Neue Pflichten im Hinblick auf Wertpapierfinanzierungsgeschäfte
Am 23. Dezember 2015 wurde die Verordnung (EU) 2015/2365 über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften und der Weiterverwendung sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (SFTR) im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, so dass die SFTR am 12. Januar 2016 in Kraft tritt. Nachfolgend sollen die zentralen Regelungsgegenstände und die zeitlichen Vorgaben für die Anwendbarkeit der in praktisch wesentlichen Teilen noch durch die EU-Kommission und die ESMA zu konkretisierenden SFTR skizziert werden.
Neue Pflichten nach der SFTR
Die SFTR regelt im Wesentlichen Verpflichtungen im Hinblick auf so genannte „Wertpapierfinanzierungsgeschäfte“ (WFG). Durch die SFTR werden für den Abschluss, die Änderung oder Beendigung von WFG neben den nach EMIR bereits bestehenden Reportingverpflichtungen (die aber für WFG grundsätzlich nicht anwendbar sind) zusätzliche Meldepflichten begründet. Zudem schließt die SFTR einige Lücken der bestehenden Derivateregulierung, führt erweiterte Transparenzanforderungen für die Manager von UCITS und AIFMD Investmentfonds ein und stellt Anforderungen an die Weiterverwendung von als Sicherheit erhaltenen Finanzinstrumenten.
Anwendbarkeit der neuen Reportingpflichten für WFG
Für die aus der SFTR resultierenden Meldepflichten ist – ähnlich der Differenzierung in der EMIR – zwischen finanziellen Gegenparteien und nicht finanziellen Gegenparteien zu unterscheiden. Zu den finanziellen Gegenparteien gehören im Wesentlichen die finanzaufsichtsrechtlich regulierten Unternehmen, während die übrigen Unternehmen zur Gruppe der nichtfinanziellen Unternehmen zählen. Zwar gelten die durch die SFTR eingeführten Meldepflichten grundsätzlich für beide Gruppen, doch obliegt die Verantwortung für die Erfüllung der Meldepflichten im Namen beider Gegenparteien bei einem WFG, das zwischen einer finanziellen Gegenpartei und einer nichtfinanziellen Gegenpartei abgeschlossen wird, der finanziellen Gegenpartei, sofern die nichtfinanzielle Gegenpartei an ihren Bilanzstichtagen die Grenzen von mindestens zwei der drei folgenden Schwellen nicht überschreitet: (i) EUR 20.000.000 Bilanzsumme, (ii) EUR 40.000.000 Nettoumsatzerlöse sowie (iii) 250 Beschäftigte im Durchschnitt des Geschäftsjahres.
Der inhaltliche Anwendungsbereich der neuen Meldepflichten bestimmt sich nach dem Begriff des WFG. Hierzu gehören nach der SFTR:
- Pensionsgeschäfte,
- Wertpapier- oder Warenleihgeschäfte,
- Kauf-/Rückverkaufgeschäfte bzw. Verkauf-/Rückkaufgeschäfte, sowie
- Lombardgeschäfte
Die WFG sind künftig – ähnlich den Meldungen über Geschäfte in OTC-Derivate nach der EMIR – an noch zu etablierende Transaktionsregister zu melden. Da sich die Regelungsinhalte der EMIR und der SFTR leicht überschneiden, nimmt die neue SFTR an verschiedenen Stellen Bezug auf die bestehenden Regelungen der EMIR.
Die Inhalte der nach der SFTR erforderlichen Meldungen sind noch von der Europäischen Kommission und der ESMA im Wege von delegierten Rechtsakten und technischer Regulierungs- bzw. Durchführungsstandards zu präzisieren. Die ESMA hat hierfür bis zum 13. Januar 2017 Entwürfe vorzulegen. Dies bedeutet, dass die neuen Meldepflichten trotz der gerade erfolgten Veröffentlichung der SFTR im EU-Amtsblatt noch nicht sofort zur Anwendung kommen werden. Die neuen Meldepflichten werden auch nicht für sämtliche Regelungsadressaten gleichzeitig anwendbar werden. Vielmehr sieht die SFTR eine zeitlich gestufte Anwendbarkeit der neuen Meldepflichten vor, die jeweils an dem Inkrafttreten des von der EU-Kommission zu den Meldepflichten zu erlassenden delegierten Rechtsaktes anknüpft:
- Für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen 12 Monate nach Inkrafttreten des delegierten Rechtsakts.
- Für zentrale Gegenparteien i.S.d. EMIR und Zentralverwahrer 15 Monate nach Inkrafttreten des delegierten Rechtsakts.
- Für Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, Manager von OGAW oder AIFs sowie regulierte Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung 18 Monate nach Inkrafttreten des delegierten Rechtsakts.
- Für nichtfinanzielle Gegenparteien erst 21 Monate nach Inkrafttreten des delegierten Rechtsakts.
Die neuen Meldepflichten werden auch für bereits abgeschlossene WFG gelten, sofern diese zum Zeitpunkt der zeitlichen Anwendbarkeit der Meldepflicht noch eine Restlaufzeit von mehr als 180 Tage haben (bei befristeten WFG) oder sie 180 Tage nach jenem Zeitpunkt noch offen stehen (bei unbefristeten WFG).
Weitere Verpflichtungen
Neben den Meldepflichten werden für sämtliche Gegenparteien mit der SFTR bestimmte Anforderungen (insbesondere das Erfordernis der ausdrücklichen und schriftlichen Zustimmung sowie der Aufklärung über die damit verbundenen Risiken) für die Weiterverwendung von als Sicherheit erhaltenen Finanzinstrumenten eingeführt. Diese Anforderungen werden ab dem 13. Juli 2016 gelten.
Zusätzliche Transparenzanforderungen für die Nutzung von WFG und von sog. Gesamtrendite-Swaps (bzw. Total Return Swaps) werden überdies für die Manager von Investmentfonds eingeführt. Die neuen Transparenzvorschriften sind eng mit den Richtlinien 2009/65/EG (OGAW-Richtlinie) und 2011/61/EU (AIFM-Richtlinie) verknüpft und ergänzen damit den Rechtsrahmen für Investmentfonds.Damit sich die Anleger von Investmentfonds über die mit der Nutzung von WFG und Gesamtrendite-Swaps verbundenen Risiken informieren können, sollen die Manager von Investmentfonds in ihren Halbjahres- und Jahresberichten detailliert angeben, inwieweit sie auf WFG und Gesamtrendite-Swaps zurückgreifen. Darüber hinaus werden die Manager von Investmentfonds verpflichtet, über die Verwendung von WFG und Gesamtrendite-Swaps in den vorvertraglichen Informationsdokumenten aufzuklären. Den genauen Inhalt dieser regelmäßigen Berichte und vorvertraglichen Informationen wird die ESMA in technischen Regulierungsstandards weiter konkretisieren. Die Anforderungen werden ab dem 13. Januar 2017 (bzgl. Transparenz in periodischen Berichten) bzw. ab dem 13. Juli 2017 (bzgl. Prospekttransparenz) gelten.
Änderung des OTC-Derivatebegriffs in der EMIR
Neben der Einführung neuer Verpflichtungen im Hinblick auf WFG ist mit der Einführung der SFTR eine Änderung des in der EMIR geregelten OTC-Derivatebegriffs verbunden. Diese Änderung ist jedoch eher klarstellender Natur.
Der europäische Gesetzgeber erkannte einen engen Zusammenhang zwischen den Transparenzanforderungen für WFG und Gesamtrendite-Swaps nach der SFTR und den Meldepflichten für OTC-Derivate nach der EMIR. Zur Gewährleistung eines kohärenten Anwendungsbereichs der Transparenz- und Meldepflichten nach beiden Verordnungen sah er daher das Bedürfnis für eine klare Beschreibung von OTC-Derivaten einerseits und börsengehandelten Derivaten andererseits, und zwar unabhängig davon, ob diese Kontrakte in der EU oder an Märkten in Drittstaaten außerhalb der EU gehandelt werden. Dies soll mit der Änderung der EMIR-Begriffsbestimmung von OTC-Derivaten sichergestellt werden, wenn nunmehr in Art. 2 Nr. 7 EMIR für die Zwecke der Definition des „gleichwertigen geregelten Marktes“ nicht mehr auf Art. 19 der Richtlinie 2004/39/EG (MiFID) verwiesen, sondern auf den neuen Art. 2a EMIR Bezug genommen wird, der es letztlich der EU-Kommission überträgt, über Durchführungsrechtsakte festzustellen, ob ein Markt eines Drittstaats die Anforderungen an die Gleichwertigkeit erfüllt.
Diese Neuerung tritt bereits 20 Tage nach der Veröffentlichung der SFTR im Amtsblatt der EU, also am 12. Januar 2016 in Kraft. Die nach EMIR bestehenden Meldepflichten selbst ändern sich durch die Einführung der SFTR nicht. Allerdings führt die Definition der WFG dazu, dass Derivatekategorien wie Liquidity- oder Collateral-Swaps, die nicht als OTC-Derivate nach EMIR qualifizieren, künftig Meldepflichten nach der SFTR begründen können.
Praktische Konsequenzen
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass zwar sowohl für nichtfinanzielle als auch für finanzielle Gegenparteien durch die SFTR künftig in der Tat neue Meldepflichten entstehen können, die neuen Regelungen jedoch trotz der gerade erfolgten Veröffentlichung der SFTR in unmittelbarer Zukunft noch keine Meldepflichten begründen. Für finanzielle Gegenparteien werden erst frühestens 12 Monate nach Inkrafttreten des delegierten Rechtsaktes zur Konkretisierung der Meldepflichten die neuen Meldepflichten entstehen, für nichtfinanzielle Gegenparteien sogar erst 21 Monate nach diesem Zeitpunkt. Solange die Inhalte des delegierten Rechtsaktes noch nicht absehbar sind, wird es auch schwierig sein, sich konkret auf die neuen Meldepflichten vorzubereiten. Gleichwohl sollte der mit den neuen Meldepflichten verbundene organisatorische Aufwand – die Parallele zur Einführung der Meldepflichten nach EMIR liegt nahe – nicht unterschätzt und mit den operativen Vorbereitungen dafür rechtzeitig begonnen werden.
Auch für Manager von Investmentvermögen (Kapitalverwaltungsgesellschaften) gilt dies im Hinblick auf ihre zusätzlichen Transparenzpflichten beim Einsatz von WFG und Gesamtrendite-Swaps. Sie sollten sich angesichts der strengeren und ab 2017 geltenden Transparenzanforderungen nicht zu spät mit deren genauen Inhalt und ihrer Bedeutung für die verwalteten Investmentvermögen auseinandersetzen.
Akuter Handlungsbedarf besteht für die Weiterverwendung von als Sicherheit erhaltenen Finanzinstrumenten. Die Gegenparteien, die auch nach dem 13. Juli 2016 eine solche Weiterverwendung beabsichtigen, sollten nicht nur Maßnahmen zur Information ihrer sicherungsgebenden Vertragspartner ergreifen, sondern auch ihre Sicherheitenverträge überarbeiten, um dort die ausdrückliche Zustimmung zur Weiterverwendung vorzusehen.
Wesentliche Wechselwirkungen mit den bereits etablierten Mechanismen für die Einhaltung von EMIR-Meldepflichten sind durch die Änderungen der Definition von OTC-Derivaten in der EMIR hingegen nicht zu erwarten. Hier sollten jedoch insbesondere Unternehmen mit Derivate-Vertragspartnern in Drittstaaten die konkretisierende Durchführungsrechtsakte der Europäische Kommission im Blick haben.
Bestens
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