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Hanseatisches OLG Hamburg: Die Amts­nieder­legung des Allein­vorstands einer Aktien­gesellschaft ist auch dann zulässig, wenn nur noch ein Aufsichts­rats­mitglied verblieben ist

11.08.2016

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 27. Juni 2016 (11 W 30/16) in Form einer Leitsatzentscheidung zu der Frage Stellung genommen, ob die Amtsniederlegung des Alleinvorstands einer Aktiengesellschaft auch dann zulässig ist, wenn nur noch ein Aufsichtsratsmitglied verblieben ist.

Amtlicher Leitsatz:

Die Amtsniederlegung des Alleinvorstands einer Aktiengesellschaft führt auch dann nicht zur Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft, wenn nur noch ein Aufsichtsratsmitglied verblieben ist, denn sowohl dieses Mitglied als auch jeder Aktionär können die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 AktG beantragen und der Aufsichtsrat sodann einen neuen Vorstand bestellen.

Zusammenfassung der Gründe

Durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg - Insolvenzgericht - vom 25. April 2012 ist über das Vermögen der Aktiengesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Zwei der drei Aufsichtsratsmitglieder legten im Verlaufe des Jahres 2014 ihre Ämter nieder; eine Ergänzung des Aufsichtsrates hielt das Registergericht gemäß Vermerk vom 24. Juni 2014 aufgrund des laufenden Insolvenzverfahrens nicht für zulässig.

Der Beschwerdeführer hat am 1. April 2016 als alleiniger Vorstand der Gesellschaft zum Register angemeldet, dass er sein Amt als Vorstand mit Schreiben vom 14. April 2016 - aufschiebend bedingt auf den Tag der Eintragung der Beendigung des Vorstandsamtes in das Handelsregister - niedergelegt habe. Er ist kein Aktionär der Gesellschaft.

Mit Beschluss vom 27. April 2016 hatte das Registergericht die Anmeldung zurückgewiesen. Die Amtsniederlegung könne nicht eingetragen werden. Sie sei rechtsmissbräuchlich, da sie zur Unzeit erfolgt sei. Die Gesellschaft sei bei Eintragung der Niederlegung handlungsunfähig, da bereits zwei der drei Aufsichtsratsmitglieder ihre Ämter niedergelegt hätten.

Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer nun erfolgreich vor dem Hanseatischen OLG Hamburg Beschwerde eingelegt.

Die Voraussetzungen für die Eintragung der angemeldeten Niederlegung in das Handelsregister liegen nach Ansicht des Senats vor. Diese sei nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen.

Ein Rechtsmissbrauch werde für die von einem GmbH-Geschäftsführer erklärte Amtsniederlegung dann bejaht, wenn es sich bei dem niederlegenden Geschäftsführer um den einzigen Geschäftsführer handelt, dieser zugleich alleiniger Gesellschafter ist und davon absieht, einen neuen Geschäftsführer zu bestellen. Als Grund für die Missbilligung der Amtsniederlegung in Fällen, in denen eine Gesellschaft hierdurch handlungsunfähig wird, werde die Hintanstellung überwiegender Interessen anderer Beteiligter durch den Versuch gesehen, sich der freiwillig übernommenen Verantwortung für die Gesellschaft und aller weiteren Pflichten zu entledigen, die besonders in wirtschaftlich schwierigen Situationen der Gesellschaft an das Amt des Geschäftsführers geknüpft sind.

Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf die hier vorliegende Aktiengesellschaft liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer Rechtsmissbräuchlichkeit nach Ansicht des Hanseatistischen Oberlandesgerichts Hamburg nicht vor. Denn auch wenn man grundsätzlich die Unwirksamkeit einer Niederlegung zur Unzeit bejahe, so seien an die Voraussetzung der Handlungsunfähigkeit hohe Voraussetzungen zu knüpfen. Vorliegend bestünde entgegen der Meinung des Registergerichtes die Möglichkeit, die fehlenden Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 104 AktG auf Antrag des verbliebenen Aufsichtsratsmitgliedes oder eines Aktionärs zu bestellen. Da die Organstruktur einer Aktiengesellschaft durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unbeeinflusst bleibe, sei nicht nur von einem Weiterbestehen eines Aufsichtsrates auszugehen, sondern es könne auch unter Anwendung des § 104 AktG eine Ergänzung des Aufsichtsrates durch die gerichtliche Bestellung von Mitgliedern erfolgen. Denn durch die gerichtliche Bestellung solle gerade die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrates erhalten bleiben.

Auf diese Weise könnte die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrates (§ 108 Abs. 2 AktG) wieder hergestellt werden mit der Folge, dass der Aufsichtsrat sodann einen neuen Vorstand bestellen könnte. Allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer entgegen seiner Verpflichtung (§ 104 Abs. 1 Satz 2 AktG) nicht von sich aus bereits im Jahr 2014 einen Antrag auf Ergänzung des Aufsichtsrates gestellt hat, rechtfertige nicht die Annahme, dass seine Amtsniederlegung 18 Monate später zur Unzeit erfolgt sei. Denn sowohl das verbliebene Aufsichtsratsmitglied als auch jeder Aktionär hätte einen solchen Antrag ebenfalls seit langem stellen können. Da auch das Insolvenzverfahren seit mehr als 4 Jahren laufe, könne angesichts der vorbezeichneten Möglichkeit auf Ergänzung des Aufsichtsrates und der weiteren Möglichkeit des Registergerichtes, gemäß § 85 AktG einen Notvorstand zu bestellen, von einer Niederlegung zur Unzeit nicht (mehr) gesprochen werden.

 

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