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Bedeutung des neuen Hinweisgeber­schutzgesetzes für öffentliche Unternehmen

12.06.2023

Bereits bisher waren öffentliche Unternehmen in stärkerem Maße von Informations- und Auskunftsansprüchen betroffen als private Unternehmen (I.). Das bestehende Risiko des unkontrollierten Abflusses von Unternehmensinterna könnte durch das am 2. Juli 2023 in Kraft tretende Hinweisgeberschutzgesetz, welches Besonderheiten für öffentliche Unternehmen bereithält, nun sogar noch verstärkt werden (II.).

I. Beschränkte Informationshoheit öffentlicher Unternehmen durch Auskunftsansprüche Dritter

Schon bisher ist die Informationshoheit öffentlicher Unternehmen durch Auskunftsansprüche Dritter beschränkt. Diese Auskunftsansprüche, von denen ausgewählte Ansprüche im Folgenden vorgestellt werden sollen, knüpfen an öffentlich-rechtliche Sonderbindungen öffentlicher Unternehmen an. Unter öffentliche Unternehmen sind dabei nach der allgemeinen Begriffsdefinition Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts zu verstehen, die mehrheitlich von einer Gebietskörperschaft und einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (Anstalt öffentlichen Rechts, Körperschaft, Stiftung) beherrscht werden, zu verstehen, wobei die Adressaten der Auskunftsansprüche je nach Fachgesetz variieren.

Öffentliche Unternehmen betreffende Auskunftsansprüche folgen zunächst aus den Informationsfreiheits- und Transparenzgesetzen auf Bundes- und Landesebene. Dies sei am Beispiel des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes erläutert, welches einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen vermittelt. Der Anspruch ist gegen die Behörde gerichtet, die sich des Unternehmens zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben bedient, ohne dass es auf die Eigentumsverhältnisse ankommt. Auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes wurde etwa die Bundesnetzagentur verpflichtet, Unternehmensinterna eines kommunalen Netzbetreiber herauszugeben. Dieser ist als öffentliches Unternehmen nicht grundrechtsberechtigt und konnte sich als Monopolist auch nicht auf den einfachgesetzlich vermittelten Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen berufen (VG Köln, Urt. v. 25.02.2016, Az.: 13 K 5017/13).

Daneben vermittelt das Umweltinformationsgesetz des Bundes und die Umweltinformationsgesetze der Länder einen Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt. Auch juristische Personen des Privatrechts können hierunter fallen, etwa dort, wo sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen, die im Zusammenhang mit der Umwelt stehen, und dabei der Kontrolle des Bundes unterliegen. Der weite Begriff der „Umweltinformationen“ erfasst dabei u.a. Tätigkeiten, die sich auf Umweltbestandteile auswirken. Auf der Grundlage des Umweltinformationsgesetz des Bundes konnte ein Dritter beispielsweise erfolgreich einen Auskunftsanspruch gegen ein Unternehmen geltend machen, das im Auftrag des Bundes bundesweit Förderprogramme zur Biologischen Sicherheitsforschung als Projektträgerin betreute (VGH Hessen, Urt. v. 31.10.2013, Az.: 6 A 1734/13.Z).

Informationsansprüche der Medien gegenüber öffentlichen Unternehmen können zudem aus den Landespressegesetzen folgen – auch hier unabhängig von der Organisationsstruktur. So wurde im vergangenen Jahr entschieden, dass eine private Stiftung wie eine öffentliche Behörde auskunftspflichtig sei, wenn sie öffentliche Aufgaben wahrnimmt, hierzu öffentliche Mittel einsetzt und ein kontrollierender Einfluss der öffentlichen Hand auf die Stiftung vorliegt (OLG Rostock, Beschl. v. 11.7.2022, Az.: 6 U 19/22). Bereits im Jahr 2017 hatte der Bundesgerichtshof einen Auskunftsanspruch der Presse gegenüber einer Aktiengesellschaft, die Dienstleistungen im Bereich der Daseinsvorsorge erbringt und von der öffentlichen Hand beherrscht wird, wegen des Verdachts einer indirekten Wahlkampffinanzierung bejaht (BGH, Urt. v. 16.03.2017, Az.: I ZR 13/16).

Öffentliche Unternehmen sehen sich darüber hinaus parlamentarischen Informations- und Fragerechten ausgesetzt, die im Grundgesetz bzw. in den Landesverfassungen wurzeln. Im Grundgesetz ist etwa Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG maßgeblich. Informationsverpflichtet ist zwar die jeweilige Regierung auf Bundes- oder Landesebene, letztlich kann es sich bei den herauszugebenden Informationen aber auch um solche über öffentliche Unternehmen handeln. Auskünfte über Regierungshandeln sind auch dann herauszugeben, wenn sich die Regierung Dritter bedient. Nur so kann das Parlament die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Regierung auch hinsichtlich der Betätigung der öffentlichen Hand im Rahmen ihrer Beteiligung an privatwirtschaftlichen Unternehmen kontrollieren. So war die Bundesregierung verpflichtet, klagenden Abgeordneten Auskunft zu erstatten über Finanzierungsvereinbarungen zu Bedarfsplanvereinbarungen sowie Wirtschaftlichkeitsberechnung für „Stuttgart 21“, die der Deutschen Bahn AG vorlagen (BVerfG, Urt. v. 07.11.2017, Az. :2 BvE 2/11). Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang auch parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Sie haben weitreichende Informations- und Nachforschungsrechte, die mit den Befugnissen der Staatsanwaltschaft im Strafverfahren vergleichbar sind.

Schließlich bestehen haushaltsrechtliche Auskunftsansprüche. So verpflichtet etwa die Bundeshaushaltsordnung die Bundesregierung den Bundestag über alle grundsätzlichen und wesentlichen Fragen der Beteiligungen des Bundes an privatrechtlichen Unternehmen zu unterrichten. Zu beachten sind weiter Auskunftspflichten gegenüber den Rechnungshöfen. So sind dem Bundesrechnungshof Unterlagen, die er für seine Aufgabenerfüllung für erforderlich hält, zu übersenden oder vorzulegen und erbetene Auskünfte zu erteilen. Auch kann er Einsicht in die Bücher und die Schriften bestimmter öffentlicher Unternehmen nehmen. Seine Prüfungsergebnisse teilt der Bundesrechnungshof nicht nur Behörden mit, sondern kann Dritten Zugang zu dem Prüfungsergebnis gewähren, wenn dieses abschließend festgestellt wurde.

II. Bedeutung des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes für die bereits beschränkte Informationshoheit öffentlicher Unternehmen

Das Hinweisgeberschutzgesetz betrifft grundsätzlich alle Unternehmen gleichermaßen. Durch die neu geschaffene Rechtssicherheit für Hinweisgebende (vgl. dazu hier) wird die Informationshoheit von Unternehmen insgesamt eingeschränkt. Es ergeben sich allerdings auch hier Besonderheiten für öffentliche Unternehmen. Denn bestimmte, in den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes fallende Verstöße können nur durch Beamtinnen und Beamte bzw. Angestellte öffentlicher Unternehmen begangen werden. Dazu zählen u.a. Vorschriften zur Vorteilsnahme und Bestechlichkeit im Strafgesetzbuch sowie Vorgaben des Vergaberechts. Zudem durchbricht das Hinweisgeberschutzgesetz die beamtenrechtliche Verschwiegenheitsverpflichtung von Beamtinnen und Beamten. Insgesamt ergibt sich damit für öffentliche Unternehmen ein anderer, letztlich weiterer Anwendungsbereich als für private Unternehmen.

Die bereits bestehenden Informations- und Auskunftsansprüche, die sich gegen öffentliche Unternehmen richten, könnten durch das Hinweisgeberschutzgesetz eine neue Relevanz erlangen. Ihre Geltendmachung durch Dritte (Presse, Abgeordnete, Rechnungshöfe, konkurrierende Privatunternehmen, Privatpersonen) unterblieb bisher bisweilen schlicht deswegen, weil die Dritten keinen Anlass zur Geltendmachung ihrer Informations- und Auskunftsansprüche hatten. Dies konnte das neue Hinweisgeberschutzgesetz ändern. In Zukunft dürften unter seinem Schutz vermehrt sensible Unternehmensinterna nach außen gelangen, die sodann interessierte Dritten in die Lage versetzen, gezielt ihre Informations- und Auskunftsansprüche geltend zu machen. Dies wiederum könnte Unternehmensangehörige ermuntern, weitere Missstände zu melden. Die bestehenden Informations- und Auskunftsansprüche und das neue Hinweisgeberschutzgesetz könnten mithin gleichsam ineinandergreifen und sich in ihrer Wirkung verstärken.

Die aus diesen neuen Gegebenheiten resultierende noch stärker eingeschränkte Informationshoheit öffentlicher Unternehmen sollte zu einer neuen Logik beim Umgang mit Informationen gerade in der Unternehmenskrise infolge eines Compliance-Verstoßes führen. Weil ein Zugriff Dritter auf sensible Informationen nicht (mehr) hinreichend sicher gesteuert werden kann, kann es – im stärkeren Maße als bei Privatunternehmen – ratsam sein, Compliance-Verstöße pro-aktiv publik und einen transparenten Umgang mit Compliance-Verstößen zum Bestandteil der Unternehmensstrategie zu machen.