen Anforderungen für Spielzeug. Außerdem soll der digitale Produktpass für Spielzeug eingeführt werden. Zahlreiche Ergänzungen und Konkretisierungen der bisherigen Rechtslage führen insgesamt zu einer Ausweitung der regulatorischen Anforderungen. Die geplante Verzahnung des europäischen Spielzeugrechts mit den Vorgaben der erst jüngst in Kraft getretenen Produktsicherheitsverordnung (EU) 2023/988 bringt überdies erhebliche Verschärfungen bei den behördlichen Meldepflichten und bei der Durchführung von Produktrückrufen mit sich.

Anwendungsbeginn und Übergangszeitraum

Der Verordnungsentwurf sieht eine Übergangsfrist von 30 Monaten ab Inkrafttreten vor, so dass mit der zwingenden Anwendung der neuen Vorgaben wohl erst ab dem Jahr 2027 zu rechnen ist. Für den Abverkauf von Spielzeug durch den Handel, das bereits vor dem Anwendungsstichtag in den Verkehr gebracht wurde, ist aktuell eine Übergangsfrist von weiteren 12 Monaten vorgesehen.

Digitaler Produktpass

Die neue Spielzeugverordnung wird möglicherweise als erste sektorale europäische Harmonisierungsvorschrift den digitalen Produktpass einführen.

Der digitale Produktpass soll die EU-Konformitätserklärung ersetzen und für Marktüberwachungsbehörden, Zoll und Endkunden gleichermaßen mindestens 10 Jahre nach dem Inverkehrbringen des letzten Exemplars des betroffenen Spielzeugmodells über ein digitales Produktpassregister der EU-Kommission zugänglich bleiben. Mit dem digitalen Produktpass erklärt der Hersteller die Übereinstimmung seines Spielzeugs mit den Anforderungen der neuen Spielzeugverordnung sowie mit allen anderen einschlägigen europäischen Rechtsvorschriften. Er wird vom Hersteller beispielsweise über einen QR-Code zugänglich gemacht und enthält u.a. einen eindeutigen Produktidentifizierungscode des Produkts, Name und Kontaktanschrift des Herstellers, eine eindeutige Unternehmenskennung sowie die Zolltarifnummer. Außerdem soll er alle im Spielzeug enthaltenen bedenklichen Stoffe („substances of concern“) sowie alle enthaltenen Duftstoffe auflisten, für die nach der neuen Verordnung besondere Kennzeichnungsvorschriften gelten.

Sonstige Angaben, etwa Nachhaltigkeitsgesichtspunkte, muss der digitale Produktpass nach den Vorgaben des Verordnungsentwurfes nicht enthalten. Hierzu verweist der Verordnungsentwurf auf die künftig durch das neue Ökodesignrecht auf europäischer Ebene zu erwartenden Vorgaben.

Neue Pflichten für die Wirtschaftsakteure

Für die Praxis bedeutsam ist die Erweiterung der sog. Herstellerkennzeichnung. Hersteller und Einführer müssen künftig nicht nur ihren Namen und ihre vollständige Kontaktanschrift auf dem Spielzeug angeben, sondern darüber hinaus auch eine E-Mail Adresse. Warum auf die postalischen Daten trotz allgemein zugänglichem digitalen Produktpass (immer noch) nicht verzichtet werden kann, erschließt sich dabei nicht und sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren seitens der Industrie kritisch hinterfragt werden.

Künftig müssen Hersteller außerdem der Öffentlichkeit eine Telefonnummer, eine E-Mail-Adresse, einen speziellen Bereich auf Ihrer Webseite oder einen anderen barrierefreien Kommunikationskanal zur Verfügung stellen, über den sich Verbraucher wegen sicherheitsrelevanter Beschwerden an die Hersteller wenden können. Einführer müssen die Existenz eines solchen Kommunikationskanals überprüfen und erforderlichenfalls einen solchen einführen, wenn der im Drittstaat ansässige Hersteller dieser Anforderung nicht nachkommt.

Verzahnung mit den Vorgaben der Produktsicherheitsverordnung (EU) 2023/988

Sehr maßgebliche Erweiterungen der Pflichtenkataloge für die Wirtschaftsakteure ergeben sich durch die Verzahnung des Verordnungsentwurfs mit den Regelungen der jüngst in Kraft getretenen allgemeinen Produktsicherheitsverordnung (EU) 2023/988, die unabhängig vom Inkrafttreten der neuen Spielzeugverordnung bereits ab 13.12.2024 für alle Spielzeuge gilt:

  • Hersteller, Einführer und Händler sind künftig in abgestuftem Umfang gem. Art 20 dieser Verordnung dazu verpflichtet, die zuständigen Marktüberwachungsbehörden über bereits bei ihnen bekannt gewordene Unfälle zu informieren, die sich in Zusammenhang mit einem von ihnen auf dem Markt bereitgestellten Produkt ereignet haben. Bislang besteht eine behördliche Meldepflicht nur dann, wenn der betroffene Wirtschaftsakteur weiß oder wissen muss, dass von seinem Produkt im Feld konkrete Sicherheitsrisiken ausgehen.
  • Bei der Durchführung von Produktrückrufen müssen die verantwortlichen Unternehmen künftig zwingend Entschädigungsmaßnahmen (kostenlose Reparatur, kostenlose Ersatzlieferung, Wertersatz) für die Verbraucher anbieten – und zwar egal, wie alt das zurückgerufene Produkt ist. Produktrückrufe werden damit künftig teuer und es erscheint fraglich, ob der ein oder andere Produktrückruf – mit Blick auf die damit verbundenen Kosten – künftig schlicht „eingespart“ wird.
  • Für die konkrete Ausgestaltung von Rückrufen und vergleichbaren Maßnahmen gelten künftig engmaschige Vorgaben. So sind beispielsweise Rückrufe unter Verwendung von Formulierungen wie „freiwillig“, „vorsorglich“, „in seltenen Situationen“ etc. gem. Art. 36 der Produktsicherheitsverordnung (EU) 2023/988 künftig strikt verboten. Auch solche Micro-Vorgaben des Gesetzgebers dürften nicht dazu beitragen, dass sich Unternehmen künftig vorschnell zur Durchführung ggf. sinnvoller Korrekturmaßnahmen durchringen.

CE-Kennzeichnung und Warnhinweise

Für die Produkt- und Verpackungsgestaltung ebenfalls nicht unerheblich sind die Vorgaben zu Anbringung der erforderlichen Kennzeichnungen und Warnhinweise.

Künftig muss die CE-Kennzeichnung künftig zwingend auf der Produktverpackung angegeben werden, wenn sie anderenfalls bei einem verpackten Spielzeug von außen nicht erkennbar ist. Außerdem müssen die ggf. erforderlichen Warnhinweise, insbesondere der sogenannte Kleinstkinderalterswarnhinweis (bzw. der sog. Warnwichtel) künftig hinter der CE Kennzeichnung platziert werden (Art. 16 Abs. 3 E-VO). Eine Erleichterung ist dagegen, dass den Warnhinweisen künftig nicht mehr (in allen erforderlichen Sprachen) das Wort „Achtung“ vorweggestellt werden muss, sondern stattessen das in Anhang III Nr. 1 skizzierte Piktogramm (Ausrufezeichen in rotem Dreieck) vorangestellt werden kann.

Verschärfung der sicherheitstechnischen Anforderungen im Bereich der Chemie

Die allgemeine Sicherheitsanforderung geht über die bisher in Art. 10 der EG-Spielzeugrichtline 2009/48/EG genannten Aspekte hinaus und wird künftig um die psychologische und geistige Gesundheit sowie um das Wohlbefinden und die kognitive Entwicklung von Kindern ergänzt (Art. 5 VO-E).

Bei den in besonderen Sicherheitsanforderungen kommt es insbesondere zu eine Verschärfung der in Anhang II, Teil III geregelten chemischen Anforderungen. So soll das bisher geltende allgemeine Verbot der Verwendung von CMR-Stoffen in Spielzeug künftig auf endokrin wirksame Stoffe, auf Stoffe, die die Atemwege sensibilisieren und auf solche Stoffe, die für bestimmte Organe giftig sind, erweitert werden. Gleichzeit sind die chemischen Anforderungen an Spielezug im Vergleich zur aktuellen Rechtslage im Entwurf der neuen Spielzeugverordnung deutlich einfacher geregelt und mit Ausnahmen versehen. So gelten die im Annex zu Anhang II, Teil III aufgeführten Migrationsgrenzwerte, die künftig auch für ältere Kinder gelten sollen, beispielsweise nicht für Spielzeuge und Spielzeugkomponenten, bei denen mit Blick auf deren vorhersehbare Verwendung eindeutig jede Gefahr durch Lutschen, Ablecken, Verschlucken oder längeren Kontakt mit der Haut ausgeschlossen werden kann.

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