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Genehmigung für riskante Energie­groß­projekte: Gericht der EU bestätigt britische Kern­kraft­werks-Hilfen für Hinkley Point C

31.07.2018

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat jüngst umfangreiche staatliche Beihilfen Großbritanniens für den Neubau des Kernkraftwerks Hinkley Point C für rechtmäßig erkannt (Rechtssache T-356/15). Das EuG hat damit die Genehmigung der EU-Kommission aus dem Jahre 2014 bestätigt und die dagegen gerichtete Klage Österreichs abgewiesen (ausführlich hierzu Martin Geipel und Helge Heinrich, Jahrbuch 2016 zum Beihilferecht). Die Entscheidung steht im Kontext der Förderung anderer riskanter Energiegroßprojekte.

Beihilfen wegen Förderung von öffentlichen Interessen mit Binnenmarkt vereinbar

Das Vereinigte Königreich hatte die zukünftige Betreiberin des Kernkraftwerks durch ein Maßnahmenpaket weitgehend gegen das Kostenrisiko für Errichtung, Betrieb und vorzeitige Stilllegung des Kraftwerks absichert. In seiner Entscheidung bestätigt das EuG, dass diese Maßnahmen staatliche Beihilfen darstellen. Es schließt sich zugleich der Bewertung der Kommission an, dass diese mit dem Binnenmarkt vereinbar seien, weil sie der Förderung der Entwicklung eines Wirtschaftszweigs dienen, der ein Ziel von öffentlichem Interesse darstellt (Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c) AEUV).

Aus Sicht des EuG sei es nicht zu beanstanden, dass die Kommission die Schaffung neuer Kapazitäten der Erzeugung von Kernenergie als Ziel von allgemeinem Interessen qualifiziert habe, auch wenn manche Mitgliedstaaten die Kernenergieerzeugung ablehnten. Denn es stehe jedem Mitgliedstaat zu, zwischen verschiedenen Energiequellen zu wählen. Kern der Entscheidung ist die Feststellung, dass Investitionen in neue Kapazitäten zur Erzeugung von Kernenergie ohne die Beihilfen des Vereinigten Königreichs in Ermangelung marktbasierter Finanzinstrumente zur Absicherung des erheblichen Risikos nicht rechtzeitig erfolgt wären. Deshalb sei auch die Einschätzung der Kommission nicht zu beanstanden, dass die Beihilfen notwendig seien, um das Ziel in angemessener Zeit zu erreichen.

Kontext: Beihilfenrechtliche Genehmigung für riskante Energiegroßprojekte

Die Entscheidung fügt sich ein in eine sich verfestigende Kommissionspraxis zur beihilfenrechtlichen Bewertung von Energiegroßvorhaben, deren Umsetzung marktwirtschaftlich riskant ist. So hatte die Kommission der Bundesregierung im Jahr 2017 genehmigt, den deutschen Kernkraftwerksbetreibern die Finanzierungspflichten für die Entsorgung der von ihnen verursachten radioaktiven Abfälle gegen Zahlung eines Milliardenbetrags abzunehmen. Dies stufte die Kommission ebenfalls als eine mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c) AEUV ein, weil sie der Förderung eines öffentlichen Interesses diente und verhältnismäßig war. Ausschlaggebend war damals insbesondere, dass die Beihilfemaßnahme zu einer größtmöglichen Reduzierung des Kostenrisikos für den Staat führen sollte.

Im Jahre 2016 hatte das EuG der EU-Kommission folgend hingegen die deutsche Einspeisevergütung für die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien europarechtlich als unzulässige Beihilfe eingestuft (Urt. v. 10.05.2016, Rechtssache T-47/15). Auch das weitgehende Ausnehmen bestimmter Industriezweige von der Umlage der Einspeisevergütungskosten auf alle Stromverbraucher wurde vom Gericht moniert und die gegen den Kommissionsbeschluss erhobene Klage erstinstanzlich abgewiesen. Während der deutsche Gesetzgeber das EEG entsprechend der Forderungen aus Brüssel angepasst hat, ist das gegen die Kommissionsentscheidung angestrengte Verfahren in der Berufung beim EuGH anhängig.

Auch in Sachen Hinkley Point C muss das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Österreich prüft die mögliche Berufung zum EuGH.

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