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Sitten­widrigkeit von Über­brückungs­krediten – Praxis­hinweise des BGH

20.07.2017

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 7. März 2017 (Az. XI ZR 571/15) entschieden, dass die Frage, ob ein als Überbrückungskredit bezeichnetes Darlehen sittenwidrig ist, nicht pauschal anhand starrer Fristen, sondern nur aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung des einzelnen Vertrags unter Berücksichtigung aller den Vertrag kennzeichnender Umstände beurteilt werden kann.

Überbrückungskredite


Als Überbrückungskredit werden in der Sanierungspraxis Darlehen bezeichnet, die Kreditinstitute gewähren, um den notwendigen Finanzierungsbedarf eines Unternehmens in der Krise während der Prüfung seiner Sanierungsfähigkeit gewährleisten zu können. Der Kredit soll das finanzielle Überleben, gewährleisten, bis ein Sanierungskonzept des Unternehmens fertiggestellt werden kann.

Die Rechtslage


Höchstrichterliche Rechtsprechung, die greifbare Anhaltspunkte für die zulässige Laufzeit von Überbrückungskrediten bietet, ist bislang nicht ergangen. Lediglich für Gesellschafter hatte der Bundesgerichtshof eine Frist von nur drei Wochen gesetzt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. April 2010, Az. II ZR 60/09). In der rechtswissenschaftlichen Diskussion werden als Richtwerte ein bis drei Monate genannt.

Der Bundesgerichtshof verweist in seinem Beschluss nun darauf, dass starre Fristen für die Laufzeit eines Überbrückungskredites nicht aufgestellt werden könnten, sondern vielmehr anhand aller Umstände des Einzelfalles eine Gesamtwürdigung durchzuführen sei. Die Grenze zwischen dem, was einer Bank bei Gewährung und Sicherung ihrer Kredite noch erlaubt ist, und dem, was für den redlichen Verkehr unerträglich und deshalb sittlich unstatthaft ist, sei unter Einstellung aller Einzelfallaspekte zu ziehen. Der Vorwurf sittenwidrigen Handelns kann dabei beispielsweise begründet sein, wenn die Bank aus eigensüchtigen Beweggründen die Insolvenz des Unternehmens hinausschiebt und für sie abzusehen ist, dass die ergriffenen Stützungsmaßnahmen den Zusammenbruch allenfalls verzögern, aber nicht auf Dauer verhindern können.

Auswirkungen auf die Praxis


Mit seiner Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die grundsätzliche Zulässigkeit von Überbrückungskrediten anerkannt, die damit weiterhin als erster Baustein für die außergerichtliche Sanierung eines Unternehmens fungieren können. Damit bewegt sich der Bundesgerichtshof auf einer Linie mit der Rechtsentwicklung auf Unionsebene. Ein aktueller Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission beinhaltet ein dem Überbrückungskredit vergleichbares Rechtsinstitut.

In der Praxis ist im Rahmen der Vertragsgestaltung dennoch Vorsicht geboten, was die vom Bundesgerichtshof überprüfte Entscheidung des KG Berlin vom 4. November 2015 (Az. 24 U 112/14) zeigt. Hier wurden im Einzelfall strenge Maßstäbe angelegt. Das vorinstanzliche Urteil zu dem BGH Beschluss vom 7. März 2017 (Az. XI ZR 571/15) bejahte letztlich die Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages und der Sicherheitenbestellung, was der Bundesgerichtshof nicht beanstandete.

Restrukturierung & Insolvenz

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