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„Female Negotiation Strategies“ – Frauen verhandeln anders!

10.05.2017

„Ob sie wollen oder nicht: Immer wieder müssen Sie verhandeln.“  So beginnt der Klassiker „Getting to Yes“  von Roger Fisher und William Ury. Seit der Veröffentlichung des so genannten Harvard-Konzepts Anfang der 80er Jahre hat sich im Bereich der Forschung zu effektiven Verhandlungstechniken einiges getan. Dabei ist in den letzten Jahren zunehmend der genderspezifische Fokus in den Mittelpunkt von Forschung und Lehre gerückt. Die aktuelle Verhandlungsforschung geht davon aus, dass Frauen und Männer unterschiedlich verhandeln. In Studien fällt immer wieder auf, dass Frauen im Rahmen ihrer Verhandlungen zurückhaltender agieren als Männer. Dabei lassen sich keine grundsätzlichen Unterschiede im „Wesen“ beider Geschlechter erkennen, die erklären könnten, dass Männer durchschnittlich bessere Verhandlungsergebnisse erzielen als Frauen. Aktuell geht die Forschung davon aus, dass Frauen ihren Verhandlungsstil aus Furcht vor Gegenreaktionen ihres Verhandlungspartners an das weibliche Rollenbild anpassen.

Vor diesem Hintergrund gibt der Beitrag „Female Negotiation Strategies“ – Frauen verhandeln anders!“ in der Zeitschrift für Konfliktmanagement 2017, S. 58 ff. einen Einblick in die geschlechtsspezifische Verhandlungsforschung und liefert konkrete Handlungsempfehlungen hinsichtlich einer möglichen praktischen Umsetzung.

  • Bedeutung von erkennbarem sozialem Status: Nach einer jüngeren Studie der Autoren Amanatullah und Tinsley der University of Texas und der Georgetown University aus 2013 beeinflusst der soziale Status einer Person das von ihr erreichbare Verhandlungsergebnis. So kam die Studie zu dem Ergebnis, dass es sich für Frauen in Verhandlungen positiv auswirkt, wenn sie beim Eintritt in die Verhandlung ihrem Verhandlungspartner einen hohen sozialen Status signalisieren können. Auf Grundlage dieses Studienergebnisses ist Frauen in Verhandlungskontexten zu empfehlen, nicht zu zaghaft in der Kommunikation eigener Errungenschaften und Leistungen zu sein (z.B. durch Nennung von Titeln, Auszeichnungen, besonderen Qualifikationen oder Assoziierung mit „ranghohen“ Kollegen).

  • Anknüpfen an ein bereits erlebtes Machtgefühl: Die zweite von der Autorin ausgewählte Studie, die 2013 von der Tilburg Universität durchgeführt wurde, beschäftigte sich mit der Bedeutung und möglichen „Manipulation“ des eigenen Selbstwertgefühls einer Person in einer Verhandlungssituation. Die Autoren der Studie haben die Wirkung untersucht, die sich durch die Erinnerung der verhandelnden Person an ein in der Vergangenheit bereits erlebtes Machtgefühl erzielen lässt. Eine Auswertung der Verhandlungsergebnisse zeigt, dass die weiblichen Studienteilnehmer, die an kein derartiges Machtgefühl angeknüpft hatten, durchschnittlich schlechtere Verhandlungsergebnisse erzielten als die männlichen und weiblichen Teilnehmer, die ihr Selbstwertgefühl suggestiv erhöht hatten. Vor diesem Hintergrund raten die Autoren der Studie, dass Frauen sich im Vorfeld von Verhandlungen in eine Situation versetzen sollen, in der sie nach der eigenen Wahrnehmung Kontrolle und Einfluss über andere ausüben konnten. Das gezielte Ausräumen von Selbstzweifeln vor Verhandlungen mag gerade für Frauen in Betracht kommen, die dazu tendieren, Auseinandersetzungen eher im Sinne eines Beziehungskonflikts als im Sinne eines Sachkonflikts zu begreifen. Es wird in einem solchen Fall ein probates Mittel sein, zunächst an der Trennung von Sachthemen und persönlicher Ebene zu arbeiten.

  • Verhandeln mit „weiblichem Charme“: Bei der dritten Studie, die Gegenstand des Beitrags ist, handelt es sich um eine Untersuchung von Kray, Locke und Van Zant der University of California, Berkeley, und der London School of Economics and Political Science aus dem Jahr 2012. Hier gingen die Autoren der Frage nach, ob Frauen vom Einsatz weiblichen Charmes („flirtatiousness“), im Vergleich zu (nur) freundlichem Auftreten, in Verhandlungskontexten profitieren können. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Teilnehmerinnen schlechter abschnitten, wenn sie primär als freundlich (= fremdinteressiert) anstelle von weiblich charmant (= eigeninteressiert) wahrgenommen wurden. Das heißt, je stärker aus Sicht des männlichen Verhandlungspartners die Freundlichkeit seiner Verhandlungspartnerin den weiblichen Charme überwog, desto schlechtere Verhandlungsergebnisse erzielte sie und umgekehrt. Dementsprechend lässt sich aus der Studie ableiten, dass Frauen in Verhandlungskontexten weiblichen Charme – zumindest gegenüber männlichen Verhandlungspartnern – einsetzen sollten, um ihr Ergebnis positiv zu beeinflussen. Der Eigeninteresse signalisierende Part muss das freundliche Verhalten dabei in der Wahrnehmung des Verhandlungspartners überwiegen. Aufgrund des Studienaufbaus blieb offen, ob die These der Autoren gleichermaßen in Verhandlungen von Frauen mit Frauen Geltung beanspruchen kann. Nach Ansicht der Autorin lässt sich auch in gleichgeschlechtlichen Konstellationen weiblich charmant verhandeln, wenn weiblicher Charme gleichsam eingesetzt wird, um eine intensive Verbindung zu dem Verhandlungspartner aufzubauen, die eine gewisse Selbstsicherheit ausstrahlt.

Die dem Beitrag zugrunde liegenden Studien sind auch Gegenstand eines Seminars mit dem Titel „Female Negotiation Strategies“, das die Autorin seit dem Sommersemester 2016 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a.M. unterrichtet. Zumindest in Deutschland stecken Forschung und Lehre zu genderspezifischen Verhandlungstechniken zwar noch in ihren „Kinderschuhen“. Allerdings liegt es nach Ansicht der Autorin nicht nur im akademischen Interesse, aufzuholen und an das US-amerikanische Niveau anzuschließen. Auch und gerade für die Praxis wird die Verhandlungsforschung relevant sein.

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