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Das „Verbrenner-Verbot“ nach der Bundestags­wahl 2025

Bundestagswahl Insights

04.03.2025

Die Automobilindustrie gilt als Schlüsselbranche Deutschlands. Nachdem die EU im Frühjahr 2023 eine stufenweise Herabsetzung der CO2-Flottenziele beschlossen hatte, hat dies entsprechend zu starken politischen Reaktionen in der Bundesrepublik geführt.

In der Öffentlichkeit wird diese Regelung schlagwortartig zumeist als „Verbrenner-Verbot“ bezeichnet, was rechtlich zumindest unsauber ist (dazu näher A.). Diese Regelung spielte auch im Bundestagswahlkampf eine zentrale Rolle. Bei einigen Parteien war die Aufhebung des „Verbrenner-Verbots“ ein – teilweise zentrales – Wahlkampfthema, während andere sich hinter die EU-Regelung stellten. Doch wäre ein Ausstieg vom Ausstieg überhaupt möglich? Der Einfluss der nationalen Politik ist hier eingeschränkt, da das „Verbot“ auf einer europäischen Regelung basiert, zu deren Änderung nur die EU-Gesetzgebungsorgane ermächtigt sind. Die EU-Kommission hat jüngst am 03.03.2025 angekündigt, dass sie den Herstellern jedenfalls mehr Flexibilität bei der Erfüllung der Emissionsziele einräumen will, wobei das aktuell wohl „lediglich“ die Zielvorgaben ab 2025 betrifft (dazu B. und C.).

Dieser Thematik, einschließlich einer Abschätzung zukünftiger politischer Entwicklungen nach der Bundestagswahl, wird in diesem Insight nachgegangen.

A. Rechtliche Einordnung

I. CO2-Flottenziele

Die rechtliche Grundlage des „Verbrenner-Verbots“ bildet die Verordnung (EU) 2019/631 („VO 2019/631“), die – nach längerem Tauziehen – maßgeblich mit der Verordnung (EU) 2023/851 vom 19.04.2023 geändert wurde. Damit soll den ehrgeizigen Klimazielen der Europäischen Union gerecht werden. Diese Maßnahmen stehen im Zusammenhang mit dem „Fit for 55“-Programm, das darauf abzielt, die Europäischen Union bis 2050 klimaneutral zu machen.

Die VO 2019/631 legt in ihrem Art. 1 EU-weite Flottenziele fest, die sich abgestuft von 2020 bis 2035 verringern. Hiervon ausgehend wird über Art. 4 i. V. m. Anhang I Teil A VO 2019/631 das spezifische Flottenziel jedes einzelnen Herstellers ermittelt, das bestimmt, wie viel CO2 die gesamte Flotte neu zugelassener Pkw eines Herstellers in einem Jahr maximal ausstoßen darf. Dadurch soll eine schrittweise Reduzierung der CO2-Emmissionen von in der EU neu zugelassenen Pkw erreicht werden. Das EU-weite Ziel sowie das spezifische Flottenziel jedes Herstellers wird ab dem 1. Januar 2035 auf null festgesetzt (vgl. Art. 1 Abs. 5a lit. a) VO 2019/631; entsprechend für leichte Nutzfahrzeuge in Art. 1 Abs. 5a lit. b)).

Die Überschreitung der Emissionsziele hat allerdings formal nicht etwa ein Verbot des Inverkehrbringens, der Zulassung oder sonstige Unterlassungspflichten zur Folge; schon deshalb ist die Bezeichnung als „Verbrenner-Verbot“ rechtlich unsauber: Vielmehr haben Hersteller, die ihre Flottenziele verfehlen, gemäß Art. 8 eine Abgabe zu zahlen.

Zulassungsverbote enthält demgegenüber das EU-Typgenehmigungsrecht für Pkw auf Basis der (Rahmen-)Verordnung (EU) 2018/858 sowie den hiermit verbundenen Rechtsakten: Im Typgenehmigungsverfahren müssen die Hersteller die Einhaltung bestimmter Emissionsgrenzwerte für jeden Fahrzeugtyp nachweisen; andernfalls erhalten sie keine Typgenehmigung und dürfen ihre Fahrzeuge schon nicht auf den Markt bringen. Einen CO2-Grenzwert kennt das Typgenehmigungsrecht aber nicht. Das gilt gerade auch mit Blick auf die neue Abgasnorm Euro 7 (Verordnung (EU) 2024/1257), die ab dem 29.11.2026 schrittweise für immer mehr Fahrzeuge gilt und Schadstoffgrenzwerte beispielsweise für Feinstaub oder Stickoxide festsetzt, jedoch weiterhin keine Grenzwerte für CO2-Emmissionen regelt (näheres zu Euro 7 in unserem speziellen Insight).

Gleichwohl wird die VO 2019/631 mit ihrem ab 2035 geltenden Flottenzielwert von null faktisch wie ein Zulassungsverbot wirken, weil spätestens ab 2035 kein profitables Geschäft mit Pkw mit Verbrennungsmotoren mehr möglich sein wird. Gebrauchtwagen sind indes ohnehin nicht betroffen: Diese können weiterhin verkauft und mit fossilen Kraftstoffen betankt werden. Da die durchschnittliche Lebensdauer eines Pkw auf etwa 15 Jahren geschätzt wird, ist das Flottenziel von null ab 2035 notwendig, um bis 2050 tatsächlich eine weitgehend CO2-neutrale Fahrzeugflotte in der EU zu erreichen.

II. E-Fuels?

Die VO 2019/631 bezieht sich dabei nicht allein auf „klassische“ Verbrennungsmotoren mit herkömmlichen Kraftstoffen. Für die Berechnung des Flottengrenzwerts ist vielmehr entscheidend, wie viele CO2-Emmissionen der verwendete Motor „am Auspuff“ ausstößt. Die Art des Antriebs oder des verwendeten Kraftstoffs ist dabei nicht relevant; CO2-Emissionen, die bei der Produktion entstehen – oder nicht entstehen – sind demgegenüber irrelevant.

Nach dem heutigen Stand der Technik ist jedoch ein Betrieb eines Verbrennungsmotors ohne CO2-Emmissionen nicht möglich. Auch der Betrieb mit E-Fuels führt beim Gebrauch zu CO2 Emissionen; die Klimaneutralität wird durch den Herstellungsprozess der E-Fuels erreicht. Im aktuellen regulatorische Rahmen wären daher (spätestens) ab 2035 auch Neuzulassungen von Pkw mit Verbrennungsmotor, die mit E-Fuels betrieben werden, wirtschaftlich kaum profitabel.

B. Mögliche politische Entwicklungen nach der Bundestagswahl

Bereits innerhalb der noch bestehenden deutschen Regierung aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen gab es das politische Ziel, die CO2-Flottenziele zumindest zu flexibilisieren. So stellte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz am 12.12.2024 ein Maßnahmenpaket vor, das den grundsätzlich eingeschlagenen Kurs in der Automobilbranche zwar nicht in Frage stellte. Man hielt sowohl am Ausstieg aus dem fossilen Verbrennungsmotor bei Pkw ab 2035 als auch an den beschlossenen Flottenzielen fest. Jedoch sollten unter anderem die Strafzahlungen bei Nichteinhaltung der Flottenziele dahingehend flexibilisiert werden, dass Verstöße im Jahr 2025 mit Übererfüllungen in den Jahren 2026 und 2027 verrechnet werden können (näheres hierzu in unserem Insight).

Nach der Bundestagswahl am 23.02.2025 ist aktuell eine Koalition der CDU/CSU und der SPD die wahrscheinlichste politische Konstellation. Für die politische Einschätzung der kommenden vier Jahre ist daher, solange noch kein Koalitionsvertrag vorliegt, ein Blick in die Wahlprogramme dieser Parteien erhellend:

Die CDU/CSU strebt an, die Automobilindustrie als Leitindustrie zu erhalten und ihre Stellung als zentrale industrielle Säule zu bewahren. Dazu sollen unter anderem folgende Maßnahmen ergriffen werden (Politikwechsel für Deutschland: Wahlprogramm von CDU/CSU, S. 72 f.):

  • Die geplanten Einschränkungen für Verbrennungsmotoren sollen aufgehoben werden.
  • Die Flottengrenzwerte sollen überprüft werden und Strafzahlungen sollen verhindert werden.
  • Zur Erreichung der Klimaziele soll Technologieoffenheit durch die Unterstützung verschiedener technologischer Ansätze gefördert werden, insbesondere unter Einbeziehung von E-Fuels, Wasserstoff und nachhaltigen Biokraftstoffen.

Diese Forderungen wurden von der CSU in ihrer „Bayern-Agenda“ ebenfalls bekräftigt (Deutschland wieder in Ordnung bringen: Unsere Bayern-Agenda zur Bundestagswahl 2025, S. 7).

Die SPD legt dagegen besonderen Wert auf eine starke Förderung der Elektromobilität als priorisierte nachhaltige Lösung für die Zukunft der Automobilbranche. Sie betrachtet Verbrenner die mit E-Fuels betrieben werden in der Automobilindustrie nur als Nischenprodukt für Spitzenverdiener und sieht den Einsatz von E-Fuels vor allem im Luftverkehr und in der Schifffahrt als zentral an. Die grundsätzlichen EU-Ziele sollen beibehalten werden, jedoch sollen aktuelle Strafzahlungen im Rahmen der EU-Flottengrenzwerte verhindert werden (Mehr für Dich. Besser für Deutschland.: Regierungsprogramm der SPD für die Bundestagswahl 2025, S. 7, 36 f.).

Fasst man diese Positionen zusammen, zeigen sich Unterschiede in der Bewertung des „Verbrenner-Verbots“. Zunächst kann ein etwaiges „Ende“ des „Verbrenner-Verbots“ unterschiedlich interpretiert werden. Während die einen darunter die Abschaffung sämtlicher zukünftigen Einschränkungen für Verbrennungsmotoren verstehen, könnten andere darunter lediglich Ausnahmeregelungen für E-Fuels meinen. Die Position der CDU/CSU ist diesbezüglich nicht eindeutig, wenn sie postuliert, „[d]as Verbrenner-Verbot muss rückgängig gemacht werden“.

Ein generelles Ende der Einschränkungen für Verbrennungsmotoren, die mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden, dürfte mit der Position der SPD schwer vereinbar sein. Die SPD steht schon Ausnahmen für E-Fuels kritisch gegenüber. Hier könnte jedoch möglicherweise ein Kompromiss gefunden werden. Einfacher dürfte dagegen eine Einigung hinsichtlich der Abschaffung oder zumindest der Flexibilisierung der Flottengrenzwerte bzw. der Strafzahlungen sein, da dies in unterschiedlicher Intensität von allen beteiligten Parteien gefordert wird. Dabei liegt der Fokus jedoch vor allem auf den nächsten Jahren und nicht auf dem langfristigen Zeitraum um 2035.

Festzuhalten bleibt jedoch, dass es sich hierbei lediglich um die zukünftige Position einer neuen deutschen Regierung handelt. Regulatorisch sind die Flottengrenzwerte im auf europäischem Sekundärrecht verankert, auf das die deutsche Regierung nur einen begrenzten Einfluss hat. Entscheidend ist der Willensbildungsprozess auf EU-Ebene.

C. Rechtliche und politische Entwicklungen auf EU-Ebene

Ausgangspunkt einer Änderung des Sekundärrechts ist die Europäische Kommission, da diese als einziges EU-Organ nach Art. 294 Abs. 2 AEUV ein Initiativrecht im Gesetzgebungsverfahren hat. Erst danach schließt sich der Willensbildungsprozess innerhalb beiden europäischen Gesetzgebungsorgane, dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union an.

In den Diskussionen über eine Flexibilisierung der Flottengrenzwerte hatte die Europäische Kommission bisher ablehnend reagiert und mehrfach einen Aufschub der Klimaziele abgelehnt. Am 03.03.2025 hat indes Kommissionpräsidentin von der Leyen angekündigt, dass man den Herstellern mehr Flexibilität bei der Erfüllung der Flottenziele einräumen wolle (siehe das Pressestatement vom 03.03.2025). Das betrifft zunächst offenbar „nur“ die – ebenfalls strengen – Flottenziele ab 2025; die Kommission will hier einen Vorschlag zur Änderung der VO 2019/631 einbringen, demnach die Ziele zwar insgesamt gleichbleiben, aber nicht mehr jährlich, sondern – nach dem Prinzip „banking and borrowing“ – kumuliert alle drei Jahre zu erfüllen sind. Die konkrete Ausgestaltung bleibt abzuwarten.

Gleichzeitig hat die Kommissionspräsidentin angekündigt, dass auch die Strategie für 2025 überprüft werden solle, wobei „die vollständige Technologieneutralität ein Kernprinzip sein“ werde. Damit sind namentlich E-Fuels angesprochen: Bereits mit Einführung des CO2-Flottengrenzwerts von null durch die VO 2023/851 hatte man sich politisch darauf geeinigt, auch E-Fuels zu ermöglichen. Die rechtliche Grundlage hierfür muss aber noch geschaffen werden. So blieb es zunächst dabei, dass in Erwägungsgrund 11 der VO 2023/851 die Europäische Kommission aufgefordert wurde, außerhalb des Geltungsbereichs der Flottenzielwerte und im Einklang mit dem Ziel der Klimaneutralität der EU, einen Vorschlag für die Zulassung von Fahrzeugen vorzulegen, die ab 2035 ausschließlich mit CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben werden – das richtet sich namentlich auf die Zulassung von Pkw, die mit E-Fuels betrieben werden.

Die rechtliche Konstruktion, wie Pkw mit E-Fuels zukünftig im regulatorischen Rahmen zugelassen werden könnten, ist aber weiterhin offen. Während Erwägungsgrund 11 der VO 2023/851 eine Regelung außerhalb der VO 2019/631 vorsieht, wurde politisch – insbesondere auch vom deutschen BMDV – eine Regelung innerhalb der VO 2019/631 gefordert. Technisch wird dabei unter anderem über die Einfärbung von synthetischen Kraftstoffen und/oder über Abschaltvorrichtungen in Pkw mit Verbrennungsmotoren diskutiert. Die Präsidentin der Europäische Kommission hat in Hinblick auf die Regelung zu E-Fuels auch auf die in Art. 15 VO 2019/631 regulär vorgesehene Überprüfung der Verordnung im Jahr 2026 verwiesen (vgl. Europa hat die Wahl: Politische Leitlinien für die nächste Kommission 2024-2029, S. 11).

Darüber hinaus deuten sich für die Automobilindustrie spannende neue Entwicklungen an, die derzeit noch nicht eindeutig abzusehen sind. So hat die EU-Kommission am 30.01.2025 einen „Strategic Dialogue on the Future of the European Automotive Industry“ gestartet, an dem die europäische Automobilindustrie, die Sozialpartner und andere Stakeholder beteiligt sind. Am 05. März 2025 soll im Rahmen des Green Industrial Deal ein erster „Action Plan“ für die Automobilindustrie veröffentlicht werden. Die genauen Inhalte sind bisher nicht bekannt. Hieraus könnten sich auch Auswirkungen auf die Zulassung von E-Fuels sowie auf die Flexibilisierung der Flottengrenzwerte und der Strafzahlungen ergeben.

D. Ausblick

Die künftige Position Deutschlands und der EU sowie die folgenden rechtlichen Entwicklungen hinsichtlich der Regelungen im Kontext „CO2-Flottenziele“ ist derzeit noch mit einigen Fragezeichen versehen. Im Ausgangspunkt dürfte eine kommenden Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD sich zumindest darin einig sein, dass man eine Flexibilisierung der Flottenziele auf EU-Ebene vorantreiben will. Ob und wie die EU-Gesetzgebungsorgane – insbesondere die initiativberechtigte EU-Kommission – handeln werden ist gerade mit Blick auf die nicht gleichläufigen Interessen innerhalb der Automobilindustrie und der Mitgliedstaaten offen. Ein endgültiges Aus der EU-Klimaziele und eine Aufhebung der generellen Unzulässigkeit der Neuzulassung nicht klimaneutraler Pkw ab 2035 erscheint politisch hingegen sowohl auf deutscher als auch vor allem auf europäischer Ebene kaum vorstellbar.

Jedenfalls im Hinblick auf E-Fuels steht auf europäischer Ebene ein Verordnungsvorschlag zur Zulassung aus, wobei noch unklar ist, wie dies technisch umgesetzt werden soll und ob eine Neuregelung – wie es inzwischen naheliegen dürfte – im Rahmen der VO 2019/631 ergehen wird. Die Position der neuen deutschen Bundesregierung zu diesem Thema ist noch nicht eindeutig abzusehen.

Mit Spannung wird man insbesondere den für den 5. März angekündigte „Action Plan“ der Kommission abwarten müssen. Wir werden diese hochaktuellen Entwicklungen für Sie natürlich weiter verfolgen und dazu berichten.

 

Dieser Artikel erscheint im Rahmen unserer Bundestagswahl Insights. Alle Bundestagswahl Insights und mehr Informationen zur Bundestagswahl und deren Auswirkungen auf Industrie und Wirtschaft finden Sie auf unserem Election Hub (hier).