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Finanzierungsguide-Coronavirus

21.07.2020

1. Hintergrund

Nach wie vor sind die Auswirkungen des Coronavirus (Covid-19) in Form von Umsatzeinbußen in vielen Branchen spürbar. Es stellt sich für viele Unternehmen weiterhin die Frage, was unter ihren bestehenden Finanzierungsverträgen zu beachten ist und welche staatlich geförderten Mittel (Finanzhilfen) zur Verfügung stehen, um einen kurzfristigen Finanzierungsbedarf zu decken.

2. Rechtliche Auswirkungen auf bestehende Finanzierungen

Auf die Covid-19-Epidemie bzw. die daraus resultierenden Folgen zugeschnittene Vertragsregelungen, finden sich im Wesentlichen bei Kreditverträgen, die im Rahmen des KfW-Sonderprogramms 2020 abgeschlossen werden.

Sofern abzusehen ist, dass die Covid-19-Epidemie das operative Geschäft eines Kreditnehmers negativ beeinflussen könnte, sollten Kreditnehmer bestehende Finanzierungsvereinbarungen insbesondere hinsichtlich der Regelungen zur Einhaltung von Finanzkennzahlen (Financial Covenants) und auf mögliche vertragliche Kündigungsrechte (z.B. Sonderkündigungsrechte aus wichtigem Grund / Material Adverse Change) oder gesetzliche Kündigungsrechte (wegen Verschlechterung der Vermögenslage bzw. aus wichtigem Grund) untersuchen.

2.1 Financial Covenants

Die Auswirkungen von Disruptionen in der Supply Chain können zu Umsatzeinbrüchen wegen sinkender Produktionszahlen und damit zur Verfehlung des geplanten Unternehmensergebnisses führen. Die Verfehlung des geplanten Unternehmensergebnisses kann wiederrum den Bruch einer vereinbarten Finanzkennzahl nach sich ziehen, was regelmäßig zu weiteren Konsequenzen führt (z.B. Entstehen eines Kündigungsrechts, Erhöhung der Verzinsung, Wegfall von Ziehungsrechten). Die Heilung eines solchen Vertragsbruches erfolgt üblicherweise über die Beantragung einer Verzichtserklärung (sog. Waiver Letter), damit der Finanzierer auf die Geltendmachung von Sanktionsmöglichkeiten verzichtet. Verzichtserklärungen oder damit einhergehende Vertragsanpassungen sind oft nur gegen Zahlung einer Gebühr oder Risikoprämie zu erlangen.

2.2 Material Adverse Effect / Material Adverse Change (MAC)

Konsortialkreditverträge berechtigen die Kreditgeber üblicherweise zur Kündigung für den Fall des Eintritts eines Umstandes, der zu einer wesentlich nachteiligen Veränderung der Geschäftstätigkeit, der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage oder die Ertragsaussichten eines Kreditnehmers geführt hat oder voraussichtlich führen wird (sog. Material Adverse Effect oder Material Adverse Change (MAC)). Entsprechende Regelungen können sich auch in bilateralen Kreditvereinbarungen finden.Ob auf der Covid-19-Epidemie beruhende Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit oder die Ertragslage die Rechtsfolgen eines MAC auslösen können, hängt von den konkreten Umständen und der konkret vereinbarten MAC-Regelung ab. Maßgeblich ist dabei auch, ob nach der konkreten Klausel die Verschlechterung bereits eingetreten sein muss, oder nur droht. Selbst wenn dem Wortlaut der MAC-Regelung zufolge der Kreditgeber wegen künftig zu erwartender Entwicklungen kündigen kann, ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob diese Prognose mit hinreichender Sicherheit hält, oder ob die Kündigung (bzw. das Sistieren einer Kreditlinie als „minus“ zur Kündigung) als im Ergebnis unzulässig zu erachten ist, weil sich die erwarteten Verschlechterungen als kurzfristig und im Ergebnis nicht wesentlich herausstellen.

Gegen ein Kündigungsrecht kann im Einzelfall sprechen, wenn die vereinbarten Finanzkennzahlen noch nicht gebrochen wurden. Das kann dafür sprechen, dass gerade noch keine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse eingetreten ist. Der Geschäftsführung bzw. den Personen, die Kreditabrufe tätigen, ist zu raten, die mit einem Auszahlungsgesuch verbundenen Zusicherungen genau auf Richtigkeit zu prüfen, um etwaige Risiken aufgrund unrichtiger Erklärungen zu vermeiden.

2.3 Kündigungsrecht des Kreditgebers wegen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse

Außerhalb von Mezzanine-Finanzierungen ist die Anwendbarkeit von § 490 BGB bei Kreditverträgen nach deutschem Recht in der Regel vertraglich nicht ausgeschlossen. Nach § 490 BGB hat der Kreditgeber dann ein Recht zur außerordentlichen Kündigung, wenn in den Vermögensverhältnissen des Kreditnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückzahlung des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet wird. Ähnliche Regelungen finden sich auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vieler Kreditinstitute. Wirken sich die Folgen der Covid-19-Epidemie beim Kreditnehmer dahingehend aus, dass dessen Vermögensverhältnisse oder Sicherheiten sich drastisch verschlechtern (z.B. weil er in hohem Maße Umsatzeinbrüche durch Produktionseinschränkungen mangels Warenlieferungen, Werksschließungen o.ä. nicht abfedern kann), kann dem Kreditgeber ein Kündigungsrecht nach § 490 BGB oder aufgrund einbezogener Allgemeiner Geschäftsbedingungen zustehen. Die Tatsache, dass dies durch einen außerhalb des Einflussbereichs des Kreditnehmers liegendes Force Majeure Ereignis verursacht wurde, führt nicht zu einer Einschränkung dieses Kündigungsrechts (auch nicht in Form eines Rücksichtnahmegebots).

2.4 Inhaberschuldverschreibungen

Gläubigern von Inhaberschuldverschreibungen (Inhaberanleihen) kann ein Kündigungsrecht wegen Vermögensverschlechterung des Emittenten zustehen, soweit die Anleihebedingungen dies vorsehen bzw. Financial Covenants enthalten, bei deren Bruch die Anleihegläubiger zur Kündigung berechtigt sind. Bei Ausübung von in den Anleihebedingungen geregelten Kündigungsrechten ist allerdings zu beachten, dass selbst bei einer wirksam erklärten Kündigung der Anleihe spätere Mehrheitsbeschlüsse einer Gläubigerversammlung nach § 5 SchVG, durch die das Kündigungsrecht aufgehoben wird, für den betreffenden Inhaber der Schuldverschreibung verbindlich sind, falls in der Zwischenzeit noch keine Rückzahlung erfolgt ist. Infolge der Kündigung wird die in der Schuldverschreibung verbriefte Forderung nur fällig, was die Anwendbarkeit des SchVG nicht tangiert; Inhalt und Umfang der Forderung bleiben durch die Kündigung unberührt (BGH, Urteil vom 8.12.2015 – XI ZR 488/14).

Sehen die Anleihebedingungen kein ausdrückliches Kündigungsrecht vor, können Anleihegläubiger zwar nicht nach § 490 BGB kündigen. Dieses gesetzliche Kündigungsrecht für den Fall einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers ist auf Inhaberschuldverschreibungen nicht anwendbar. Eine Kündigung kann jedoch aus wichtigem Grund unter den Voraussetzungen des § 314 BGB gegeben sein, da diese Regelung für alle Dauerschuldverhältnisse gilt. Allerdings ist die Kündigungsmöglichkeit nach § 314 BGB gegenüber der Kündigungsmöglichkeit eines Kreditgebers nach § 490 BGB eingeschränkt: Erforderlich für eine Kündigung durch den Anleihegläubiger gem. § 314 BGB ist nach der Rechtsprechung, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann. Dies ist dem BGH zufolge im Allgemeinen nur dann anzunehmen, wenn die Gründe, auf die die Kündigung gestützt wird, im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen. Wird der Kündigungsgrund hingegen aus Vorgängen hergeleitet, die dem Einfluss des Kündigungsgegners entzogen sind und aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden herrühren, rechtfertigt dies nur in Ausnahmefällen die fristlose Kündigung (BGH, Urteil vom 31.05.2016 – XI ZR 370/15). Inwieweit die zur Vermögensverschlechterung führenden Folgen eines Coronavirus-Ausbruchs zur Sphäre des Anleiheschuldners zählen, ist nicht pauschal zu beantworten und wird möglicherweise auch davon abhängen, inwieweit die Folgen durch den Anleiheschuldner hätten positiv beeinflusst werden können. Jedenfalls aber können Anleihegläubiger wegen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Anleiheschuldnerin nicht nach § 314 BGB kündigen, wenn die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung bereits Sanierungsbemühungen nach dem Schuldverschreibungsgesetz beabsichtigt und zeitnah entfaltet hat (BGH, Urteil vom 31.05.2016 – XI ZR 370/15).

Darüber hinaus müssen kapitalmarktorientierte Unternehmen in jedem Fall ihre insiderrechtlichen Verpflichtungen beachten, sobald Probleme auf der Finanzierungseite auftreten, die für ihre börsennotierten Kapitalmarktinstrumente – Aktien oder Anleihen – kursrelevant sein können (siehe dazu unseren Beitrag zur Corona-Krise am Kapitalmarkt).

2.5 Bankarbeitstage/Business Days

Finanzierungsverträge beziehen Fristläufe in der Regel auf besonders definierte Bankarbeitstage (Business Days), welche nur solche Tage erfassen, an welchen Banken in einem bestimmten geografischen Bereich tatsächlich geöffnet sind. Sofern es durch die Covid-19-Epidemie zu vorübergehenden Schließungen von betroffenen Banken aufgrund hoheitlicher Anordnung kommt, kann dies zu einer Verschiebung bei den entsprechenden Fristen führen.

2.6 Rechtliche Auswirkungen auf Finanzierungszusagen

Finanzierungszusagen werden von Kreditgebern gerne unter den Vorbehalt eines (MAC) gestellt. Jeder (zukünftige) Kreditnehmer, der eine Finanzierungszusage erhalten hat, sollte prüfen, ob diese Zusage vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Covid-19-Epidemie noch aufrechterhalten wird oder ggfs. entfällt.

Ob die Covid-19-Epidemie einen MAC auslösen kann, hängt von den konkreten Umständen und der konkret vereinbarten MAC-Regelung ab. Nachdem die Covid-19-Epidemie aber überraschend aufgetreten ist, ist es zum jetzigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich, dass ein MAC unter einer bereits verhandelten Finanzierungszusage darauf Bezug nimmt. Bislang übliche Formulierungen zum MAC stellten auf Bonität, Geschäft und das vorhandene Vermögen des (zukünftigen) Kreditnehmers sowie dessen Fähigkeit, seine Verpflichtungen unter dem Kreditvertrag pflichtgemäß nachzukommen. Zusätzlich sehen übliche MAC-Klauseln vor, dass ein MAC dann eintritt, wenn auf den internationalen bzw. nationalen Syndizierungsmärkten für Unternehmenskredite Ereignisse auftreten, die diese Märkte stören bzw. negativ beeinträchtigen. Ob die Corona-Epidemie als ein solches Ereignis angesehen werden kann, ist derzeit (noch) fraglich.

3. Finanzhilfen

Zur Abmilderung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie für Unternehmen, sind zahlreiche Finanzhilfen neu aufgelegt bzw. erweitert und mittlerweile weitgehend umgesetzt worden (ausführliche Informationen zum Thema Finanzhilfen Covid-19 finden Sie hier).

Nachfolgend im Überblick:

KfW-Sonderprogramm 2020

  • KfW-Unternehmerkredit
  • ERP-Gründerkredit 
  • Direktbeteiligung für Konsortialfinanzierung
  • KfW-Schnellkredit 2020 

Bürgschaftsprogramme

  • Bürgschaften der Bürgschaftsbanken auf Landesebene
  • Parallele Bund-Landes-Bürgschaften

Corona-Soforthilfe

  • Corona-Soforthilfe des Bundes für kleine Unternehmen, Soloselbständige, Freiberufler und Landwirte in Form von Liquiditätszuschüssen
  • Corona-Soforthilfe auf Länderebene für kleine Unternehmen (z.T. auch Unternehmen bis zu 250), Soloselbständige, Freiberufler und Landwirte

Schutzschirm für Lieferantenkredite

  • Garantie für Entschädigungszahlungen der Kreditversicherer bis zu EUR 30 Mrd

Stabilisierungsfonds auf Länderebene

  • Einige Bundesländer (z.B. Freistaat Bayern, Freistaat Sachsen) planen Stabilisierungsfonds um auf Landesebene die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie abzufedern

Start-ups

  • EUR 2 Mrd.-Maßnahmenpaket zur Förderung von Start-ups und jungen Unternehmen (weiterführende Informationen zu den staatlichen Fördermaßnahmen für Start-ups finden Sie hier)

Überbrückungshilfen für den Mittelstand

  • Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Unternehmen von monatlich bis zu EUR 50.000 maximal über 3 Monate (Maximalbetrag EUR 150.000)

Wirtschaftsstabilisierungsfond

  • Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds („WSF“), welcher Garantien übernehmen, Kredite aufnehmen sowie auch Eigenkapitalbeteiligungen eingehen können soll (weiterführende Informationen zum WSF finden Sie hier). Der WSF wurde am 08.07.2020 von der EU-Kommission genehmigt. Unterstützungsmaßnahmen aus dem WSF können bereits über PwC hier beantragt werden.

Konjunkturpaket der Bundesregierung

  • Konjunkturpaket mit einem Volumen von EUR 130 Mrd., welches neben dem Programm für Überbrückungshilfen unter anderem die Absenkung von Mehrwertsteuer, die Stärkung von Kommunen, Entlastungen bei Stromkosten, Kinderbonus für Familien und die Forschungsförderung von Zukunftstechnologien vorsieht

Europäisches Aufbauprogramm

  • Auf EU-Ebene haben die europäischen Staats- und Regierungschefs sich am 21.07.2020 auf ein von der EU-Kommission vorgeschlagenes umfassendes Aufbauprogramm namens Next Generation EU in Höge von insgesamt EUR 750 Mrd. für die wirtschaftliche Erholung Europas nach der Corona-Krise geeinigt


4. Praktische Empfehlung

Sollte für Unternehmen absehbar sein, dass sie von den durch den Coronavirus ausgelösten Entwicklungen wirtschaftlich selbst betroffen sein werden, ist es in der Regel ratsam, frühzeitig in eine offene Kommunikation mit den bestehenden Finanzierern einzutreten und Transparenz zu schaffen sowohl über die zu erwartende wirtschaftliche Lage des Unternehmens als auch über die vom Unternehmen geplanten Maßnahmen. Eine offene Kommunikation stärkt im Regelfall das Vertrauen der Finanzierer in das Krisenmanagement des Unternehmens. Auch bedarf es für die Inanspruchnahme von Unterstützungsinstrumenten des Bundes und der Länder im Regelfall einer Geschäftsbank. Zur Vermeidung von zeitlichen Engpässen bei Eintritt des Bedarfsfalls kann sich anbieten, eine etwaige Inanspruchnahme mit den Geschäftsbanken bereits im Vorfeld vorzubereiten.

Wenn bei einer Finanzierung über Inhaberschuldverschreibungen Kündigungsrechte der Anleihegläubiger bestehen, sollte rechtzeitig über eine Anleiherestrukturierung nachgedacht werden. Vor dem Hintergrund der Einberufungsfristen und Mehrheitserfordernisse einer Gläubigerversammlung ist mit einem zeitaufwendigen Verfahren zu rechnen.