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Neues BMF-Schreiben zu Kapital­rück­zahlungen aus Dritt­staaten-Kapital­gesellschaften

29.04.2022

Mit Schreiben vom 21.04.2022 hat das Bundesfinanzministerium (BMF) erfreulicherweise zu Kapitalrückzahlungen aus Drittstaaten-Kapitalgesellschaften Stellung genommen. Im Ergebnis schließt sich die Finanzverwaltung (endlich) der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des BFH an, wonach auch Gesellschaften, die nicht in einem EU-Mitgliedsstaat steuerlich ansässig sind, eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr erbringen können. Dies sind gute Nachrichten, insbesondere für deutsche Investoren in internationalen Fonds.

Ausgangssituation

EU/EWR-Kapitalgesellschaften

Kapitalrückzahlungen von EU-Kapitalgesellschaften können schon seit langem steuerneutral behandelt werden, sofern die ausschüttende Gesellschaft beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) einen entsprechenden Antrag auf gesonderte Feststellung der Einlagenrückgewähr nach § 27 Abs. 8 KStG stellt. Dies ist in der Praxis zwar mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden, aber zumindest führen Kapitalrückzahlungen bei erfolgreichem Durchlaufen des Feststellungsverfahrens nicht zu einer Substanzbesteuerung auf Ebene des Gesellschafters.

Schon nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung sind diese Regelungen auf Kapitalrückzahlungen von Gesellschaften, die in einem EWR-Mitgliedstaat ansässig sind, entsprechend anzuwenden (vgl. BMF v. 04.04.2016, BStBl. I 2016, 468, Tz. 1).

Drittstaaten-Kapitalgesellschaften

Bei Drittstaaten-Kapitalgesellschaften bestand bis dato eine erhebliche Rechtsunsicherheit, da diese vom Feststellungsverfahren nach § 27 Abs. 8 KStG nicht erfasst sind. Zwar entscheidet der BFH in mittlerweile ständiger Rechtsprechung, dass auch diese Gesellschaften steuerneutrale Kapitalrückzahlungen leisten können, sofern unter Heranziehung des einschlägigen ausländischen Handels- und Gesellschaftsrechts von einer Rückzahlung aus einer Kapitalrücklage bzw. von der Rückzahlung von nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen auszugehen ist (vgl. Urt. v. 20.10.2010, I R 117/08, Urt. v. 13.07.2016, VIII R 73/13, Urt. v. 13.07.2016, VIII R 47/13 und Urt. v. 10.04.2019, I R 15/16).

Allerdings hat das BMF die Urteile bislang nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Ferner fehlte es an entsprechenden Verwaltungsanweisungen mit der Folge, dass Kapitalrückzahlungen von Drittstaaten-Kapitalgesellschaften im Rahmen von Betriebsprüfungen häufig aufgegriffen und als Dividende behandelt wurden. Dies war insbesondere in den Fällen problematisch, in denen die Dividenden nicht nach § 8b Abs. 1, 5 KStG zu 95% steuerfrei waren. Dies betraf z.B. Investoren in Fonds in der Ausgestaltung als Personengesellschaft (z.B. Luxemburger SCS(p) oder Delaware L.P.), bei denen der durchgerechnete Anteil an der ausschüttenden Portfolio-Gesellschaft weniger als 10% beträgt (§ 8b Abs. 4 KStG), oder Investoren in Gestalt von Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen (§ 8b Abs. 8 KStG).

BMF-Schreiben vom 21.04.2022

Mit dem aktuellen Schreiben hat sich das BMF nun erfreulicherweise (endlich) der Auffassung des BFH angeschlossen. Die o.g. Urteile sollen kurzfristig im Bundessteuerblatt veröffentlicht und die Rechtsprechungsgrundsätze wie folgt angewendet werden:

Drittstaaten-Kapitalgesellschaften

Die neuen Grundsätze der Finanzverwaltung zu Kapitalrückzahlungen durch Drittstaaten-Kapitalgesellschaften lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Verwendungsreihenfolge

Wie bei inländischen Gesellschaften und bei EU-Gesellschaften soll auch bei Drittstaaten-Gesellschaften die sog. Verwendungsreihenfolge in analoger Anwendung des § 27 Abs. 1 Satz 3 und 5 KStG gelten. Dies bedeutet, dass ein Zugriff auf die Einlagen mit steuerlicher Wirkung erst möglich ist, wenn zunächst sämtliche Gewinnrücklagen ausgeschüttet worden sind.

2. Rückzahlung von Einlagen (außer Nennkapital)

Die Rückzahlung von nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen kann als Einlagenrückgewähr im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 Satz 3 EStG zu qualifizieren sein. Hierzu ist die Höhe des ausschüttbaren Gewinns, das gezeichnete Kapital und die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen (z.B. Kapitalrücklage) aus der ausländischen Handelsbilanz abzuleiten, die dem Jahr der Leistung an den Anteilseigner vorausgeht. Eine nach deutschem Recht aufgestellte Handelsbilanz sowie eine Überleitungsrechnung ins deutsche Steuerrecht in analoger Anwendung des § 60 Abs. 2 EStDV ist nicht erforderlich.

Vom Anteilseigner sind für die Feststellung einer Einlagenrückgewähr die folgenden Angaben und Unterlagen in deutscher Sprache vorzulegen:

    • Nachweis über die unbeschränkte Steuerpflicht der leistenden Körperschaft oder Personenvereinigung in einem Drittstaat für den beantragten Zeitraum,

    • Höhe der Beteiligung des inländischen Anteilseigners (unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere transparente Vehikel),

    • Beschlüsse und Nachweise über die geleistete Ausschüttung, und

    • ausländische Bilanz der leistenden Körperschaft oder Personenvereinigung.

Neben diesen Unterlagen können die Finanzbehörden im Einzelfall weitere Angaben, Unterlagen oder Nachweise anfordern. Eine Umrechnung der Leistungen in Euro erfolgt im Zeitpunkt der tatsächlichen Durchführung auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft. Die Leistungen in ausländischer Währung sind mit dem Mittelwert des Devisengeldkurses auf den Stichtag des Abflusses bzw. Abgangs zu bewerten.

Der Ansatz des BMF, auf eine aufwändige Ermittlung des Eigenkapitals der ausländischen Gesellschaft nach deutschen steuerlichen Grundsätzen (Schattenrechnung) zu verzichten, ist zu begrüßen. Insbesondere Investoren in internationalen Fondsstrukturen haben aufgrund ihrer niedrigen Beteiligungsquote regelmäßig nicht die Möglichkeit, überhaupt an die entsprechenden Informationen zu kommen. Es bleibt zu hoffen, dass auch die Finanzämter mit Augenmaß vorgehen und keine überzogenen Anforderungen an die weiteren Angaben, Unterlagen oder Nachweise stellen.

3. Nennkapital

Die Rückzahlung von Nennkapital dürfte in der Praxis im Vergleich zur Rückzahlung aus Kapitalrücklagen regelmäßig nur eine geringe Rolle spielen. Die Nennkapitalrückzahlung ist nach Auffassung des BMF grundsätzlich steuerneutral. Lediglich in den Fällen, in denen die ausschüttende Gesellschaft ihr Nennkapital durch Umwandlung der Kapitalrücklage erhöht hat und innerhalb von fünf Jahren wieder reduziert, ist der Betrag der ursprünglichen Kapitalerhöhung im Ausschüttungsfall als Dividende zu behandeln (§ 7 Abs. 2 Kap­ErhStG). Hierbei dürfte es sich aber um Ausnahmefälle handeln.

EWR-Kapitalgesellschaften (einschließlich EU-Kapitalgesellschaften?)

Für Kapitalrückzahlungen durch EWR-Kapitalgesellschaften bleibt es im Grundsatz bei der bisherigen Verwaltungsauffassung (siehe oben), d.h. auf diese sind die Regelungen des Feststellungsverfahrens nach § 27 Abs. 8 KStG anzuwenden.

Neu ist in diesem Zusammenhang jedoch die Aussage, dass auf Leistungen einer EWR-Körperschaft die zu Drittstaaten-Gesellschaften dargestellten Grundsätze entsprechend anzuwenden sind, wenn die Körperschaft oder Personenvereinigung selbst keinen wirksamen Antrag zur Feststellung der jeweiligen Leistung als Einlagenrückgewähr nach § 27 Abs. 8 KStG gestellt hat.

Wir verstehen diese Ausführungen so, dass dies nicht nur die EWR-Gesellschaften betrifft, die nicht in einem EU-Mitgliedstaat ansässig sind, sondern auch EU-Gesellschaften. Denn der EWR umfasst definitionsgemäß die EU-Mitgliedstaaten sowie die EFTA-Mitgliedstaaten (außer Schweiz). Dies wäre erfreulich und auch sachgerecht, denn andernfalls käme es zu einer unberechtigten Schlechterstellung von Kapitalrückzahlungen aus EU-Gesellschaften im Vergleich zu Kapitalrückzahlungen aus EWR- oder Drittstaaten-Gesellschaften.

Im Ergebnis besteht unseres Erachtens somit für Kapitalrückzahlungen sowohl aus EU- als auch sonstigen EWR-Gesellschaften die Wahl, anstatt des Feststellungsverfahrens den Nachweis für Drittstaaten-Kapitalgesellschaften zu führen. Eine Erleichterung ist das insbesondere für Investmentstrukturen, in denen eine Antragstellung durch die (mittelbar gehaltene) ausländische Kapitalgesellschaft nicht von den deutschen Investoren durchgesetzt werden kann oder z.B. nicht rechtzeitig erfolgt ist.

Anwendung

Das neue BMF-Schreiben ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden.