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Alternative Streit­bei­legung im E-Commerce und stationären Handel – Neue Informations­pflichten ab 01.02.2017

20.01.2017

Bereits seit dem 09.01.2016 sind alle Online-Händler verpflichtet, einen Link auf eine von der EU-Kommission bereitgestellte Streitbeilegungs-Plattform, die sogenannte „OS-Plattform“, auf ihrer Website einzustellen, wenn sie ihre Waren oder Dienstleistungen zumindest auch an Verbraucher verkaufen. Diese Verpflichtung ergibt sich unmittelbar aus der EU-Verordnung über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (VO (EU) Nr. 524/2013, ODR-Verordnung).
Noerr berichtete: Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten, Alternative und Online Streitbeilegung | Neue Informationspflichten im E-Commerce.

Ab dem 01.02.2017 kommen neue Pflichten dazu. Im Unterschied zu den Pflichten aufgrund der ODR-Verordnung erfassen sie auch rein stationäre Händler. Erleichterungen treffen lediglich Unternehmen, die am 31. Dezember des jeweils vorangehenden Jahres nicht mehr als zehn Personen beschäftigt hatten und auch nicht zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle gesetzlich verpflichtet sind oder sich einer solchen Schlichtung freiwillig unterworfen haben. Selbst solche Unternehmen haben die Verpflichtungen aber zumindest teilweise zu erfüllen.

Rechtlich basieren die neuen Pflichten auf §§ 36 und 37 des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG). Durch das VSBG wurde die Richtlinie 2013/11/EU über die alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten umgesetzt. Dabei ist der deutsche Gesetzgeber über die Vorgaben der Richtlinie deutlich hinausgegangen. Deshalb müssen die anderen EU-Mitgliedsstaaten zwar ähnliche Pflichten in ihre nationalen Rechtsordnungen aufnehmen; inhaltlich können sich die Pflichten aber von Land zu Land unterscheiden.

Welches nationale Streitbeilegungsrecht anwendbar ist, richtet sich nach dem Sitz des Unternehmens. Davon zu unterscheiden ist die Frage, welchem Recht der Kauf- oder Dienstleistungsvertrag zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer unterliegt.

Zu den Pflichten im Einzelnen:

1. Hinweis auf Schlichtung auf der Website

Unternehmer, die eine Website unterhalten, müssen Verbraucher leicht zugänglich, klar und verständlich davon in Kenntnis setzen, inwieweit sie bereit oder verpflichtet sind, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Diese Informationen müssen auf der Website des Unternehmers erscheinen (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 VSBG).

Eine gesetzlich zwingende Formulierung gibt es nicht. Auch die Stelle auf der Website, an welcher die Information erscheinen muss, wird durch das Gesetz nicht konkretisiert. Es bietet sich an, die Pflicht im Zusammenhang mit der Pflichtinformation auf die OS-Plattform zu erfüllen. Die meisten Unternehmen haben diesen Hinweis in ihr Impressum integriert. Demgemäß wäre das Impressum entsprechend zu ergänzen.

2. Hinweis auf Schlichtung „zusammen mit“ Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Unternehmer, die allgemeine Geschäftsbedingungen verwenden, müssen Verbraucher leicht zugänglich, klar und verständlich davon in Kenntnis setzen, inwieweit sie bereit oder verpflichtet sind, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Die Information muss „zusammen mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ gegeben werden (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 VSBG).

Auch insoweit ist weder eine gesetzlich zwingende Formulierung vorgeschrieben noch genauer ausgeführt, in welchem Zusammenhang mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Information gegeben werden muss. Es bietet sich an, den Hinweis abgesetzt von den eigentlichen AGB-Regelungen direkt in das AGB-Dokument aufzunehmen. 

3. Hinweis auf Schlichtung „nach Entstehen der Streitigkeit"

§ 37 VSG statuiert eine weitere Informationspflicht, welche nicht in AGB oder auf der Website erfüllt werden kann. Konkret muss der Unternehmer den Verbraucher auf eine für ihn zuständige Verbraucherschlichtungsstelle unter Angabe von deren Anschrift und Webseiten hinweisen, „wenn die Streitigkeit über einen Verbrauchervertrag durch den Unternehmer und den Verbraucher nicht beigelegt werden konnte“. Der Unternehmer muss dabei zugleich angeben, ob er zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bei dieser Verbraucherschlichtungsstelle bereit oder verpflichtet ist oder nicht. Besteht eine solche Bereitschaft oder Verpflichtung, muss der Unternehmer sämtliche zuständigen Schlichtungsstellen angeben. Der Hinweis muss in Textform erfolgen.

Hierfür müssen die (Customer Care) Prozesse im Unternehmen so angepasst werden, dass die Erfüllung der Plicht sichergestellt ist. Die Vorschrift wirft eine Reihe von Fragen auf. Insbesondere lässt der Gesetzeswortlaut den Anwender im Unklaren über folgende Punkte:

    • Muss auch der Unternehmer, welcher nicht zur Teilnahme am Schlichtungsverfahren bereit oder verpflichtet ist, gegenüber dem Verbraucher alle möglicherweise zuständigen Schlichtungsstellen angeben?

      Die Frage stellt sich, weil es möglich ist, dass mehrere Streitbeilegungsstellen für etwaige Streitigkeiten zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher in Betracht kommen. Im Hinblick auf diese Frage ist zumindest in einem Schaubild des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (Ein Leitfaden für Unternehmen) angegeben, dass die Nennung einer zuständigen Schlichtungsstelle reichen soll.

    • Wann genau ist der Zeitpunkt, in dem die Streitigkeit über einen Verbrauchervertrag durch den Unternehmer und den Verbraucher „nicht beigelegt werden konnte“ und mithin die Informationspflicht zu erfüllen ist?

      Die Gesetzesbegründung führt dazu aus, die Pflicht entstehe, wenn eine Streitigkeit aus einem Verbrauchervertrag nicht durch Verhandlungen mit dem Verbraucher (Kunden) z. B. im Rahmen eines unternehmenseigenen Kundenbeschwerdesystems, beigelegt werden konnte. Ein genauer Zeitpunkt ergibt sich auch daraus nicht. Den Unternehmen ist insoweit zu raten, ihre Customer Care Prozesse genau zu prüfen, zu welchem (möglichst späten) Zeitpunkt in einem möglichst standardisierten Prozess der Hinweis erteilt werden kann.

    • Muss der Hinweis auch dann (in Textform) erteilt werden, wenn die Auseinandersetzung mit dem Kunden ausschließlich telefonisch, persönlich oder über andere nicht-textformbasierte Medien geführt wird?

      Zu dieser Frage geben weder das Gesetz selbst noch die Gesetzesbegründung oder die zugrundeliegende Richtlinie eindeutig Aufschluss. Allenfalls aus Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie könnte man herauslesen, dass die Pflicht nur bestehen soll, wenn der Verbraucher die Beschwerde seinerseits in Textform eingereicht hat. Denn diese Vorschrift stellt darauf ab, dass die Streitigkeit zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer „im Anschluss an das direkte Einreichen einer Beschwerde durch den Verbraucher“ beim Unternehmer nicht beigelegt werden konnte. Der Begriff „Einreichen“ legt nahe, dass die Pflicht nur dann gilt, wenn auch die Beschwerde in Textform eingereicht wurde. Sicher ist dies aber bei weitem nicht. Bis sich eine herrschende Meinung gebildet hat oder Rechtsprechung dazu existiert, ist den Unternehmen zu raten, die Pflicht stets (in Textform) zu erfüllen, unabhängig davon, in welcher Form die Auseinandersetzung geführt wird.

Wichtig ist, dass sich alle Unternehmen, die Kauf- oder Dienstleistungsverträge mit Verbrauchern schließen und eine Website betreiben und/oder AGB verwenden, vor dem 01.02.2017 entscheiden müssen, ob Sie an der Verbraucherstreitbeilegung teilnehmen (bzw. prüfen müssen, ob sie dazu verpflichtet sind). Unabhängig davon, wie die Entscheidung (bzw. das Prüfungsergebnis) ausfällt, sind die oben genannten Informationspflichten zu erfüllen. Allerdings unterscheiden sich der Inhalt der Pflicht und der genaue Wortlaut der erforderlichen Informationen.

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