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Schritt für Schritt zum neuen Prospekt­recht: Bundes­regierung beschließt Gesetzes­entwurf

08.05.2018

Die Bundesregierung hat am 11. April 2018 den Entwurf eines „Gesetzes zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze“ (Link) verabschiedet. Im Kern sieht der Gesetzesentwurf Änderungen des Wertpapierprospektgesetzes („WpPG“) vor, die am 21. Juli 2018 in Kraft treten sollen. Sie sorgen dafür, dass das WpPG mit den an diesem Tag in Kraft tretenden Vorschriften der Europäischen Prospektverordnung (EU) 2017/1129 (Link) („EU-ProspektVO“) harmonisiert wird. Ferner sollen Spielräume ausgenutzt werden, die den Nationalstaaten nach der EU-ProspektVO zukommen.

Europarechtlicher Hintergrund

Ab dem 21. Juli 2018 sind die Art. 1 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 2 EU-ProspektVO in Deutschland unmittelbar geltendes Recht.

Art. 1 Abs. 3 EU-ProspektVO nimmt öffentliche Angebote von Wertpapieren mit einem Gesamtgegenwert von weniger als EUR 1.000.000 (der über einen Zeitraum von 12 Monaten zu berechnen ist) vom Anwendungsbereich der Verordnung aus.

Nach Art. 3 Abs. 2 EU-ProspektVO sind die Mitgliedstaaten ermächtigt, öffentliche Angebote von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts auszunehmen, sofern sie (i) nicht der Notifizierung gemäß Art. 25 EU-ProspektVO unterliegen und (ii) ihr Gesamtgegenwert in der Union EUR 8.000.000 (berechnet über einen Zeitraum von 12 Monaten) nicht überschreitet.

Wesentliche Regelungen des Gesetzesentwurfes

Die wesentlichen Reglungen des Gesetzentwurfes betreffen die Umgestaltung der schwellenwertbezogenen Ausnahmen von der Prospektpflicht und die Einführung eines sog. Wertpapier-Informationsblattes.

Neugestaltung der Schwellenwerte für prospektfreie Angebote

Bislang sind öffentliche Angebote mit einem Verkaufspreis von weniger als EUR 100.000 von der Prospektpflicht ausgenommen (§ 3 Abs. 2 Nr. 5 WpPG). Für öffentliche Angebote von CRR-Kreditinstituten und Emittenten, deren Aktien bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, findet das WpPG keine Anwendung, sofern der Verkaufspreis für alle im Europäischen Wirtschaftsraum angebotenen Wertpapiere weniger als EUR 5.000.000 (berechnet über einen Zeitraum von 12 Monaten) beträgt (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG).

Dieses System von Schwellenwerten soll nach Vorstellung der Bundesregierung weiter ausdifferenziert werden. Es soll dabei bleiben, dass öffentliche Angebote bis zu einem Gesamtgegenwert von EUR 100.000 ohne Prospekt und weitere Einschränkungen durchgeführt werden dürfen (§ 3 Abs. 2 Nr. 6, 3a Abs. 1 WpPG (E)). Daneben soll der Schwellenwert von EUR 5.000.000 für öffentliche Angebote von CRR-Kreditinstituten und Emittenten, deren Aktien bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, fortgelten (§ 3 Abs. 2 Nr. 5 WpPG (E)).

Neu eingeführt werden soll im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 EU-ProspektVO ein Schwellenwert von EUR 8.000.000, bis zu dem öffentliche Angebote von Wertpapieren prospektfrei, aber nur nach Erstellung, Billigung und Veröffentlichung eines Wertpapier-Informationsblattes („WpIB“), durchgeführt werden dürfen (§ 3 Abs. 2 Nr. 6 WpPG (E)). Entbehrlich ist das WpIB allerdings, wenn für die angebotenen Wertpapier ein Basisinformationsblatt nach der PRIIP-Verordnung (Link) oder wesentliche Anlegerinformationen gem. § 301 KAGB zu veröffentlichen sind.

Ein weiterer Schwellenwert soll gem. § 3c WpPG (E) bei EUR 1.000.000 liegen. Er betrifft öffentliche Angebote, deren Gesamtgegenwert diese Untergrenze überschreitet und EUR 8.000.000 unterschreitet. Diese Angebote dürfen gegenüber nicht qualifizierten Anleger ausschließlich im Wege der Anlageberatung oder Anlagevermittlung über ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen durchgeführt werden. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss ferner verpflichtet werden, die Einhaltung bestimmter Einzelanlageschwellen für nicht qualifizierte Anleger zu überprüfen. Nach diesen Einzelanlageschwellen sind Wertpapiererwerbe durch nicht qualifizierte Anleger im Umfang von bis zu EUR 1.000 ohne Weiteres zulässig. Darüber hinaus sind Erwerbe durch nicht qualifizierte Anleger für bis zu EUR 10.000 zulässig, wenn der Anleger über Bankguthaben oder Finanzinstrumente im Umfang von mindestens EUR 100.000 verfügt oder der Investitionsbetrag den zweifachen Betrag des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens nicht übersteigt.

Im Einzelnen ergeben sich folgende Schwellenwerte:

EUR 100.000

 

Höchstgrenze für prospektfreie öffentliche Angebote von Wertpapiern ohne WpIB

EUR 1.000.000

 

Höchstgrenze für prospektfreie öffentliche Angebote mit WpIB ohne Verpflichtung zur Durchführung unter Beachtung der Einzelanlageschwellen für nicht qualifizierte Anleger

EUR 5.000.000

 

Höchstgrenze für prospektfreie öffentliche Angebote ohne WpIB für CRR-Kreditinstitute und Emittenten, deren Aktien bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind

EUR 8.000.000

 

Höchstgrenze für prospektfreie öffentliche Angebote mit WpIB

 

Wertpapier-Informationsblatt

Im WpIB sollen die wesentlichen Eigenschaften einer Anlage in die angebotenen Wertpapiere beschrieben werden. Diese Beschreibung wird stark komprimiert sein: Der Umfang eines WpIB darf drei DIN-A4-Seiten nicht überschreiten (§ 3a Abs. 3 Satz 1 WpPG (E)). Allerdings müssen nach § 3a Abs. 4, 5 WpPG (E) bestimmte Hinweise zwingend aufgenommen werden, die für sich genommen mehr als eine halbe DIN-A4-Seite umfassen werden.

Zum Inhalt eines WpIB zählen Beschreibungen des anzubietenden Wertpapiers, des Emittenten sowie der Angebotskonditionen und der geplanten Verwendung des Emissionserlöses. Neben diesen formalen Angaben sind Risiken, die mit dem Wertpapier, dem Emittenten und einem etwaigen Garantiegeber verbunden sind, und die Aussichten für die Kapitalrückzahlung und Erträge unter verschiedenen Marktbedingungen anzugeben.

Vor Veröffentlichung ist ein WpIB von der BaFin zu gestatten (§ 3a Abs. 2 WpPG (E)). Unrichtige oder irreführende WpIBs sowie WpIBs ohne die vorgeschriebenen Warnhinweise sollen – entsprechend der gesetzlichen Regelung zu Wertpapierprospekten – eine gesamtschuldnerische Haftung desjenigen, von dem der Erlass des WpIB ausging, und vom Anbieter begründen (§ 22a WpPG (E)).

Würdigung

Begrüßenswert ist, dass die Bundesregierung – anders als noch im Referentenentwurf vorgesehen – im Rahmen des § 3 Abs. 2 Nr. 6 WpPG (E) den in der EU-ProspektVO festge-legten Höchstbetrag von EUR 8.000.000 voll ausnutzt. Damit wird der neue Schwellenwert bei kleineren Transaktionen zu einer interessanten Alternative für die Gestaltung von prospektfreien Emissionen. Anders als die Schwelle von EUR 5.000.000, die bisher in § 1 Abs. 2 Nr. 4 WpPG geregelt war, findet sie auch bei Emittenten Anwendung, deren Aktien nicht in einem organisierten Markt gehandelt werden. Daher schafft sie insbesondere für Unternehmen in den qualifizierten Freiverkehrssegmenten (z.B. Scale der Frankfurter Wertpapierbörse) mehr Flexibilität.
Zweifelhaft ist hingegen die Einführung des WpIB. Mit dieser Maßnahme wird ein Teil der durch den neuen Schwellenwert geschaffenen Flexibilität wieder zurückgenommen. Aus Sicht der Transaktionspraxis ist insbesondere das vorgesehene Billigungsverfahren kritisch zu sehen. Die diesbezüglichen Regelungen entsprechen denen zum Prospektbilligungsver-fahren. Insbesondere beginnt auch für WpIB die Billigungsfrist für die BaFin erst mit Ein-gang sämtlicher erforderlicher Angaben, Hinweise und Anlagen zu laufen (§ 3a Abs. 2 Satz 4 WpPG (E)). Hier wird die Behörde erhebliche Spielräume haben, was die zeitliche Planung von Transaktionen erschwert. Zu hoffen ist, dass sich angesichts der geringen Menge an Informationen und der kurzen Länge eines WpIB in der Praxis ein deutliche kürzeres Verfahren herausbilden wird.

Die Praxisgruppe Aktien- und Kapitalmarktrecht von Noerr begleitet die Reform des Europäischen Prospektrechts laufend. Eine eingehende Untersuchung der Auswirkungen der EU-ProspektVO auf die Praxis von Aktienemissionen von Dr. Stephan Schulz ist unter dem Titel „Aktienemissionen nach der Europäischen Prospektverordnung“ in WM 2018, 212 ff. erschienen.

Die Informationen in diesem Beitrag sind allgemeiner Art und stellen keine Rechtsberatung im Einzelfall dar. Sie beziehen sich auf die bei der Veröffentlichung geltende Rechtslage und werden nicht regelmäßig aktualisiert.

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