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Verschärfung der Wegzugsbesteuerung wird konkret

29.04.2021

Internationalen Unternehmerfamilien und Familienunternehmen droht erhebliche Verschärfung der Wegzugsbesteuerung

Die im Außensteuergesetz (AStG) geregelte Wegzugsbesteuerung für natürliche Personen auf Wertsteigerungen bei Kapitalgesellschaftsanteilen soll für Wegzüge, Schenkungen und Erbschaften ins Ausland, die ab dem 01.01.2022 erfolgen, teils deutlich verschärft werden.

Die Bundesregierung rechnet mit Steuermehreinnahmen von 235 Millionen Euro jährlich.

Ihren dazu bereits am 24.03.2021 beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG) hat die Bundesregierung als Bundestags-Drucksache 19/28652 vom 19.04.2021 formal in das Parlament eingebracht. Der nächste Schritt ist nun die Stellungnahme des Bundesrates, die für Anfang Mai 2021 erwartet wird.

Die Verschärfung droht bereits seit geraumer Zeit, nachdem das Bundesministerium der Finanzen (BMF) Ende 2019 einen ersten Referentenentwurf mit Bearbeitungsstand 10.12.2019 vorgelegt hatte und sodann einen zweiten Referentenentwurf mit Bearbeitungsstand 24.03.2020.

Der jetzt von der Bundesregierung in das Parlament eingebrachte Gesetzesentwurf entspricht inhaltlich dem zweiten Referentenentwurf des BMF (vgl. dazu unsere News vom 08.04.2020).

Ob die von der Bundesregierung beabsichtigten Verschärfungen im laufenden Gesetzgebungsverfahren zumindest teilweise abgemildert werden oder sogar ganz entfallen, ist derzeit offen. Die zuständigen Ausschüsse des Bundesrates haben dem Bundesrat bereits empfohlen, sich in seiner anstehenden Stellungnahme gegen bestimmte Verschärfungen auszusprechen (siehe dazu weiter unten Abschnitt 1. „Verschärfung der Stundungsregelungen“).

Wegzugsbesteuerung bei Kapitalgesellschaftsanteilen

Betroffen von der Wegzugsbesteuerung sind natürliche Personen, die – so das aktuell noch geltende Recht – zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb der letzten 5 Jahre mittel- oder unmittelbar zu mindestens 1 Prozent an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft (z.B. GmbH, AG, KGaA, SE) beteiligt waren, und die insgesamt seit mindestens 10 Jahren in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind.

Ziehen diese Personen dauerhaft ins Ausland oder schenken oder vererben sie ihre Anteile an dauerhaft im Ausland lebende Personen, gelten die Anteile im Regelfall als zum gemeinen Wert veräußert. Ein unter Aufdeckung etwaiger stiller Reserven entstehender fiktiver Veräußerungsgewinn unterliegt dann nach den allgemeinen Regelungen der Einkommensteuer sowie ggf. dem Solidaritätszuschlag und der Kirchensteuer, obwohl mangels tatsächlicher Anteilsveräußerung gar keine Liquidität zufließt.

Eine Verschärfung plant die Bundesregierung nun im Wesentlichen in drei Bereichen:

1. Verschärfung der Stundungsregelungen

Nach aktuell noch geltendem Recht ist die geschuldete Steuer regelmäßig zeitlich unbefristet (bis zur tatsächlichen Anteilsveräußerung), zinslos und ohne Sicherheitsleistung zu stunden, wenn der wegziehende, schenkende oder versterbende Gesellschafter EU-/EWR-Staatsangehöriger ist und er selbst bzw. auch der von ihm Beschenkte oder sein Erbe in einem EU-/EWR-Staat einer Steuerpflicht unterliegt, die der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht vergleichbar ist.

Die wohl gravierendste Verschärfung besteht darin, dass diese unbefristete, zinslose und sicherheitsleistungsfreie Stundungsmöglichkeit in EU-/EWR-Konstellationen nach den Vorstellungen der Bundesregierung entfallen soll. Ab dem 01.01.2022 stattfindende Wegzüge, Schenkungen oder Vererbungen ins Ausland sollen gleich behandelt werden, unabhängig vom "Zielland". Die Steuer soll dann in voller Höhe sofort fällig oder auf Antrag in 7 gleichen, immerhin unverzinslichen Jahresraten zu begleichen sein, wobei dem Stundungsantrag in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung entsprochen werden soll. Auf Stundungen, die am 31.12.2021 noch laufen, soll dagegen grundsätzlich das bisherige Recht weiterhin angewendet werden.

Ob dies europarechtlich bestehen wird, bleibt abzuwarten. Die geltende Stundungsmöglichkeit in EU-/EWR-Konstellationen geht jedenfalls zurück auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der eine sofortige Besteuerung mit Liquiditätsbelastung als Verstoß gegen die europäische Niederlegungsfreiheit angesehen und eine unbefristete, zinslose und sicherheitsleistungsfreie Stundung für geboten erachtet hatte. Zudem hat der EuGH erst kürzlich darauf hingewiesen, die Stundungsregeln für EU-/EWR-Konstellationen aufgrund des Freizügigkeitsabkommens mit der Schweiz unter Umständen auch auf dieses Verhältnis zu erweitern.

Die Verschärfung der Stundungsregelungen wird nun auch vom federführenden Finanzausschuss und vom Wirtschaftsausschuss des Bundesrates kritisiert. Die Ausschüsse empfehlen dem Bundesrat für dessen Sitzung am 07.05.2021, sich in seiner Stellungnahme gegen eine Verschärfung der Stundungsregelungen auszusprechen. Dabei weisen die Ausschüsse ausdrücklich darauf hin, dass die von der Bundesregierung beabsichtigte Verschärfung keine europarechtliche Vorgabe ist und insbesondere im Mittelstand eine unmittelbare Liquiditätsbelastung begründet (Bundesrats-Drucksache 245/1/1 vom 26.04.2021 Seite 30).

2. Erlöschen der Steuer durch Rückkehr bzw. Zuzug in EU-/EWR-Konstellationen nur noch fristgebunden

Auch künftig soll wie nach aktuell geltendem Recht die geschuldete Steuer in bestimmten Konstellationen wegfallen, wenn der Wegzug von Anfang an nur vorübergehend geplant war und der Gesellschafter nach Deutschland zurückkehrt bzw. der im Ausland lebende Beschenkte oder Erbe nach Deutschland zieht.

Die Frist, innerhalb der die Steuer durch Rückkehr bzw. Zuzug nach Deutschland vermieden werden kann, soll nun – unabhängig vom ausländischen Aufenthaltsstaat – von 5 auf 7 Jahre verlängert werden. Auf Antrag soll die Frist um bis zu 5 weitere Jahre ausgedehnt werden können, wenn die Absicht zur Rückkehr unverändert fortbesteht, sodass Steuerpflichtige dann insgesamt bis zu 12 Jahre außerhalb Deutschlands ansässig sein könnten.

In EU-/EWR-Konstellationen würde diese Änderung gleichwohl zu einer Verschlechterung führen, da der Steueranspruch im Fall der Rückkehr bzw. des Zuzugs aus dem EU-/EWR-Raum derzeit ohne zeitliche Begrenzung möglich ist.

3. Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereichs

Zudem soll der persönliche Anwendungsbereich ausgedehnt werden. Während die Wegzugsbesteuerung gegenwärtig erst greift, wenn der Gesellschafter innerhalb eines beliebigen Zeitraums insgesamt seit mindestens 10 Jahren in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, soll es zukünftig schon genügen, dass er innerhalb der letzten 12 Jahre insgesamt mindestens 7 Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war.

Hierdurch können insbesondere Zuzügler nach Deutschland früher von der Wegzugsbesteuerung erfasst werden, insbesondere Personen, die zwar nicht dauerhaft, aber innerhalb eines Zwölfjahreszeitraum mehrmals und insgesamt sieben Jahre in Deutschland ansässig sind.

Ausblick

Von der Umsetzung der Reform ist auszugehen. Offen ist dagegen, ob die von der Bundesregierung beabsichtigte Verschärfung der Stundungsregelungen noch abgewendet werden kann. Da entgegen der ursprünglichen Referentenentwürfe des BMF auch die Bundesregierung erst ab dem 01.01.2022 stattfindende Wegzüge, Schenkungen und Erbschaften ins Ausland mit der Neuregelung erfassen möchte, besteht zumindest noch im Jahr 2021 Handlungsspielraum. So kann z.B. in EU-/EWR-Konstellationen die unbefristete und unverzinsliche Stundung ohne Sicherheitsleistung weiterhin genutzt werden. Alternativ können Möglichkeiten zur Gestaltung und Strukturierung geprüft und ggf. umgesetzt werden, um eine Wegzugsbesteuerung vollständig zu vermeiden.

Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Private Banking Magazins 

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