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Härtefallklauseln in internationalen Verträgen in Zeiten der Covid-19-Pandemie

18.03.2021

Die unerwarteten Entwicklungen im Zuge der Covid-19-Pandemie haben in zahlreichen Vertragsverhältnissen zu wirtschaftlichen Härtefällen für eine Vertragspartei geführt. Lieferketten sind unterbrochen, Veranstaltungsorte stehen leer, die Abnahme von Saisonware wird aufgrund eines Lockdowns wirtschaftlich unterinteressant. Dies führt naturgemäß zu einem Spannungsverhältnis zwischen dem Grundsatz der Vertragstreue (pacta sunt servanda) und dem Wunsch der benachteiligten Partei, das bei Vertragsschluss erwartete wirtschaftliche Gleichgewicht wieder herzustellen oder sich vom Vertrag zu lösen. Dieses Spannungsverhältnis ist nicht neu. Im deutschen Recht ist es durch Konzepte wie Unmöglichkeit (die beiderseitigen Leistungspflichten entfallen) und Störung der Geschäftsgrundlage (die Leistungspflicht wird angepasst bis hin zur Kündigungsmöglichkeit) gesetzlich geregelt (siehe dazu den Beitrag unseres Partners Janik Goßler: Unmöglichkeit und Force Majeure – Mögliche rechtliche Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie - Noerr).

In internationalen Verträgen haben sich in diesem Zusammenhang Force Majeure- und Hardship-Klauseln durchgesetzt, auch Höhere Gewalt- und Härteklauseln genannt (hier zusammenfassend als Härtefallklauseln bezeichnet). Durch die Pandemie stellen sich neue Fragen bei der Anwendung dieser Klauseln, die zunehmend auch Schiedsgerichte befassen.

Wird die Covid-19-Pandemie von Force Majeure- und Hardship-Klauseln erfasst?

Tritt ein Härtefall ein, muss die betroffene Vertragspartei zunächst klären, ob die vereinbarten Klauseln den Fall der Covid-19-Pandemie erfassen, ob die Pandemie bzw. diesbezügliche staatliche Maßnahmen also sog. Triggerevents sind, welche die Berufung auf die Härtefallklauseln ermöglichen. Soweit Klauseln ausdrücklich „Pandemien“ erwähnen, ist diese Frage in der Regel leicht zu beantworten. Auch „Naturkatastrophen“ und „behördliche Anordnungen“ können die Covid-19-Pandemie erfassen.

Der Anwendungsbereich der Klauseln ist in jedem Einzelfall durch Vertragsauslegung zu ermitteln – und damit der Bewertung der Schiedsrichter überlassen. Einfluss auf die Auslegung können dabei die Herkunft der Schiedsrichter und der Umgang mit Härtefällen in ihrem jeweiligen nationalen Recht haben. In Common- und Civil-Law-Staaten sind Force Majeure- und Hardship-Konzepte teilweise sehr unterschiedlich ausgeprägt.  Es spricht deshalb viel dafür, dass Schiedsgerichte Härtefallklauseln autonom auslegen sollten, also von einer abschließenden Regelung in der vereinbarten Klausel ausgehen, die einen Rückgriff auf gesetzliche dispositive Regelungen grundsätzlich ausschließt. Bei der Vereinbarung von Härtefallklauseln in internationalen Vertragsverhältnissen ist vor diesem Hintergrund ratsam, eine möglichst umfassende, klare und auf die vertragliche Situation angepasste Formulierung des Tatbestands entsprechender Klauseln zu wählen.

Sind die Voraussetzungen von Force Majeure- und Hardship-Klauseln in Fällen der Covid-19-Pandemie erfüllt?

Bislang gibt es noch keine veröffentlichten ICC-Schiedssprüche zu Härtefallklauseln im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie. Erfahrungsgemäß werden „Härtefalle“ in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit nur unter strengen Voraussetzungen angenommen.

Insbesondere setzen Härtefallklauseln in der Regel die Unvorhersehbarkeit der eingetretenen Entwicklungen voraus. Für die Unvorhersehbarkeit der Covid-19-Pandemie wird insoweit der 11.03.2020 ein relevantes Datum sein, da der Generaldirektor der WHO an diesem Tag den Covid-19-Ausbruch offiziell als Pandemie einstufte aufgrund der rapiden Zunahme der Fallzahlen außerhalb Chinas in einer steigenden Zahl von Ländern. 

Die betroffene Partei kann sich zudem regelmäßig nur dann auf die Härtefallklausel berufen, wenn sie durch die Pandemie bzw. die hieraus resultierenden staatlichen Maßnahmen schwerwiegend beeinträchtigt ist. Ein bloßer Anstieg der Vertragsdurchführungskosten reicht hierfür regelmäßig nicht aus. Es gibt keine festen Grenzen dafür, ab wann ein „Härtefall“ anzunehmen ist, allein schon deshalb, weil sich die Märkte stark unterscheiden und ständig entwickeln. Insoweit besteht ein Beurteilungsspielraum des Schiedsgerichts. Diese wirtschaftlichen Fragen werden in Schiedsverfahren regelmäßig mit Hilfe von Sachverständigen zu klären sein.

Wichtig ist für die betroffene Partei, dem Vertragspartner den Eintritt eines Härtefalls zeitnah anzuzeigen und hierbei das vereinbarte vertragliche Anzeigeprozedere zu berücksichtigen. Zur Wahrung der eigenen Schadensminderungspflicht sollte die betroffene Partei zudem alles unternehmen, um den Schaden so gering wie möglich zu halten.

Welche Rechtsfolgen ergeben sich gegebenenfalls aus den Härtefallklauseln?

Die Rechtsfolgen eines Force-Majeure- oder Hardship-Ereignisses richten sich ebenso wie die Voraussetzungen nach den vertraglichen Regelungen. Vertragspartner aus Civil Law-Staaten vereinbaren in ihren Verträgen öfter eine Anpassung des Vertrages. Im Common Law-Bereich sehen die jeweiligen Vertragsklauseln hingegen in der Regel die Möglichkeit der Beendigung des Vertrags vor. In jüngster Zeit sind auch hier teils Anpassungsklauseln zu sehen. Denkbar ist ferner eine Neuverhandlungspflicht. Für ein Schiedsgericht ist es naturgemäß schwierig, einen Vertrag anzupassen, da es insoweit immer um wirtschaftliche Einschätzungen geht. Zu berücksichtigen ist zudem die vertragliche Risikoverteilung zwischen den Parteien. Eine Anpassung darf jedenfalls niemals zu einem besseren Ergebnis für eine Partei führen als der ursprüngliche Vertrag.

Die geschilderten Zusammenhänge sollten bei der Bewertung von Ansprüchen in der aktuellen Situation und, soweit möglich, bei der Verhandlung von Härtefallklauseln in die Überlegungen einbezogen werden. Hierbei beraten wir Sie gerne.

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