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Europäische Rahmen­verordnung zu ausländischen Direkt­investitionen in Kraft – Ausländische Investoren müssen sich auf weitere Verzögerungen bei Prüf­verfahren einstellen

11.04.2019

Am 11. April 2019, tritt die Verordnung (EU) 2019/452 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2019 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union in Kraft. Sie wird allerdings erst ab dem 11. Oktober 2020 gelten. Für die Rechtsform der Verordnung ungewöhnlich, gibt sie lediglich einen rechtlichen Rahmen vor, der von den Mitgliedstaaten auszufüllen ist. Die Entscheidung darüber, ob ein Überprüfungsmechanismus eingerichtet oder eine bestimmte ausländische Direktinvestition überprüft wird, soll dabei weiterhin in die alleinige Verantwortung der Mitgliedstaaten fallen. Die Verordnung enthält im Wesentlichen vier Elemente, die für die Kontrolle von Direktinvestitionen aus Drittstaaten von Bedeutung sind.

Erstens enthält Art. 3 primär rechtsstaatliche Vorgaben für die Ausgestaltung des Überprüfungsmechanismus für Direktinvestitionen aus Drittstaaten aus Gründen der Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung (Transparenz, Festsetzung eines Zeitrahmens für die Überprüfungen, Vertraulichkeit von Informationen, Möglichkeit des Rechtsschutzes). Art. 4 listet diejenigen Faktoren auf, die von den Mitgliedstaaten oder der Europäischen Kommission im Rahmen des Überprüfungsverfahrens berücksichtigt werden dürfen. Diese stimmen im Wesentlich mit den nach § 55 Abs. 1 AWV zu beachtenden Kriterien überein. Interessant ist, dass industrie- und arbeitsmarktpolitische Gründe – anders als zunächst diskutiert – nicht aufgenommen wurden.

Zweitens sieht Art. 5 eine jährliche Berichterstattung der Mitgliedstaaten gegenüber der Europäischen Kommission über die in ihrem Hoheitsgebiet getätigten ausländischen Direktinvestitionen vor. Die Mitgliedsstaaten sind auch berichtspflichtig über die Anwendung ihrer Überprüfungsmechanismen. Diese Verpflichtung könnte durchaus eine disziplinierende Wirkung zur Folge haben.

Art. 6 und 7 enthalten drittens Vorgaben für einen Kooperationsmechanismus zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission. Dieser Kooperationsmechanismus kann als Herzstück der Verordnung bezeichnet werden. Art. 6 regelt den Kooperationsmechanismus im Zusammenhang mit ausländischen Direktinvestitionen, die einer Überprüfung unterzogen werden. Art. 7 enthält demgegenüber Vorgaben für den Kooperationsmechanismus im Zusammenhang mit ausländischen Direktinvestitionen, die keiner Überprüfung unterzogen werden. In beiden Fällen scheibt die Verordnung vor, dass die Europäische Kommission oder andere Mitgliedstaaten Kommentare oder Stellungnahmen abgeben können, die der Mitgliedstaat, der die Überprüfung durchführt, „in angemessener Weise“ (Art. 6 Abs. 6 bzw. Art. 7 Abs. 7) berücksichtigen muss. Art. 6 Abs. 1 enthält eine umfassende Informationspflicht seitens des prüfenden Staates gegenüber der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten. Hierauf verzichtet Art. 7 im Fall von ausländischen Direktinvestitionen, die keiner Überprüfung unterzogen werden. Die Vorschrift verschafft der Europäischen Kommission und den übrigen Mitgliedstaaten (lediglich) ein gewissermaßen initiatives Stellungnahmerecht. Sowohl Art. 6 Abs. 6 und  7 als auch Art. 7 Abs. 6 sehen bestimmte Fristen für den Kooperationsmechanismus vor. Stellungnahmen sind spätestens innerhalb von 35 Kalendertagen nach Eingang der maßgeblichen Informationen abzugeben, im Fall von Art. 6 ist dem eine Frist 15 Tagen vorgeschaltet, innerhalb deren die Europäische Kommission bzw. die Mitgliedstaaten mitteilen müssen, ob sie Kommentare oder Stellungnahmen abgeben.

Als viertes wesentlichen Element enthält Art. 8 Vorgaben für Projekte oder Programm von Unionsinteresse, die im Anhang der Verordnung aufgelistet sind (zum Beispiel die europäischen GNSS-Programm). In diesem Fall kommt der Europäische Kommission ein Recht zur Stellungnahme zu.

Die Verordnung wird sich voraussichtlich in zweierlei Hinsicht auf die Praxis der Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen auswirken. Zum einen wird die Pflicht zur Weitergabe von Informationen über geplante oder bereits durchgeführte Investitionen – insbesondere im Fall von Art. 6, also bei ausländischen Direktinvestitionen, die einer Überprüfung unterzogen werden – an die Europäische Kommission und alle übrigen Mitgliedstaaten das Risiko der Preisgabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen erheblich erhöhen. Dies dürfte in besonderem Maße gelten, wenn eine Investition Schlüsselindustrien in einem anderen Mitgliedstaaten betreffen. Zum anderen wird der vorgesehene Kooperationsmechanismus aller Voraussicht nach dazu führen, dass Investitionsprüfungen in Zukunft länger dauern als heute. Insbesondere wird es den zuständigen nationalen Behörden nicht mehr ohne weiteres möglich sein, auf die in Kaufverträgen oftmals vorgesehene Befristung der Vollzugsbedingung (closing condition) oder auf ein Long-Stop-Date Rücksicht zu nehmen, wonach eine Unbedenklichkeitsbescheinigung innerhalb einer bestimmten Frist vorliegen muss. Dies gilt es zukünftig bei der Formulierung entsprechender Klauseln zu berücksichtigen.

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