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Union und SPD präsentieren Sondierungs­ergebnisse

Bundestagswahl Insights

11.03.2025

Auf dem Weg zur Koalitionsbildung haben CDU, CSU und SPD die erste Hürde genommen. Nach Abschluss der Sondierungsgespräche sollen ab Donnerstag nun die Koalitionsverhandlungen zwischen den Parteien beginnen. Die in einem gemeinsamen Papier festgehaltenen Sondierungsergebnisse betreffen insbesondere die Fokusthemen Automotive, ESG, Energie und Digitalpolitik. Übergeordnetes Ziel von Union und SPD ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und die Schaffung neuen wirtschaftlichen Wachstums.

I. Erhalt der Automobilindustrie als Leitindustrie

Die Automobilindustrie mit ihren Arbeitsplätzen soll als Leitindustrie erhalten bleiben. In diesem Zusammenhang wollen Union und SPD auf „Technologieoffenheit“ setzen sowie sich aktiv dafür einsetzen, Strafzahlungen aufgrund von Flottengrenzwerten abzuwehren. Gleichzeitig soll die E-Mobilität mit Kaufanreizen gefördert werden. Bei der Bewältigung der Transformation sollen auch die Zulieferer unterstützt werden. Zu letzterem nennt das Sondierungspapier jedoch keine konkreten Maßnahmen.

II. Energie: Stromkosten im Fokus

Im Energiebereich möchten Union und SPD zuvorderst für wettbewerbsfähige Energiekosten sorgen. So soll in einem ersten Schritt die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden und die Übertragungsnetzentgelte halbiert werden. Ziel sind Entlastungen um mindestens fünf Cent pro KWh sowie eine dauerhafte Deckelung der Netzentgelte. Darüber hinaus streben Union und SPD eine Ausweitung der Regelungen der Strompreiskompensation auf weitere energieintensive Branchen an und möchten die Kompensation verlängern. Der Netzausbau soll zügig, zielgerichtet und kosteneffizient vorangetrieben werden.

Insgesamt soll das Energieangebot erhöht werden, um die Stromkosten zu stabilisieren und reduzieren. Reservekraftwerke sollen daher zukünftig nicht nur zur Vermeidung von Versorgungsengpässen, sondern auch zur Stabilisierung des Strompreises zum Einsatz kommen. Durch eine noch zu überarbeitende Kraftwerksstrategie soll bis 2030 der Bau von bis zu 20 GW an Gaskraftwerksleistung angereizt werden. Auch sollen alle Potentiale der Erneuerbaren Energien genutzt werden. Hierfür soll der netzdienliche Ausbau von Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie und Speicherkapazitäten weiter vorangetrieben werden.

Schließlich soll umgehend nach Beginn der Wahlperiode ein Gesetzespaket beschlossen werden, dass die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid (sog. Carbon Capture und Storage, CCS) insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen des Industriesektors ermöglicht.

III. Digitales

Union und SPD wollen die Chancen von Künstlicher Intelligenz und Digitalisierung stärker nutzen, da diese zentral für die Modernisierung des Staates sei. Hierzu bedürfe es einer „massiven“ Aufstockung der Mittel für Forschung und Entwicklung. Konkret ist insbesondere der Ausbau der flächendeckenden Möglichkeit digitaler Behördengänge, die Vernetzung von Datenregistern und die Automatisierung von Verwaltungsprozessen geplant. Durch ein einheitliches Bürgerkonto soll darüber hinaus der Zugang zu digitalen Diensten erleichtert werden. Zudem brauche es neue Kompetenzzuordnungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

IV. ESG: Maßnahmen für Klimaschutz geplant

Union und SPD bekennen sich in dem Sondierungspapier zu den deutschen und europäischen Klimazielen. Im Bereich der Klimapolitik wollen sie auf marktgerechte Instrumente setzen, indem Leitmärkte für klimaneutrale Produkte geschaffen werden. Hierzu planen Union und SPD etwa die Einführung von Quoten für klimaneutralen Stahl, eine Grüngasquote oder vergaberechtliche Vorgaben. Wie und ob diese vergaberechtlichen Vorgaben ausgestaltet werden, bleibt vorerst offen.

Schließlich setzen sich Union und SPD das Ziel, die energieintensive Industrie CO2-neutral zu machen. Hierfür soll, wie dargestellt, umgehend nach Beginn der Wahlperiode ein Gesetzespaket beschlossen werden, dass die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (Carbon Capture and Storage (CCS)) insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen des Industriesektors ermöglicht. Zudem soll das Wasserstoffkernnetz deutschlandweit die industriellen Zentren anbinden.

Sorgfaltspflichten von Unternehmen entlang der Lieferkette, wie sie etwa das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz definiert, werden im Sondierungspapier hingegen nicht thematisiert.

V. Weitere wesentliche Einigungen: Schuldenbremse, Bürokratieabbau und zahlreiche Einzelmaßnahmen

Union und SPD haben sich zur Finanzierung der staatlichen Aufgaben auf eine Reform der Schuldenbremse geeinigt. In einem ersten Schritt soll noch mit den Mehrheitsverhältnissen des 20. Deutschen Bundestages die Einführung eines Sondervermögens für Infrastruktur erfolgen und eine Teilbereichsausnahme von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben geregelt werden (hierzu auch unser Beitrag vom 6. März 2025). Die Novelle der grundgesetzlichen Vorgaben zur zulässigen Staatsverschuldung würde für eine neue Bundesregierung erhebliche finanzielle Spielräume öffnen. Ob eine Beschlussfassung noch vor der konstituierenden Sitzung des 21. Deutschen Bundestages gelingt, ist jedoch nicht absehbar. So hatte zuletzt BÜNDNIS 90/Die Grünen sowie deren Bundestagsfraktion verlauten lassen, den vorgeschlagenen Grundgesetzänderungen nicht zustimmen zu wollen. Gemeinsam kommen Union und SPD jedoch auch im 20. Deutschen Bundestag nicht auf die erforderliche qualifizierte Mehrheit.

Die Teilbereichsausnahme für die Verteidigung wird im Sondierungspapier wie folgt skizziert: Die Verteidigungsausgaben sollen im Einzelplan 14 des Bundeshaushalts in der Höhe von 1 % des BIP innerhalb des Geltungsbereichs der grundgesetzlichen Schuldenbremse abgebildet werden. Darüber hinaus gehende Ausgaben für Verteidigung im Einzelplan 14 sollen indes nicht bei der Schuldenbremse angerechnet werden. Union und SPD haben sich im Sondierungspapier darauf verständigt, dass die Mittel aus dem Sondervermögen Bundeswehr zügig abfließen müssen. Zur schnellen und effizienten Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft haben sich Union und SPD vorgenommen, noch im ersten halben Jahr nach der Regierungsbildung ein Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz für die Bundeswehr, sowie eine Prioritätenliste, welche in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium für Verteidigung entworfen werden soll, mit schnell zu beschaffenden Rüstungsgegenständen vorzulegen.

Auch der Bürokratierückbau soll vorangetrieben werden, indem Berichts-, Dokumentations- und Statistikpflichten abgeschafft werden. Union und SPD wollen sich dabei am Vorschlag des Normenkontrollrates, die Bürokratiekosten für die Unternehmen in den nächsten vier Jahren um 25 % zu reduzieren, orientieren. Konkrete Vorschläge macht das Sondierungspapier indes nicht. Außerdem soll die gesetzlich vorgeschriebene Zahl der Betriebsbeauftragten reduziert werden.

Weitere Akzente sollen im Bereich der Innovation und Forschung gesetzt werden. Geplant ist eine „Hightech-Agenda für Deutschland“. So soll beispielsweise die Fusionsforschung gestärkt werden. Als konkretes Ziel wird genannt, dass der erste Fusionsreaktor der Welt in Deutschland stehen soll.

Geplant ist auch eine Unternehmenssteuerreform, deren Inhalte jedoch nicht näher ausbuchstabiert werden. Ziel ist die Erhöhung der Anreize für unternehmerische Investitionen in Deutschland. Insbesondere sollen strategisch wichtige Branchen in Deutschland gehalten bzw. neu angesiedelt werden, namentlich etwa die Halbleiterindustrie, Batteriefertigung, Wasserstoff oder auch die Pharmaindustrie. Hierfür möchten Union und SPD unter anderem die Möglichkeiten des European Chips Act sowie der wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse (Important Projects of Common European Interest (IPCEI)) nutzen. Investitionen sollen zusätzlich gehebelt werden, indem zur Vergabe von Eigen- und Fremdkapital bei Investitionen im Zusammenspiel von öffentlichen Garantien und privatem Kapital Investitionsfonds aufgelegt werden.

Ausgebaut werden soll überdies der Freihandel. So sollen vier in der aktuellen Legislaturperiode nicht mehr verabschiedete Wirtschaftspartnerschaftsabkommen wortgleich neu in den Bundestag eingebracht und beschlossen werden. Angestrebt wird außerdem das Inkrafttreten des Mercosur-Abkommens und der Abschluss neuer Freihandelsabkommen, namentlich auch mit den USA.

Die Fachkräftesicherung wird von Union und SPD als entscheidender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg identifiziert. Dem Fachkräftemangel soll daher mit qualifizierter Einwanderung begegnet werden. Zur Umsetzung sollen bürokratische Hürden abgebaut werden, beispielsweise durch eine konsequente Digitalisierung der Prozesse und eine beschleunigte Anerkennung der Berufsqualifikation. Hierfür soll eine digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung als einheitliche Ansprechpartnerin für ausländische Fachkräfte geschaffen werden.

Auch sind die Agrarindustrie und die Gastronomie im Sondierungspapier besonders berücksichtigt: So soll die Gastronomie dadurch entlastet werden, dass die Umsatzsteuer für Speisen dauerhaft auf 7 % reduziert wird. Außerdem soll die Agrardiesel-Rückvergütung nach Vorstellung von Union und SPD vollständig wieder eingeführt werden.

Dieser Artikel erscheint im Rahmen unserer Bundestagswahl Insights. Alle Bundestagswahl Insights und mehr Informationen zur Bundestagswahl und deren Auswirkungen auf Industrie und Wirtschaft finden Sie auf unserem Election Hub (hier).