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Gesellschafter-Poolvereinbarungen / Bundesfinanzhof präzisiert Anforderungen für Erbschaft- und Schenkungsteuer

12.08.2019

Durch Poolvereinbarungen können Gesellschafterrechte gebündelt werden, was gerade in Familienunternehmen mit zahlreichen Gesellschaftern und ggf. Familienstämmen zweckmäßig sein kann. Unterschiedliche Interessen innerhalb der Unternehmerfamilie können auf diese Weise familienintern geregelt und kanalisiert werden. Damit die Gesellschafter gegenüber dem Unternehmen und auch gegenüber Dritten mit einer Stimme sprechen, können Stimmrechte gebündelt werden. Zudem können Grundsätze zur Verfügung über Anteile geregelt werden.

Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer kann eine Poolvereinbarung erhebliche Vorteile bringen. Denn der Erwerb einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung kann zu 85% oder gar 100% von der Steuer befreit sein. Dies setzt aber grundsätzlich voraus, dass der Erblasser oder Schenker am Nennkapital der Kapitalgesellschaft unmittelbar zu mehr als 25% beteiligt war. Gerade in Familienunternehmen ist dies aber wegen sinkender Anteilsquoten typischerweise spätestens ab der zweiten Generation nach den Gründern häufig nicht mehr der Fall. Auch in mehrstufigen Konzern- bzw. Holding-Strukturen ist die Mindestbeteiligung zu beachten: Tochter-Kapitalgesellschaftsbeteiligungen können von der Steuer befreit sein, wenn das Mutter-Unternehmen zu mehr als 25% beteiligt ist; anderenfalls gilt die Beteiligung bei dem Mutter-Unternehmen als nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen.

Ob die Mindestbeteiligung erfüllt ist, richtet sich aber nicht nur nach den Anteilen, die der Erblasser, der Schenker oder das Mutter-Unternehmen unmittelbar innehat. Die Mindestbeteiligung kann – unter bestimmten Voraussetzungen – auch durch Zurechnung der Anteile weiterer Gesellschafter erreicht werden. Die Voraussetzungen dafür hat der Bundesfinanzhof mit einem kürzlich veröffentlichen Urteil vom 20.02.2019 (II R 25/16) präzisiert:

  1. Einheitliche Verfügung über Anteile

    Die Gesellschafter müssen untereinander verpflichtet sein, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen.

    Der BFH hat klargestellt, dass eine Verpflichtung bestehen muss, nach "einheitlichen Grundsätzen" über die Anteile zu verfügen bzw. sie zu übertragen. Dies sei der Fall, wenn die Poolmitglieder die Anteile nur auf einen beschränkten Personenkreis (z.B. Ehegatten oder Verwandte der Gesellschafter) übertragen dürfen oder eine Übertragung der Zustimmung der Mehrheit der gebundenen Gesellschafter bedarf. Bei Familiengesellschaften werde dadurch sichergestellt, dass der bestimmende Einfluss der Familie erhalten bleibt. Diese Verpflichtung zur Anteilsübertragung nach einheitlichen Grundsätzen kann sich aus der Satzung der Gesellschaft ergeben oder die Gesellschafter können dazu eine gesonderte Vereinbarung schließen. Zwar enthalten oft auch Satzungen Regelungen über Anteilsverfügungen. Nicht zuletzt weil Satzungen von Kapitalgesellschaften über das Handelsregister öffentlich einsehbar sind, kann eine gesonderte Vereinbarung zweckmäßig sein.

  2. Einheitliche Ausübung des Stimmrechts

    Für eine steuerliche Zurechnung der Anteile weiterer Gesellschafter ist weiterhin erforderlich, dass die Gesellschafter untereinander verpflichtet sind, das Stimmrecht gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben (Stimmrechtsbindung). Auch diese Anforderung hat der BFH weiter präzisiert:
  • Erforderlich ist eine Vereinbarung zwischen den gebundenen Gesellschaftern, die dem Einzelnen einen klagbaren Anspruch gegen die anderen einräumt, von dem Stimmrecht nur einheitlich Gebrauch zu machen. Nicht ausreichend sind für sich allein rein faktischer Zwang (z.B. aufgrund von Mehrheitsverhältnissen in der Gesellschafterversammlung), eine moralische Verpflichtung oder eine langjährige tatsächliche Handhabung. Auch wenn alle Gesellschafter sich hinsichtlich der Verfügung über Anteile gebunden haben und es deshalb keine nichtgebundenen Gesellschafter gibt, ist eine Stimmrechtsbindung erforderlich.

  • Die Stimmrechtsbindung kann in der Satzung der Gesellschaft oder durch gesonderte Vereinbarung - ohne besondere Form schriftlich oder mündlich - begründet werden. Sie muss allgemein für alle künftigen Abstimmungen gelten. Eine mündliche Vereinbarung muss von demjenigen, der sich auf sie beruft, nachgewiesen werden; kann der Nachweis nicht erbracht werden, ist eine Zurechnung der Anteile weiterer Gesellschafter ausgeschlossen. Deshalb empfiehlt sich eine schriftliche Vereinbarung, bestenfalls durch gesonderte Vereinbarung außerhalb der öffentlich einsehbaren Satzung, auch weil für etwa erforderliche Änderungen der Stimmrechtsbindung dann nicht die Satzung geändert werden muss.

Eine "Nachholung" der Poolvereinbarung mit Rückwirkungsanordnung ist nicht möglich. Um einem Erblasser oder Schenker die Anteile weiterer Gesellschafter steuerlich zurechnen zu können, muss eine Poolvereinbarung diese Voraussetzungen im Zeitpunkt der Steuerentstehung (d.h. grundsätzlich bei Schenkung oder Tod) und über die folgenden fünf bzw. sieben Jahre erfüllen. Und der Erwerber muss spätestens mit seinem Erwerb der Poolvereinbarung beitreten. Für die Zurechnung bei einem Mutter-Unternehmen zur Vermeidung von nicht begünstigtem Verwaltungsvermögen genügt die Erfüllung im Zeitpunkt der Steuerentstehung.

Neben den möglichen Vorteilen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer sind aber auch mögliche ertragsteuerliche Folgen zu beachten. So können - nach Auffassung der Finanzverwaltung - durch den Abschluss einer Poolvereinbarung steuerliche Verlustvorträge oder Zinsvorträge verloren gehen (vgl. BMF-Schreiben vom 28. November 2017 - IV C 2).

Und auch außerhalb des Steuerrechts kann es weitreichende Folgen geben: Stimmbindungsvereinbarungen können z.B. die konzernrechtliche Einstufung verändern und Mitteilungspflichten zum Transparenzregister auslösen. Bei Aktiengesellschaften, deren Aktien börslich gehandelt werden, gelten die besonderen Regeln des Kapitalmarktrechts: Danach können Poolvereinbarungen Stimmrechtsmitteilungen auslösen (§§ 33 ff. WpHG) und u.U. ein Pflichtangebot (§§ 35 ff. WpÜG) erforderlich machen. Bei der Weitergabe von Informationen sind zudem – nicht nur im Familienkreis – die Regeln über den Umgang mit Insiderinformationen zu beachten (Art. 7 ff. MAR).

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