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Eignungs­leihe im Vergabe­verfahren: Unter­nehmen können Netto­umsätze zum Nachweis ihrer wirt­schaft­lichen und finanziellen Leistungs­fähigkeit addieren

28.11.2024

Am 27.11.2024 hat das Bundeskabinett das Vergabetransformationspaket auf den Weg gebracht – ob es auch im Bundestag die nötige Mehrheit findet, ist jedoch angesichts des Bruchs der Ampelkoalition völlig offen. Grund genug, sich einem vergaberechtlichen “Dauerbrenner“ zuzuwenden:

Die Erfüllung von Eignungskriterien kann interessierte Unternehmen vor einige Herausforderungen stellen. Um der Realität einer arbeitsteiligen unternehmerischen Landschaft Rechnung zu tragen, die gerade nicht von einigen wenigen, großen Allroundern, sondern von zahlreichen spezialisierten Unternehmen unterschiedlicher Größe geprägt ist, sieht das Vergaberecht das Instrument der Eignungsleihe vor. Dieses ermöglicht es, sich unter bestimmten Voraussetzungen (fachliche oder finanzielle) Kapazitäten von einem anderen Unternehmen zu „leihen“ und damit die vergaberechtlichen Hürden hinsichtlich der Eignung zu überwinden.

Im Detail sind dabei viele Fragen noch ungeklärt. Nicht eindeutig durch die Nachprüfungsinstanzen geklärt ist zum Beispiel die Frage, ob zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit geforderte Umsätze von Bietern und Eignungsgebern addiert werden können. Dieser Beitrag zeichnet die unterschiedlichen Konstellationen nach und ordnet sie unter vergaberechtlichen Gesichtspunkten ein.

I. Das Prinzip der Eignungsleihe

Die Eignungsleihe ist sowohl in der Vergabeverordnung (VgV) als auch in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) sowie in der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) vorgesehen. So regelt beispielsweise § 47 Abs. 1 Satz 1 VgV, dass ein Bewerber oder Bieter für einen öffentlichen Auftrag im Hinblick auf die erforderliche wirtschaftliche und finanzielle sowie die technische und berufliche Leistungsfähigkeit die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch nehmen kann, wenn er nachweist, dass ihm die für den Auftrag erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen werden. Dies kann beispielsweise durch Vorlage einer entsprechenden Verpflichtungserklärung dieser Unternehmen erfolgen. § 47 Abs. 1 Satz 2 VgV stellt klar, dass die Möglichkeit der Eignungsleihe unabhängig von der Rechtsnatur der zwischen dem Bewerber oder Bieter und den anderen Unternehmen bestehenden Verbindungen existiert. Lediglich für die berufliche Leistungsfähigkeit trifft § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV die Einschränkung, dass für eine erfolgreiche Eignungsleihe das entsprechende Unternehmen die Leistungen erbringen muss, für die diese Kapazitäten benötigt werden.

Nicht selten sehen sich Unternehmen bei für sie grundsätzlich in Frage kommenden Ausschreibungen im Rahmen der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit mit einem bestimmten Mindestumsatz konfrontiert, der ihren bislang erzielten Umsatz übersteigt. Fraglich ist, inwieweit sich Unternehmen in einem solchen Fall auf die Leistungsfähigkeit anderer Unternehmen berufen können. Die Frage stellt sich insbesondere dann, wenn auch das verleihende Unternehmen den Mindestumsatz nicht erreicht, sondern erst Bieter und Verleiher gemeinsam diese Schwelle überwinden.

1. Addition der Umsätze von Bewerber- und Bietergemeinschaften

Von der Eignungsleihe zu unterscheiden ist zunächst die Bewerber- oder Bietergemeinschaft. In einer solchen Gemeinschaft geben mehrere Unternehmen gemeinsam ein Angebot ab und erhalten im Erfolgsfall auch gemeinsam den Zuschlag. In diesem Fall werden die gemeinsam auftretenden Unternehmen zusammen verpflichtet, es steht also von vornherein fest, dass die ausgeschriebene Leistung unter Heranziehung sämtlicher Kapazitäten aller beteiligten Unternehmen erbracht werden wird. In dieser Konstellation gibt es keinen Grund, der gegen eine Addition der Umsätze spricht, und zwar unabhängig davon, ob eines der beteiligten Unternehmen allein oder nur alle zusammen den geforderten Mindestumsatz aufweisen. Denn das hinter der Eignungsprüfung stehende Interesse des öffentlichen Auftraggebers, die Leistungsfähigkeit vor Zuschlagserteilung sicherstellen zu können, ist bei Zuschlagserteilung an eine Bewerber- oder Bietergemeinschaft in jedem Fall gewahrt.

2. Umsatzverrechnung bei Eignungsleihe vom Nachunternehmer

Von der Konstellation her unterschiedlich, in der Wertung jedoch nicht anders stellt es sich im Fall der reinen Eignungsleihe dar, also dem Fall, dass der Bewerber oder Bieter nur die ihm zur Verfügung stehenden Mittel durch entsprechende Verpflichtungserklärung eines anderen Unternehmens nachweist. Für eine parallele Wertung spricht, dass beispielsweise auch bei den Referenzen im Rahmen der Prüfung der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit eine Addition zwischen Bewerber und Eignungsverleiher möglich ist. Zudem ist es unstreitig möglich, mehrere Eignungsleihen in Bezug auf unterschiedliche Kapazitäten (wirtschaftlich, technisch etc.) heranzuziehen, um insgesamt über die Eignungsschwelle zu gelangen. Da aber auch hier für das Erreichen der Gesamteignung eine Addition zwischen den Eignungsverleihern und dem Bieter erforderlich ist, muss dies erst recht für die Addition nur der Umsätze mehrerer Unternehmen gelten.

Für die Addition spricht zudem insbesondere, dass der Auftraggeber vom Eignungsgeber für die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit verlangen kann, eine gesamtschuldnerische Haftung mit dem Bieter einzugehen (§ 47 Abs. 3 VgV). Diese in der Praxis praktisch immer genutzte Option rückt den Eignungsgeber insoweit in die Nähe eines Mitglieds einer Bietergemeinschaft.

Anhaltspunkte für diese Lesart bietet auch ein Beschluss des OLG München vom 15.03.2012 (Az. Verg 2/12, dort Rn. 63), wonach sich Unternehmen zwar nicht ohne weiteres auf den Umsatz von Drittunternehmen berufen dürfen, dies aber jedenfalls dann möglich sein kann, wenn das Unternehmen als Nachunternehmer angegeben und entsprechende Eignungsnachweise vorgelegt werden. Zwar folgt aus der Eignungsleihe für die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit nicht notwendigerweise der Einsatz als Unterauftragnehmer (wie bei der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit). Der Grundsatz, den das OLG aufstellt, lässt sich allerdings übertragen: Umsätze von bloß konzernverbundenen Unternehmen könnten nicht schlechthin hinzugerechnet werden, vielmehr müsse für die Vergabestelle ersichtlich sein, dass auf Ressourcen Dritter zurückgegriffen werden soll. Dieser Anforderung wird Rechnung getragen, wenn sich der Bewerber ausdrücklich auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit seines Eignungsgebers beruft. Auch in diesem Fall ist das Interesse des öffentlichen Auftraggebers an der Sicherheit, dass der Bieter das Volumen des Auftrags (wenn auch erst gemeinsam mit dem Eignungsverleiher) zu bewältigen in der Lage ist, gewahrt.

II. Fazit und Ausblick

Insgesamt sprechen gute Argumente für die Zulässigkeit einer weitreichenden Addition von Umsätzen anderer Unternehmen, und zwar sowohl im Fall der Bewerber- und Bietergemeinschaft als auch bei der klassischen Eignungsleihe und unabhängig davon, ob eines der Unternehmen allein oder erst unter Hinzurechnung des Umsatzes des/der anderen Unternehmen(s) die entsprechende Schwelle überschreitet.

Betroffene Unternehmen sollten sich daher nicht von hohen Umsatzschwellen abschrecken lassen, sondern entlang ihrer Kooperationen mit Nachunternehmern prüfen, ob sich das Kriterium der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit gemeinsam erfüllen lässt. Im Falle der Nichtzulassung lässt sich die Rechtswidrigkeit des Ausschlusses mithilfe juristischer Beratung gut argumentieren.