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Neue Grundregeln für das Internet: Digital Services Act und Digital Markets Act

28.11.2022

Im November 2022 treten gleich zwei zentrale Regulierungsprojekte der Europäischen Union für den digitalen Binnenmarkt in Kraft. Mit dem Digital Services Act (DSA) und dem Digital Markets Act (DMA) definiert die EU die Spielregeln für digitale Dienste neu. Der DSA und der DMA sind die beiden tragenden Säulen der europäischen Digitalregulierung. Es handelt sich um besonders ambitionierte Vorhaben, die alle Nutzer und Anbieter von Onlinediensten betreffen.

Das Verordnungspaket schafft zahlreiche neue Compliance- und Transparenzanforderungen, die Unternehmen in den nächsten Monaten umsetzen müssen. Dabei wurde die ursprünglich als einheitliches Digitalgesetz geplante Regulierung im Laufe des Gesetzgebungsprozesses in zwei Teile getrennt: Der DSA regelt die Haftung von digitalen Vermittlungsdiensten für illegale Inhalte, die Nutzer hochgeladen haben, und führt Sorgfaltspflichten der Anbieter ein, um die negativen Auswirkungen von Onlinediensten einzudämmen. Der DMA trifft spezielle wettbewerbliche Verhaltensregelungen für große Plattformen mit Gatekeeper-Funktion, um die Marktmacht der großen Digitalkonzerne zu begrenzen.

News vom 28.11.2022 DSA DMA Grafik 1 

I. Digital Services Act (DSA)

Der DSA bestimmt europaweit einheitliche Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen für Anbieter von digitalen Vermittlungsdiensten, wie Internetzugangsdiensten (z.B. Telekom und Vodafone), sozialen Netzwerken (z.B. Facebook und Twitter), Online-Marktplätzen (z.B. eBay und Amazon) und Suchmaschinen (z.B. Google und Bing). Dazu greift der DSA auf zwei nebeneinander stehende Regelungsansätze zurück:

  • Als Nachfolger der E-Commerce-Richtlinie beantwortet der DSA die Frage, wer haftet, wenn ein Nutzer über einen Vermittlungsdienst illegale Inhalte verbreitet. Der DSA baut dabei auf den bekannten Haftungsprivilegierungen der Vermittler auf und erweitert sie um spezifische Verfahrensanforderungen für behördliche Lösch- und Auskunftsanordnungen.

  • Die Regelungen zur Haftung für fremde Inhalte ergänzt der DSA um weitreichende Sorgfaltspflichten, die nach Art und Größe des Dienstes gestaffelt sind und den spezifischen Risiken von Online-Diensten Rechnung tragen sollen. Zu den wichtigsten Anforderungen gehören die Pflichten, Kontaktadressen für Nutzer und Behörden anzubieten und ein Notice-and-Takedown-Verfahren für illegale Inhalte einzurichten, sowie umfassende Regeln für Online-Werbung und die Gestaltung von Webseiten. Besonders strenge Vorgaben gelten für sehr große Plattformen und Suchmaschinen mit mindestens 45 Millionen monatlich aktiven Nutzern in der EU. Diese sehr großen Dienste müssen die gesellschaftlichen Risiken ihrer Dienste untersuchen, etwa im Hinblick auf die Verbreitung von schädlichen Inhalten und die Auswirkungen auf Wahlen, Menschenrechte oder die psychische Gesundheit der Nutzer, und Maßnahmen zur Minimierung erkannter Risiken ergreifen.

Der DSA ist insofern die Antwort der EU auf die zunehmende Bedeutung von Online-Plattformen im politischen Diskurs, die Verbreitung von Desinformation und Fake News im Vorfeld von Wahlen und die gesellschaftlichen Auswirkungen von Hate Speech.

Während die Regulierung damit erkennbar auf die Tech-Giganten aus dem Silicon Valley fokussiert ist, sind von den neuen Pflichten auch tausende kleinere europäische Dienste betroffen. Um die Pflichten ab dem 17. Februar 2024 zu erfüllen und sich nicht der Gefahr hoher Bußgelder auszusetzen, sollten betroffene Unternehmen frühzeitig beginnen, ihre organisatorischen und technischen Prozesse anzupassen. Im besonderen Maße gilt dies für Anbieter sehr großer Plattformen und Suchmaschinen. Für sie gelten die weitergehenden Pflichten bereits vier Monate, nachdem die Kommission ihnen die Bestimmung als sehr großer Dienst mitgeteilt hat.

Weitere Information zum Digital Services Act finden Sie hier.

II. Digital Markets Act (DMA)

Der DMA soll als zweite Säule der Digitalregulierung die Bestreitbarkeit und Fairness von Märkten im Digitalsektor sicherstellen, für mehr Innovation sorgen und einen besseren Schutz der Verbraucher gewährleisten. Er richtet sich an große Online-Plattformen, die als sogenannte „Gatekeeper“ oder Torwächter identifiziert werden und für die bestimmte Verhaltensregeln (Gebote und Verbote) gelten.

Torwächter sind Unternehmen, die bedeutende zentrale Plattformdienste bereithalten, die für gewerbliche Nutzer einen essenziellen Zugang zu Endnutzern darstellen. Der DMA definiert insgesamt zehn solcher zentralen Plattformdienste, wie Online-Suchmaschinen (z.B. Google), Betriebssysteme (z.B. Microsoft), Webbrowser (z.B. Chrome), virtuelle Assistenten (z.B. Alexa) und soziale Netzwerke (z.B. Facebook). Den Torwächtern wird eine Reihe von Verhaltenspflichten auferlegt, die sicherstellen sollen, dass sie die Bestreitbarkeit der zentralen Plattformdienste nicht auf unfaire Weise untergraben. Diese Verhaltensregeln werden durch weitreichende Compliance-, Monitoring- und Berichtspflichten des Torwächters flankiert.

Der DMA definiert Schwellenwerte, ab denen eine Vermutung für eine Stellung als Torwächter besteht. Diese Schwellenwerte sind mit den Kriterien für sehr große Dienste nach dem DSA vergleichbar. Die Europäische Kommission kann zudem eine Marktuntersuchung einleiten, wenn sie (i) ein Unternehmen außerhalb des regulären Verfahrens als Torwächter designieren möchte, (ii) eine systematische Nichterfüllung der Verpflichtungen untersuchen will oder (iii) neue zentrale Plattformdienste in den Anwendungsbereich des DMA einbeziehen möchte. Zusätzlich zu weitreichenden Untersuchungs-, Inspektions- und Entscheidungsbefugnissen sieht der DMA eine Befugnis der Europäischen Kommission zur Verhängung von Sanktionen vor. So können Geldbußen von bis zu 20 % des weltweiten Jahresumsatzes des Torwächters verhängt oder verhaltensbezogene und sogar strukturelle Abhilfemaßnahmen ergriffen werden.

Für die Entscheidung, ob ein Unternehmen als Gatekeeper benannt wird, und für die Durchsetzung des DMA besitzt die Europäische Kommission die alleinige Zuständigkeit. Der DMA räumt daneben auch Dritten eine Reihe von Mitwirkungsrechten und indirekten Beschwerdemöglichkeiten ein, die bei der Europäischen Kommission, den nationalen Wettbewerbsbehörden und den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Nationale Gerichte, die den DMA anwenden, dürfen jedoch keine Entscheidung treffen, die von einer von der Europäischen Kommission im Rahmen des DMA erlassenen Entscheidung abweicht.

Weitere Information zum Digital Markets Act finden Sie hier.

III. Bedeutung für das IP-Recht

Die neue Digitalregulierung ist eng mit dem klassischen IP-Recht verzahnt. Zum einen sieht der DMA Rechte zu Datenportabilität und Interoperabilität vor, die mit den Immaterialgüterrechten der Anbieter in Konflikt stehen können. Zum anderen ergänzt und präzisiert der DSA die seit jeher stark umstrittenen Grundsätze der Haftung von Plattformanbietern.

Im Ausgangspunkt bleibt dabei das bekannte Haftungsprivileg der Intermediäre bestehen: Reine Vermittlungsdienste sind weiterhin nicht für illegale Inhalte Dritter haftbar und unterliegen auch keiner allgemeinen Pflicht, die Inhalte ihrer Nutzer zu überwachen. Erstmals schreibt der DSA für Hosting-Anbieter einschließlich Online-Plattformen jedoch einen europaweit einheitlichen Mechanismus vor, um Dritten das Melden mutmaßlich illegaler Inhalte zu ermöglichen. Dieser Mechanismus wird in Zukunft Anknüpfungspunkt für die Haftung von Anbietern sein, die nach einer Meldung den Inhalt nicht zügig sperren oder entfernen. Neu ist auch die „Guter-Samariter“-Regelung, wonach eine freiwillige Überprüfung von Nutzerinhalten für sich genommen noch nicht zum Ausschluss der Haftungsprivilegierungen führt. Diese Vorschrift soll Anbietern Rechtssicherheit geben, wenn sie Filtertechnologien einsetzen oder Mitarbeiter hochgeladene Inhalte kontrollieren lassen, um präventiv Rechtsverletzungen zu entdecken. Obwohl der DSA insofern viele bereits bekannte Elemente auf ein neues Fundament stellt, dürfte in den Details seine Bedeutung für den Schutz des geistigen Eigentums in der EU nicht zu unterschätzen sein.

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