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Corporate-Newsletter Januar 2016

21.01.2016
In unseren Corporate/M&A-News bereiten wir aktuelle Themen zum Gesellschaftsrecht/M&A prägnant für Sie auf. Wir filtern dazu wesentliche neue Rechtsprechung und Gesetzgebungsvorhaben und fassen diese mit Verlinkungen zusammen. In der aktuellen Ausgabe informieren wir Sie u. a. über folgende Themen:
Rechtsprechung 
Gesetzgebung

Rechtsprechung


Anwendung des § 64 GmbHG auf den Direktor einer Limited

EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2015 – C-594/14

Der EuGH hatte sich mit einem Vorabentscheidungsersuchen des BGH zu beschäftigen. Eine nach englischem und walisischem Recht gegründete Ltd. war in Insolvenz geraten. Über das Vermögen der Gesellschaft hatte das AG Erfurt das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Ltd. war im Handelsregister in Cardiff eingetragen und hatte eine im Handelsregister des Amtsgericht Jena eingetragene deutsche Zweigniederlassung. Der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Ltd. lag in Deutschland. Der Insolvenzverwalter erhob gegen die Direktorin der Ltd. Zahlungsklage auf der Grundlage von § 64 Abs. 2 GmbHG a.F., da die Direktorin noch nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Ltd. Zahlungen veranlasst habe. Der BGH bat den EuGH um Klärung, ob § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Satz 1 GmbHG n.F.) auf Geschäftsführer von Gesellschaften angewandt werden kann, die zwar nach dem Recht eines anderen EU-Mitgliedstaates gegründet wurden, den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen jedoch in Deutschland haben und ob eine solche Klage gegen die Niederlassungsfreiheit nach Artikel 49 und 54 AEUV verstößt.

Gemäß Artikel 4 Abs. 1 der EU-Insolvenzverordnung Nr. 1346/2000 gilt für ein Insolvenzverfahren das Insolvenzrecht desjenigen Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird. Zuständig für die Insolvenzeröffnung sind nach Artikel 3 Abs. 1 der EU-Insolvenzverordnung die Gerichte desjenigen Mitgliedstaates, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, hier also Deutschland. Der EuGH stellte nun fest, dass § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. eine insolvenzrechtliche Norm im Sinne des Artikel 4 Abs. 1 der EU-Insolvenzverordnung ist, die auf Geschäftsführer EU-ausländischer Gesellschaften im Falle eines in Deutschland eröffneten Insolvenzverfahrens Anwendung finden kann. § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. sei in Verbindung mit Abs. 1 dieser Vorschrift zu sehen, der im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einer Gesellschaft eine Verpflichtung der Mitglieder des Vertretungsorgans zur Insolvenzantragstellung vorsehe. Somit könne § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. insbesondere die persönliche Haftung der Geschäftsführer einer zahlungsunfähigen oder überschuldeten Gesellschaft auslösen, die unter Verstoß gegen § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. keinen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt haben. Nach der Eröffnung dieses Verfahrens sei es im Allgemeinen nicht mehr Sache des Geschäftsführers der zahlungsunfähigen Gesellschaft, sondern ihres Insolvenzverwalters, Zahlungen für Rechnung dieser Gesellschaft zu leisten oder zu genehmigen. Daraus folge, dass die der Sache nach in § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. enthaltene Sanktion nicht zur Anwendung komme, wenn der Geschäftsführer einer zahlungsunfähigen Gesellschaft der in § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. enthaltenen Verpflichtung nachgekommen sei.

Um darüber hinaus die praktische Wirksamkeit von Artikel 4 Abs. 2 der EU-Insolvenzverordnung sicherzustellen, sei der Wortlaut („Das Recht des Staates…, unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird…“) dahin auszulegen, dass in seinen Anwendungsbereich erstens die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, zweitens die Regeln für die Bestimmung der zur Antragstellung auf Eröffnung dieses Verfahrens verpflichteten Personen und drittens die Folgen eines Verstoßes gegen diese Verpflichtung fallen. Daher seien nationale Bestimmungen wie § 64 Abs. 1 und 2 S. 1 GmbHG a.F., mit denen der Sache nach ein Verstoß gegen die Antragspflicht zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geahndet wird, auch aus diesem Blickwinkel als in den Anwendungsbereich von Artikel 4 der EU-Insolvenzverordnung fallend anzusehen.

Ferner stellte der EuGH fest, dass die Anwendung von § 64 GmbHG a.F. auf die Organe einer Ltd. keinen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit darstellt. Die Anwendung einer nationalen Bestimmung wie § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. betreffe weder die Gründung einer Gesellschaft in einem bestimmten Mitgliedstaat noch ihre spätere Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat. Diese Bestimmung des nationalen Rechts finde nur nach der Gründung der Gesellschaft im Rahmen ihrer Tätigkeit Anwendung, genauer gesagt, entweder ab dem Zeitpunkt, zu dem sie nach dem nationalen Recht, das gemäß Artikel 4 der EU-Insolvenzverordnung anwendbar ist, als zahlungsunfähig anzusehen sei, oder ab dem Zeitpunkt, zu dem ihre Überschuldung im Einklang mit diesem nationalen Recht festgestellt werde.

 

Anfechtbarkeit der Zahlung einer Komplementär-GmbH auf Forderung gegen die KG

BGH, Urteil vom 29. Oktober 2015 ‑ IX ZR 123/13

Der Kläger in diesem Verfahren ist Insolvenzverwalter einer Komplementär-GmbH. Über das Vermögen der KG wurde ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte hatte an die KG Waren geliefert, die die Komplementär-GmbH, zu einem Zeitpunkt, in dem die KG bereits insolvenzreif war, bezahlte. Der Insolvenzverwalter focht diese Zahlungen an, da es sich bei der Zahlung der Komplementär-GmbH auf die Forderung gegen die KG um eine unentgeltliche Leistung im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO gehandelt habe. Die Vorschrift des § 134 InsO gibt dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, „unentgeltliche Leistungen“ des Insolvenzschuldners im Vorfeld einer Insolvenz vom Empfänger der Leistung zurückzuverlangen, ohne dass es weiterer Voraussetzungen, wie einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit und Kenntnis des Empfängers von dieser, bedarf.

Der BGH verneinte ‑ wie bereits die Vorinstanzen – einen Rückzahlungsanspruch des Insolvenzverwalters der Komplementär-GmbH wegen einer Schenkungsanfechtung gemäß § 134 Abs. 1 InsO. Befriedige ein persönlich haftender Gesellschafter die Forderung eines Gläubigers gegen die Gesellschaft und erlösche dadurch die Haftungsverbindlichkeit des Gesellschafters, sei seine Leistung im Insolvenzverfahren über sein Vermögen nicht als unentgeltliche Leistung anfechtbar.

Als Komplementärin hafte die Insolvenzschuldnerin nach § 161 Abs. 2, § 128 S. 1 HGB persönlich und unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der KG. Habe die Schuldnerin, wovon die Beklagte mangels einer abweichenden Tilgungsbestimmung (§ 366 Abs. 1 BGB) der Insolvenzschuldnerin im Zweifel ausgehen musste, auf ihre Haftungsverbindlichkeit gezahlt, sei diese erloschen. Die Zahlung stelle sich dann als eine entgeltliche Leistung im Zwei-Personen-Verhältnis dar. Entgeltlichkeit werde dort nicht nur dadurch begründet, dass dem Leistenden eine vereinbarte Gegenleistung zufließe. Die Erfüllung einer eigenen entgeltlichen rechtsbeständigen Schuld schließe als Gegenleistung die dadurch bewirkte Schuldbefreiung mit ein.

Die Leistungen der Insolvenzschuldnerin seien aus Sicht des BGH auch dann entgeltlich gewesen, wenn sie nicht auf ihre Haftungsverbindlichkeit, sondern auf die Verbindlichkeiten der KG gezahlt habe. Es handelte sich dann um eine Leistung im Drei-Personen-Verhältnis. Mit der Erfüllung der Forderungen der Beklagten gegen die KG sei auch die darauf bezogene, akzessorische Haftungsverbindlichkeit der Schuldnerin erloschen. Im Freiwerden von dieser Schuld liege der Ausgleich im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Insolvenzschuldnerin, der die Anwendung von § 134 InsO ausschließe.

Bei dieser Betrachtung kommt es aus Sicht des BGH auch nicht darauf an, ob der Anspruch der Beklagten gegen die (insolvente) persönlich haftende Gesellschafterin aus § 161 Abs. 2, § 128 S. 1 HGB Aussicht auf Befriedigung bot und deshalb werthaltig war. Bei Leistungen in einem Drei-Personen-Verhältnis spiele die Werthaltigkeit einer Forderung des Leistungsempfängers insoweit eine Rolle, als es darum geht, ob der Empfänger außerhalb seines Verhältnisses zum Leistenden ein Vermögensopfer erbringt, das die empfangene Leistung als entgeltlich qualifiziert. Schützenswert sei der Leistungsempfänger in diesen Fällen aber nur dann, wenn der Leistungsempfang zum Verlust eines wirklichen Vermögenswerts geführt hat, wie beispielsweise durch Verlust einer werthaltigen Forderung oder Sicherheit. Anders verhalte es sich, wenn der Leistungsempfänger einen eigenen Anspruch gegen den Leistenden hatte. Bringe die Leistung diesen Anspruch zum Erlöschen, sei es auch nur als Folge der Akzessorietät zu der getilgten Verbindlichkeit eines Dritten, dann liege bereits darin die ausgleichende Gegenleistung des Empfängers, unabhängig davon, ob der Anspruch gegen den Leistenden im Voraus werthaltig erschien oder nicht. Hier könne nichts anderes gelten, als wenn der Schuldner auf die eigene Verbindlichkeit geleistet hätte. Es könne deshalb dahinstehen, ob zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen nicht nur die KG, sondern auch die Schuldnerin als ihre persönlich haftende Gesellschafterin zahlungsunfähig war.

 

Prüfungskompetenz des Handelsregisters bei Sachkapitalerhöhung

KG, Beschluss vom 12. Oktober 2015 – 22 W 77/15

Nach § 33a Abs. 1 Nr. 2 AktG, der bei einer Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen gemäß § 183a AktG entsprechend gilt, kann von einer Prüfung der Sachkapitalerhöhung abgesehen werden, soweit hinsichtlich der eingebrachten Vermögensgegenstände eine Bewertung zu Grunde gelegt wird, die ein unabhängiger, ausreichend vorgebildeter und erfahrener Sachverständiger nach den allgemein anerkannten Bewertungsgrundsätzen mit dem beizulegenden Zeitwert ermittelt hat und wenn der Bewertungsstichtag nicht mehr als sechs Monate vor dem Tag der tatsächlichen Einbringung liegt.

Das KG hat nun klar gestellt, dass das Registergericht ein im Rahmen einer solchen Sachkapitalerhöhung nach § 33a Abs. 1 Nr. 2 AktG vorgelegte Bewertungsgutachten grundsätzlich nur darauf hin überprüfen darf, ob der Gutachter die nach § 33a Abs. 1 Nr. 2 AktG erforderlichen Voraussetzungen erfüllt und ob er von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen ist. Die Auswahl des Bewertungsverfahrens obliegt nach Ansicht des KG grundsätzlich ausschließlich dem Sachverständigen und kann vom Registergericht nicht bemängelt werden.

Soweit das Registergericht vorliegend kritisiert habe, dass sich die Mitarbeiter der Gutachterin im Wesentlichen auf die Angaben des Vorstands und der Geschäftsführung der Übernehmerin verlassen haben und auch Prognoseszenarien zugrunde gelegt worden sein sollen, die nicht durch Tatsachen belegt seien, könne das KG diese Bedenken durchaus nachvollziehen. Die Heranziehung der für die Beurteilung der Bewertung notwendigen Tatsachen sei aber ebenfalls Teil der Sachverständigenaufgabe. Diese sei einer Beurteilung durch das Gericht grundsätzlich versperrt, weil ihm hierfür die erforderliche Sachkunde fehle. Anderenfalls stünde dem Registergericht bei tatsächlicher oder vermeintlicher Unschlüssigkeit immer die Möglichkeit zur Seite, eine Prüfung der Bewertung durchzusetzen. Dies sei nach der gesetzlichen Regelung nicht gewollt. Dass dadurch auch unter Umständen ein fehlerhaftes Gutachten Grundlage der Eintragung einer Sachgründung bzw. ‑ wie hier ‑ einer Sachkapitalerhöhung werden kann, habe der Gesetzgeber hingenommen.

 

Befugnisse eines Versammlungsleiters bei einer GmbH

KG, Beschluss vom 12. Oktober 2015 – 22 W 74/15

Im Rahmen der Gesellschafterversammlung einer aufgelösten GmbH war mit den Stimmen des Mehrheitsgesellschafters (51%) eine Kapitalerhöhung beschlossen worden. Die Versammlungsleitung wurde dem Liquidator übertragen. Die Kapitalerhöhung war aus Sicht des Liquidators und des Mehrheitsgesellschafters ‑ entgegen der Ansicht des Minderheitsgesellschafters ‑ zur Beschaffung von Kapital notwendig, um Gläubiger der Gesellschaft zu befriedigen. Auf einen Hinweis des anwaltlichen Beistands des Mehrheitsgesellschafters, dass der Minderheitsgesellschafter aufgrund einer Treuepflicht verpflichtet sei, der Kapitalerhöhung zuzustimmen, stellte der Versammlungsleiter fest, dass die Stimmabgabe durch den Minderheitsgesellschafter, der gegen die Kapitalerhöhung stimmte, unwirksam und die erforderliche Mehrheit für den Kapitalerhöhungsbeschluss erreicht sei. Das zuständige Registergericht wies die Handelsregisteranmeldung der Kapitalerhöhung zurück. Ein Kapitalerhöhungsbeschluss könne in der Liquidationsphase nur aus besonderen Gründen gefasst werden, die hier nicht ersichtlich seien. Darüber hinaus sei auch die notwendige Mehrheit nach § 53 Abs. 2 GmbHG nicht erreicht, weil die Stimmen des Minderheitsgesellschafters zu Unrecht unberücksichtigt geblieben seien.

Das KG stellte zunächst klar, dass eine Kapitalerhöhung durchaus auch bei einer GmbH in Liquidation beschlossen werden könne. Satzungsänderungen bei Gesellschaften in Liquidation könnten allerdings zu beanstanden sein, wenn sie dazu führen, dass die Gesellschaft sich ihren gegenüber Dritten, insbesondere den Gläubigern, bestehenden Verpflichtungen entziehen würde und/oder die Durchsetzung erschweren könnten. Dies könne etwa bei Firmenänderungen oder Sitzverlegungen naheliegen. Werde aber die Notwendigkeit gesehen, das Kapital der Gesellschaft für die Liquidation zu erhöhen, gelte dies gerade nicht. Darüber hinaus sei es dem Registergericht nicht ohne unerheblichen Aufwand möglich, die regelmäßig kaufmännische Frage, ob weiteres Kapital benötigt wird, ordnungsgemäß zu überprüfen. Dann aber müsse es ausreichend sein, dass, wie hier, die Notwendigkeit einer weiteren Kapitalbeschaffung als Grund für die Kapitalerhöhung angegeben werde, auch wenn diese zwischen den Gesellschaftern streitig sei. Dies gelte jedenfalls, solange nicht offensichtlich sei, dass die Kapitalerhöhung anderen Zwecken dient, die der Abwicklung entgegen stehen könnten.

Das KG befand jedoch, dass der Kapitalerhöhungsbeschluss nicht mit der erforderlichen ¾ Mehrheit gefasst worden sei. Dem stehe auch nicht die Feststellung des Abstimmungsergebnisses durch den Versammlungsleiter entgegen. Der in einer GmbH-Gesellschafterversammlung bestimmte Versammlungsleiter könne zwar die Befugnis zur Beschlussfeststellung haben. Dies hätte zur Folge, dass der Beschluss zunächst als wirksam gefasst anzusehen sei und die Wirksamkeit nur durch Klage beseitigt werden könne. Ein ad hoc bestellter Versammlungsleiter habe diese mit den genannten Wirkungen versehene Befugnis zur Beschlussfeststellung jedoch nur dann, wenn sie ihm ausdrücklich oder jedenfalls stillschweigend durch die Gesellschafter erteilt worden ist. Das Gesetz sehe für die GmbH ‑ anders als für die AG (§ 130 AktG) ‑ keine Versammlungsleitung vor. Eine entsprechende Anwendung des § 130 AktG komme nicht in Betracht, weil es an einer Lücke fehle. Der Gesetzgeber habe die Durchführung der Gesellschafterversammlung einer Ausgestaltung durch die Gesellschafter überlassen, was auf der häufig personalistischen Ausrichtung der GmbH beruhe. Dem Versammlungsleiter könnten damit nur die Zuständigkeiten und Funktionen zukommen, die ihm von der Gesellschafterversammlung (mindestens stillschweigend) zugewiesen worden seien. Wegen der damit verbundenen Wirkungen setze dies aber gerade in Bezug auf die Beschlussfeststellung durch den Versammlungsleiter ein entsprechendes Bewusstsein der Gesellschafter voraus. Davon könne weder generell noch im vorliegenden Fall mit der für das Registerverfahren notwendigen Sicherheit ausgegangen werden.

 

Einrichtung eines fakultativen Aufsichtsrats ohne Satzungsänderung

KG, Urteil vom 23. Juli 2015 – 23 U 18/15

Auf einer Gesellschafterversammlung der Verfügungsklägerin, einer GmbH, wurde mit einer Stimmenmehrheit von ca. 63% der abgegebenen Stimmen die Errichtung eines fakultativen Aufsichtsrats beschlossen und drei Aufsichtsratsmitglieder berufen. Der Gesellschaftsvertrag der GmbH sah die Errichtung eines Aufsichtsrats als Möglichkeit vor. In einer anschließenden außerordentlichen Aufsichtsratssitzung beschlossen die Aufsichtsratsmitglieder die Abberufung des Verfügungsbeklagten als Geschäftsführer der Gesellschaft. Das LG Berlin hatte dem Verfügungsbeklagten untersagt, eine Gesellschafterversammlung unter Berufung auf seine angebliche Eigenschaft als Geschäftsführer einzuberufen und zu behaupten, er sei Geschäftsführer der Verfügungsklägerin.

Das KG stellte nun die Unwirksamkeit des durch den neu gewählten Aufsichtsrat gefassten Abberufungsbeschlusses fest, weil bereits der Aufsichtsrat nicht wirksam errichtet worden sei. Die Errichtung eines fakultativen Aufsichtsrats durch Gesellschafterbeschluss kraft satzungsrechtlicher Ermächtigungsklausel sei nicht ohne Satzungsänderung zulässig. Die Umwandlung einer GmbH ohne Aufsichtsrat in eine solche mit Aufsichtsrat sei unzweifelhaft eine tiefgreifende Änderung der Gesellschaftsverfassung (Satzungsänderung). Das KG hält die Bestimmungen der §§ 53, 54 GmbHG für zwingendes Recht, das nicht durch gesellschaftsvertragliche Abmachungen (sogenannte „Öffnungsklauseln“) außer Kraft gesetzt werden könnte. Es sei nicht zutreffend, dass eine dauerhafte Änderung der Gesellschaftsverfassung keine Satzungsänderung darstelle, wenn die Änderung im Gesellschaftsvertrag durch eine Öffnungsklausel bereits angelegt sei. Eine Ermächtigung zur Regelung sei nicht schon die Regelung selbst, vielmehr nur eine Voraussetzung dafür, sie durch Gesellschafterbeschluss ‑ unter Einhaltung der zwingenden gesetzlichen Bestimmungen ‑ treffen zu können.

Das Mehrheitserfordernis des § 53 Abs. 2 GmbHG (¾ Mehrheit) lässt sich aus Sicht des KG möglicherweise durch eine Öffnungsklausel überwinden, wenn diese als antizipierte Zustimmung aller, auch später hinzutretender, Gesellschafter ausgelegt werden könne. Durch eine solche Auslegung könnten aber nicht auch die weiteren Anforderungen der §§ 53 Abs. 2, 54 Abs. 3 GmbHG außer Kraft gesetzt werden. Die Änderung der Gesellschaftsverfassung durch Errichtung eines mit Organkompetenzen ausgestatteten Aufsichtsrats ist mit oder ohne Öffnungsklausel stets materiell eine Satzungsänderung, die nicht ohne Beurkundung und Eintragung wirksam werden könne.

 

Gesellschafterhaftung bei Umwandlung einer GbR in eine GmbH

OLG Bremen, Urteil vom 1. Oktober 2015 – 5 U 21/14

Die Klägerin macht gegen die ehemaligen Gesellschafter einer in eine GbR umgewandelten GmbH Ansprüche aus einem Vertrag geltend, der vor Wirksamwerden der Umwandlung zwischen der Klägerin und der GmbH eingegangen wurde. Die Umwandlung der GmbH in eine GbR war am selben Tag wie der Erwerb der Anteile der Beklagten an der GmbH beschlossen worden. Noch vor Eintragung des Umwandlungsbeschlusses ins Handelsregister übertrugen die Beklagten ihre Geschäftsanteile an der GmbH auf zwei britische Ltd.

Das OLG Bremen wies die Berufung gegen das abweisende Urteil des LG Bremen ab. Es stellte zunächst fest, dass eine GbR, die infolge des Formwechsels einer GmbH entstanden ist, für entstandene Verbindlichkeiten der vormaligen GmbH haftet. Das ergebe sich daraus, dass der in § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG normierte Fortbestand des Rechtsträgers in lediglich veränderter Rechtsform zur Folge habe, dass die schuldrechtlichen Beziehungen unverändert fortbestehen. Die Beklagten haften aus Sicht des OLG Bremen jedoch nicht für diese Verbindlichkeiten, weil sie zu keinem Zeitpunkt persönlich haftende Gesellschafter der GbR gewesen seien. Vielmehr hätten sie zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Formwechsels ihre Anteile bereits wirksam auf zwei britische Gesellschaften übertragen. Dieser Vorgehensweise stehe auch nicht der Grundsatz der Kontinuität der Mitgliedschaft der Anteilsinhaber nach §§ 194 Abs. 1 Nr. 3, 202 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 UmwG entgegen. Der Grundsatz der Identität der Anteilseigner habe kein Verfügungsverbot über die Anteile vom Umwandlungsbeschluss bis zur Eintragung des Formwechsels zur Folge. Eine Verfügung bleibe nach allgemeinen Regeln zulässig. Die Übertragung der Geschäftsanteile war also nach dem Gesellschafterbeschluss über den Formwechsel, aber vor dessen Eintragung, bereits wirksam vollzogen und die Beklagten zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Formwechsels nicht mehr Gesellschafter.

Eine Haftung der Beklagten komme auch aus § 15 Abs. 3 HGB wegen ihrer insoweit unstreitigen Eintragung als Gesellschafter der GbR im Handelsregister der GmbH nicht in Betracht, weil es sich hierbei nicht um eine eintragungspflichtige Tatsache handele. Nach §§ 190 Abs. 1, 191 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 193, 194, 226 UmwG könne eine GmbH in eine GbR im Wege des Formwechsels umgewandelt werden. § 198 UmwG bestimme, dass die neue Rechtsform des Rechtsträgers zur Eintragung in das Register, in dem der formwechselnde Rechtsträger eingetragen ist, anzumelden ist. Da eine GbR mangels eines Handelsgewerbes als solche nicht im Handelsregister eingetragen werden könne, bestimme § 235 Abs. 1 S. 1 UmwG, dass beim Formwechsel in eine GbR statt der neuen Rechtsform die Umwandlung der formwechselnden Kapitalgesellschaft in eine GbR zum Register der formwechselnden Gesellschaft (hier der GmbH) anzumelden sei. Eintragungspflichtig sei somit nur die gesetzlich ausdrücklich angeordnete „Umwandlung“ der GmbH in die GbR an sich. Dabei handele es sich um den Erlöschenstatbestand der GmbH im Handelsregister, der zu dokumentieren sei. Die neue Rechtsform des Rechtsträgers, die GbR, oder ihre Gesellschafter seien jedoch nicht zum Register der rechtsformwechselnden GmbH einzutragen. Die GbR unterliege nicht der Eintragung in das Register. Auf lediglich eintragungsfähige Tatsachen finde § 15 Abs. 3 HGB jedoch keine Anwendung.

Hinsichtlich der Frage, ob es sich bei der Umwandlung einer GmbH in eine GbR und der nachfolgenden Eintragung der GbR und ihrer Gesellschafter in das Handelsregister um eine eintragungspflichtige Tatsache im Sinne von § 15 Abs. 3 HGB handelt, auf die sich die positive Publizität des Handelsregisters beziehen könnte, ist die Revision beim BGH unter Az. II ZR 314/15 anhängig.

 

Rückkehr zu satzungsmäßigem Geschäftsjahr

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12. November 2015 – 20 W 186/15

Mit Beschluss vom 14. Oktober 2014 (II ZB 20/13) hatte der BGH entschieden, dass der Insolvenzverwalter befugt ist, den mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens neu beginnenden Geschäftsjahresrhythmus zu ändern. Dies könne durch eine Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister, aber auch durch eine sonstige Mitteilung an das Registergericht geschehen.

Der Insolvenzverwalter sowie das zuständige Registergericht streiten im vorliegenden Handelsregisterverfahren darüber, ob die Mitteilung einer entsprechenden Entscheidung des Insolvenzverwalters lediglich in Form einer Handelsregisteranmeldung oder einer sonstigen Mitteilung an das Registergericht erfolgen kann oder ob auch eine anderweitige Form für eine öffentliche Dokumentation bzw. Kommunikation der Absicht (hier gegenüber dem zuständigen Finanzamt) möglich ist.

Das OLG Frankfurt am Main stellte klar, dass für die vom BGH für zulässig erklärte Entscheidung des Insolvenzverwalters zur Rückkehr zum bisherigen satzungsgemäßen Geschäftsjahr einer in Insolvenz befindlichen GmbH eine Mitteilung dieser Entscheidung gegenüber dem Finanzamt oder einem Gläubiger nicht genügt. Vielmehr sei der richtige Empfänger für die Mitteilung dieser Entscheidung ausschließlich das Registergericht. Für diese Sichtweise spreche vor allem der Wortlaut der oben wiedergegebenen BGH-Entscheidung. Wenn schon für die Wirksamkeit der Rückkehr zum bisherigen satzungsmäßigen Geschäftsjahr in der Insolvenz eine Eintragung in das Handelsregister nicht erforderlich sei, dann sei es sachgerecht, dass zumindest die rechtsbegründende Entscheidung des Insolvenzverwalters an das Registergericht zu erfolgen habe. Gerade, wenn man mit dem Beschluss des BGH trotz des Grundsatzes der Registerwahrheit in Kauf nimmt, dass zwischen einer sonstigen rechtsbegründenden Mitteilung an das Registergericht und einer dann letztendlich wegen des Grundsatzes der Registerwahrheit erforderlichen Eintragung in das Handelsregister mehrere Jahre liegen können, sei eine derartige Informationsmöglichkeit des Rechtsverkehrs zwingend zu fordern.

 

Auslegung einer sogenannten „harten“ Bilanzgarantie und anderer Vertragsklauseln in einem Geschäftsanteilskaufvertrag (SPA)

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 7. Mai 2015 – 26 U 35/12

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war u.a. die Auslegung einer sogenannten „harten“ Bilanzgarantie, die dem Käufer vom Verkäufer im Rahmen eines Geschäftsanteilskaufvertrages gewährt wurde. Der Kläger war Käufer von Geschäftsanteilen und macht Schadensersatz aus einer Verletzung der vorgenannten Garantie geltend. Die fragliche Garantie besagt, dass der vorausgehende und der Klägerin vorgelegte Jahresabschluss der Zielgesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes und unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften erstellt worden sei und ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermittle. Ist eine Garantieerklärungen unzutreffend, soll der Käufer nach den Regelungen des Vertrages durch Schadensersatz in Geld so zu stellen sein, wie er oder die Gesellschaft stehen würde, wenn die entsprechende Gewährleistung zutreffend wäre. Über die vertraglich vereinbarten Haftungs- und Gewährleistungsansprüche hinausgehende Rechte, wurden – unabhängig vom Anspruchsgrund – ausgeschlossen. Auch war die Aufrechnung gegenüber der Kaufpreisforderung explizit im Vertrag ausgeschlossen.

Das OLG Frankfurt am Main stellte zunächst fest, dass die Beklagten im Rahmen der Garantie gewährleisten wollten, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt das durch die bilanziellen Kennziffern abgebildete wirtschaftliche Gerüst in der Ziel-GmbH vorhanden ist. Dies folge aus einer Auslegung der Garantieerklärung nach allgemeinen Grundsätzen gemäß §§ 133, 157 BGB. Dabei gelte es zu berücksichtigen, dass die Erwartungen des Erwerbers an die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Zielgesellschaft beim Mehrheitserwerb von GmbH-Geschäftsanteilen typischerweise maßgeblich für den Kaufentschluss und die zugrunde liegende Kaufpreiskalkulation sind. Vor diesem Hintergrund ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Garantie eindeutig, dass der Jahresabschluss nicht nur mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns unter Beachtung der maßgeblichen Vorschriften erstellt werden, sondern zum Stichtag die tatsächliche Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Zielgesellschaft vollständig und richtig wiedergeben sollte. Die Zusicherung beziehe sich dabei terminologisch auf den gesamten Jahresabschluss der Zielgesellschaft, mithin auf sämtliche gesetzlichen Bestandteile des Jahresabschlusses, der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung. Vorhandene Aktiva und Passiva, Ertragssituation und Risiken waren daher korrekt auszuweisen. Insbesondere sollten in der Referenzbilanz auch Rückstellungen in dem erforderlichen Maße gebildet werden, so dass auch hinsichtlich der Existenz und/oder der Höhe der Schuld noch nicht (vollständig) bekannte bzw. zu erwartende Risiken, Wertminderungen und Verbindlichkeiten von der Bilanzgarantie umfasst gewesen seien.

Das LG Frankfurt am Main als Vorinstanz hatte auf der Grundlage eines schriftlichen Sachverständigengutachtens die streitige Bilanz in mehrfachen Positionen für unrichtig gehalten. An dieser Einschätzung erkennt das OLG Frankfurt am Main als Berufungsinstanz keine Rechtsfehler, was das OLG ausführlich hinsichtlich einzelner Bilanzpositionen ausführt.

Der Kläger muss sich aus Sicht des OLG Frankfurt am Main auch einen etwaigen von den Beklagten behaupteten Anspruchsausschluss nach § 442 BGB wegen Kenntnis oder zumindest möglicher Kenntnis von den die Fehlerhaftigkeit der Bilanz bestimmenden Umständen nicht entgegenhalten lassen. Die Parteien hätten in dem zugrunde liegenden Kaufvertrag die der Käuferin zustehenden Ansprüche ausdrücklich und abschließend geregelt und weitergehende gesetzliche Ansprüche gerade ausgeschlossen, mit Ausnahme solcher, denen ein vorsätzliches oder arglistiges Verhalten der Beklagten zugrunde gelegen hätte. Sollten aber die gesetzlichen Vorschriften über die Gewährleistung gerade nicht zur Anwendung kommen, die Beklagten vielmehr allein nach Garantiegrundsätzen haften, sei davon auszugehen, dass auch die Regelung des § 442 BGB in diesem Zusammenhang keine Geltung haben sollte. Eine Ausnahme allein bezogen auf diese Regelung wäre auch mit dem Wesen der vereinbarten Garantiehaftung nicht vereinbar. Da die Beklagten die uneingeschränkte Haftung für die Richtigkeit der vorgelegten Bilanz übernommen hätten, sei für eine Haftungsbeschränkung auf Käuferseite außerhalb der vertraglichen Vereinbarung der Parteien kein Raum.

Hinsichtlich der Höhe des Schadens stellte das OLG Frankfurt am Main fest, dass unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine solche Bilanzgarantie letztlich die für die Kaufentscheidung und insbesondere für die Kaufpreisfindung maßgeblichen Faktoren verbindlich festlegen soll, der Käufer bei einer Garantieverletzung so zu stellen ist, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Unternehmenskaufvertrag zu einem günstigeren Kaufpreis abzuschließen. Der Schaden bestehe demnach in dem Minderwert, d.h. in der Wertdifferenz zu dem hypothetisch erzielten niedrigeren Kaufpreis und nicht in der Summe der Differenz von einzelnen unrichtigen Bilanzpositionen. Die konkrete Höhe des Schadensersatzes war aus Sicht des OLG Frankfurt am Main jedoch nicht möglich, da für die Bewertung von Geschäftsanteilen an einem Unternehmen durch einen Kaufinteressenten in der Regel vielschichtige Erwägungen maßgebend seien ‑ etwa Substanzwert, Ertragswert, Möglichkeit eines günstigen unternehmerischen Einsatzes im eigenen Betriebsverbund des Käufers ‑, die keineswegs immer in dem bilanzmäßig ausgewiesenen Gewinn oder Verlust ihren Niederschlag finden. Daher komme vorliegend lediglich eine Mindestschadensschätzung zu Gunsten der Klägerin in Betracht.

Schließlich stellte das OLG Frankfurt am Main noch klar, dass vorliegend das unbeschränkte Aufrechnungsverbot gegenüber der Kaufpreisforderung den Kläger daran hindere, den Schadensersatz mit offenen Kaufpreisraten zu verrechnen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine Haftung für unrichtige Garantieerklärungen vom Aufrechnungsverbot ausgenommen sein sollte. Eine entsprechende inhaltliche Beschränkung lässt sich schon dem Wortlaut der Vereinbarung („jegliche Aufrechnung mit Gegenforderungen“) nicht entnehmen. Auch nach Sinn und Zweck lasse sich eine solche Beschränkung nicht feststellen. Da die Parteien sämtliche wechselseitigen Ansprüche in dem notariellen Kaufvertrag geregelt hatten, sei nicht ersichtlich, welche anderen Ansprüche der Klägerin in Betracht gekommen wären, auf die sich das Aufrechnungsverbot hätte beziehen können. Vielmehr lag es im erkennbaren wirtschaftlichen Interesse der Verkäufer, für die „Hergabe“ des Unternehmens uneingeschränkt über die Gegenleistung verfügen zu können. Dieser auch für die Klägerin erkennbaren nachvollziehbaren Interessenlage würde es zuwiderlaufen, wenn die einzig in Betracht kommenden Ansprüche der Klägerin, die das Unternehmen der Beklagten bereits übernommen hatte und die wirtschaftlichen Vorteile aus dieser Übernahme ziehen konnte, nicht unter das Aufrechnungsverbot fallen würden. In diesem Zusammenhang stellte das OLG auch klar, dass nicht dargetan sei, dass es sich bei den im Unternehmenskaufvertrag vereinbarten Klauseln um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, in denen ein umfassendes Aufrechnungsverbot nach § 309 Nr. 3 BGB unwirksam gewesen wäre.

 

Erforderlichkeit einer Notarbescheinigung bei vollständiger Satzungsneufassung

OLG Jena, Beschluss vom 14. September 2015 – 2 W 375/15

Der Anmeldung einer Satzungsänderung einer GmbH zum Handelsregister ist nicht nur der vollständige Wortlaut der Satzung beizufügen, sondern sie muss mit der Bescheinigung eines Notars versehen sein, dass die geänderten Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags mit dem Satzungsänderungsbeschluss und die unveränderten Bestimmungen mit dem zuletzt zum Handelsregister eingereichten vollständigen Wortlaut der Satzung übereinstimmen (§ 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG). Das OLG Jena hat nun entschieden, dass eine Notarbescheinigung gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG auch dann erforderlich ist, wenn die Satzung einer GmbH nicht nur hinsichtlich einzelner Bestimmungen geändert, sondern vollständig neugefasst wird. Diese Frage ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten.

Das Gesetz über das elektronische Handelsregister und das Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister, mit dem in §§ 8 ff. HGB die elektronische Führung des Handelsregisters geregelt wurde, diene dem Zweck, den Zugang der betroffenen Parteien zu Unternehmensinformationen zu erleichtern und beschleunigen. Das Gesetz solle eine schnellere Arbeit des Handelsregisters ermöglichen, den Unternehmen die Wahrnehmung ihrer Offenlegungspflichten und dem Bürger den Zugang zu den offen gelegten Informationen erleichtern. Dem diene es, wenn der gültige Wortlaut des Gesellschaftsvertrages aus einem einzigen, im Registerordner von jedermann elektronisch abrufbaren Dokument ersichtlich sei und der interessierte Bürger nicht zwischen verschiedenen Dokumenten wechseln müsse, um festzustellen, ob und gegebenenfalls auf welcher Beschlussfassung die aufgerufene Fassung des Gesellschaftsvertrages beruht. Die notarielle Bescheinigung des § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG sei ein sonstiges einfaches Zeugnis im Sinne der §§ 39, 39 a BeurkG. Sie sei der geänderten Fassung des Gesellschaftsvertrages so beizufügen, dass eine einheitliche Urkunde im Sinne des § 44 S. 1 BeurkG hergestellt wird. Wurde die Neufassung des Gesellschaftsvertrages als Anlage zum Protokoll der Beschlussfassung mitbeurkundet, wird der Gesellschafterbeschluss mit dieser Anlage in einer Datei abgespeichert. Der Wortlaut der Neufassung wird in einer weiteren Datei gespeichert. Ist aber die geänderte Fassung des Gesellschaftsvertrages mit der notariellen Bescheinigung versehen, werde schon durch den Aufruf der Neufassung des Gesellschaftsvertrages ersichtlich, auf welchem Beschluss die Neufassung beruht. Das vereinfache die sichere Orientierung über die aktuelle Fassung des Gesellschaftsvertrages, die ansonsten mehrere Datei-Aufrufe erfordern würde. 

 

Informationsverlangen eines besonderen Vertreters nach § 147 AktG

OLG Köln, Urteil vom 4. Dezember 2015 – 18 U 149/15

Im Rahmen dieses einstweiligen Verfügungsverfahrens ist die Verfügungsbeklagte eine AG. Auf deren Hauptversammlung wurde ohne die Stimmen der Mehrheitsaktionärin gemäß § 147 AktG beschlossen, Ansprüche gegen die Mehrheitsaktionärin geltend zu machen. Zusätzlich wurde der Verfügungskläger zum besonderen Vertreter der Verfügungsbeklagten bestellt. Der Verfügungskläger verlangte anschließend vom Vorstand der AG die Herausgabe von Informationen zum Sachverhalt, die ihm jedoch nur eingeschränkt gegeben wurden. Sein darauf gerichteter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde in erster Instand abgewiesen. Hiergegen richtete sich die vorliegende Berufung.

Das OLG Köln gibt dem Verfügungskläger Recht: Der dem Informationsverlangen entsprechende Verfügungsanspruch ergebe sich zum einen aus den Beschlüssen der Hauptversammlung der Verfügungsbeklagten über die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Mehrheitsaktionärin, zum anderen aus der Bestellung des Verfügungsklägers zum besonderen Vertreter der Verfügungsbeklagten anlässlich derselben Hauptversammlung. Ein besonderer Vertreter im Sinne des § 147 AktG könne von der Gesellschaft bzw. dem Vorstand als dem dort zuständigen Organ die zur Erfüllung seiner Aufgabe erforderlichen Informationen verlangen. Dem besonderen Vertreter stehe dabei ein weitreichendes, nur durch den Gesichtspunkt unsachgemäßer Ausübung begrenztes Ermessen zu. Die von der Verfügungsbeklagten geltend gemachten Beschlussmängel, hier insbesondere wegen mangelnder Konkretisierung der geltend zu machenden Ansprüche, führten allenfalls nach rechtskräftiger Nichtigerklärung zur Unwirksamkeit der betroffenen Beschlüsse. An der Wirksamkeit der angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüsse bis zum Zeitpunkt einer rechtskräftigen Nichtigerklärung vermag auch die gegebenenfalls eintretende Nichtigkeit ex tunc nichts zu ändern.

Im Hinblick auf den Informationsanspruch des besonderen Vertreters kommt es aus Sicht des OLG Köln vorliegend auch nicht darauf an, ob der Vorstand der Verfügungsbeklagten möglicherweise zu einer Rechtsmäßigkeitsprüfung in eigener Verantwortung und zu einer Verweigerung der Ausführung bloß anfechtbarer ‑ also vorläufig wirksamer ‑ Hauptversammlungsbeschlüsse verpflichtet ist. Denn zum einem habe der Vorstand der Verfügungsbeklagten im vorliegenden Fall nicht selbst eine Nichtigkeits- und Anfechtungsklage erhoben (vgl. § 245 Nr. 4 AktG). Vor diesem Hintergrund könne sich der gesetzliche Vertreter der Verfügungsbeklagten hier nicht auf eine Anfechtbarkeit des der Tätigkeit des Verfügungsklägers zugrundeliegenden Hauptversammlungsbeschlusses berufen. Zum anderen hätte eine inzidente Prüfung des Streitstoffes des in der Hauptsache zu führenden Nichtigkeits- und Anfechtungsprozesses schon in dem vom besonderen Vertreter angestrengten, auf Auskunft gerichteten Verfahren der einstweiligen Verfügung zur Folge, dass die vom Gesetzgeber für die abschließende Geltendmachung des Ersatzanspruchs als Regel vorgesehene Frist des § 147 Abs. 1 S. 2 AktG kaum einmal eingehalten werden könnte. Soll die Sechs-Monats-Frist des § 147 Abs. 1 S. 2 AktG nicht nach dem Belieben nicht mitwirkungsbereiter Gesellschaften und der hinter ihnen stehenden widerstrebenden Mehrheiten ausgehöhlt werden können, müsse es demnach für den Auskunftsanspruch und die weitere Tätigkeit des besonderen Vertreters jedenfalls einstweilen genügen, dass insofern ein vorläufig wirksamer, d. h. nicht nichtiger, sondern allenfalls anfechtbarer Hauptversammlungsbeschluss vorliegt.

Der Verfügungsgrund ergebe sich aus Sicht des OLG Köln aus der in § 147 Abs. 1 S. 2 AktG vorgesehenen Frist von sechs Monaten ab Fassung der maßgeblichen Hauptversammlungsbeschlüsse, jedenfalls aber aus Folgen des weiteren Zeitablaufs. Mit der Fristbestimmung habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er ein unverzügliches Vorgehen des Besonderen Vertreters im Interesse der regelmäßig hinter auf § 147 AktG gestützten Beschlüssen stehenden Aktionärsminderheit für geboten hält.

 

Grundbuchrichtigstellung bei Formwechsel einer GbR in eine GmbH & Co. KG

OLG München, Beschluss vom 30. November 2015 – 34 Wx 70/15

Eine grundbesitzende GbR war unter Beitritt einer GmbH in eine GmbH & Co. KG umgewandelt worden. Den Antrag auf Richtigstellung des Grundbuchs nach Wirksamwerden der Umwandlung wies das zuständige Grundbuchamt zurück, da die Voreintragung des beigetretenen Gesellschafters, der GmbH, gemäß § 39 GBO, § 899a BGB fehle.

Das OLG München sah dies anders und entschied, dass ein identitätswahrender Formwechsel einer GbR in eine GmbH & Co. KG nur eine Richtigstellung des Grundbuchs zur Folge habe, die keine Voreintragung der GmbH als aufgenommene Gesellschafterin bedürfe. Der mit der Umwandlung verbundene Wechsel der Gesellschaftsform stelle einen identitätswahrenden Formwechsel dar, bei der im Grundbuch die Bezeichnung des Eigentümers nur richtiggestellt werden müsse. Gemäß § 39 Abs. 1 GBO solle eine Eintragung nur erfolgen, wenn die Person, deren Recht durch sie betroffen wird, als der Berechtigte eingetragen ist. Sei ‑ wie hier ‑ im Grundbuch eine GbR mit dem Zusatz „bestehend aus…“ und den Namen der Gesellschafter als Eigentümer eingetragen, so sei die Gesellschaft Eigentümerin des Grundstücks. Mithin sei die Gesellschaft selbst Berechtigte und ein Wechsel auf Gesellschafterebene für die Identität des Rechtsträgers nicht relevant.

Dem stehe auch § 47 Abs. 2 GBO nicht entgegen, wonach bei einem Recht für die GbR auch deren Gesellschafter im Grundbuch einzutragen sind (Satz 1) und für diese die für den Berechtigten geltenden Vorschriften entsprechend gelten (Satz 2). Bei Verfügungen über das Recht der GbR sei deshalb ‑ trotz Anerkennung ihrer Rechts- und Grundbuchfähigkeit ‑ gemäß § 47 Abs. 2 S. 2 GBO der Voreintragungsgrundsatz des § 39 Abs. 1 GBO in Bezug auf die Gesellschafter anwendbar. Bei einem bloßen identitätswahrenden Formwechsel der Gesellschaft fehle es aber an einer Verfügung über das Recht der GbR, selbst wenn dieser zusammen mit der Aufnahme eines Gesellschafters (GmbH) erfolgt sei.

 

Kündigung einer Inhaberschuldverschreibung

OLG München, Urteil vom 22. Juni 2015 – 21 U 4719/14

Die Klägerinnen verlangen die Rückzahlung des Nennbetrags von Inhaberschuldverschreibungen der Beklagten. Sie hatten die Inhaberschuldverschreibungen zu einem Zeitpunkt erworben, nachdem bereits im Bundesanzeiger eine Einladung zur Gläubigerversammlung der Beklagten veröffentlicht worden war. Kurz nach dem Erwerb kündigten die Klägerinnen die Inhaberschuldverschreibungen.

Das OLG München wies ‑ wie bereits das LG München II zuvor ‑ die Klage ab. Insbesondere seien die Kündigungen der Klägerinnen wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Beklagten unwirksam gewesen, da sich die Klägerinnen nicht auf die von ihnen herangezogenen §§ 314, 490 BGB hätten stützen können.

Grundsätzlich schließt das OLG München zwar ein Kündigungsrecht von Anleihegläubigern nach § 314 BGB bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Emittenten nicht aus. Dieses steht aus Sicht des OLG München aber jedenfalls nicht solchen Gläubigern zu, die Inhaberschuldverschreibungen kurz vor dem Fälligkeitszeitpunkt und nach Bekanntwerden der wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu einem Kurs weit unter dem geltend gemachten Nennwert der verbrieften Forderung erworben und nur wenige Tage nach Erwerb gekündigt haben. Eine Schutzbedürftigkeit und -würdigkeit der Klägerinnen sei bei dieser Sachlage nicht gegeben. Die Klägerinnen seien nicht von einer vorher von ihnen nicht absehbaren Verschlechterung der Vermögensverhältnisse überrascht worden, sondern hätten diese genutzt, um die Inhaberschuldverschreibungen zu einem niedrigen Kurs zu erwerben. Dieses Vorgehen sei auch nicht zu beanstanden und eine notwendige sowie gewollte Folge der Fungibilität der Inhaberschuldverschreibung über die Börse. Die Klägerinnen könnten sich aber nicht den niedrigen ‑ das mit den wirtschaftlichen Problemen der Beklagten einhergehende erhöhte Risiko widerspiegelnden ‑ Einstandskurs zunutze machen und dann eben dieses in ihren Einstandskurs eingepreiste Risiko wiederum zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nach § 314 BGB nehmen.

Auf § 490 BGB können die Klägerinnen ihre Kündigungen aus Sicht des OLG München ebenfalls nicht stützen. Da Inhaberschuldverschreibungen den §§ 793 ff. BGB unterliegen, gingen diese als Sonderregelung § 490 BGB vor. Die §§ 793 ff. BGB enthielten selbst keine Regelung über die Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse und eine solche ergebe sich auch nicht aus deren Sinn und Zweck. Im Gegenteil bestehe bei börsennotierten Inhaberschuldverschreibungen im Hinblick auf deren Fungibilität keine Notwendigkeit für eine derartige außerordentliche Kündigungsmöglichkeit. Vielmehr würden die Vermögensverhältnisse der Schuldnerin und die Erwartung der Marktteilnehmer, wie wahrscheinlich eine pünktliche und vollständige Zahlung des Schuldners ist, in den Börsenkurs der Inhaberschuldverschreibung eingepreist. Während der Gläubiger einer unverbrieften und nicht börsennotierten Darlehensforderung ‑ gäbe es § 490 BGB nicht ‑ keine realistische Möglichkeit hätte, sich vor Fälligkeit von seinem Investment zu trennen, sei dies bei börsennotierten Inhaberschuldverschreibungen möglich. Konsequenz sei allerdings die Inkaufnahme von Abschlägen beim Kurswert. Letztere stellten aber das notwendige Korrelat zu möglichen Kursgewinnen dar, die dann entstünden, wenn Gläubiger die Inhaberschuldverschreibungen zu einem niedrigen Kurs erwerben, was sich die Klägerinnen hier ja gerade zu Nutze gemacht haben.

 

Gesetzgebung

Gesetzliche Regelung für Syndikusanwälte

In seiner Sitzung am 17. Dezember 2015 hat der Bundestag in zweiter und dritter Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz verabschiedet. Der Bundesrat hat das Gesetz am folgenden Tag passieren lassen. Es ist im BGBl. I vom 30. Dezember 2015, S. 2517-2524 veröffentlicht worden und bereits in Kraft getreten.

Mit den Urteilen vom 3. April 2014 (B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 3/14 R) hatte das BSG entschieden, dass für Syndikusanwälte eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten einer Versorgung in den berufsständischen Versorgungswerken nicht möglich sei. Dies wurde mit der fehlenden Möglichkeit der anwaltlichen Berufsausübung in der äußeren Form der abhängigen Beschäftigung begründet. Ungeachtet der im Einzelfall arbeitsvertraglich eröffneten Möglichkeiten, auch gegenüber dem Arbeitgeber sachlich selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, sei allein die Eingliederung in die von diesem vorgegebene Arbeitsorganisation mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar.

Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte vom 21. Dezember 2015 wird der Beruf des Syndikusanwalts erstmals gesetzlich geregelt. Insofern ist künftig auch (wieder) eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung möglich. Die tätigkeitsbezogene Zulassung als Syndikusanwalt entfaltet Bindungswirkung für die nachfolgende sozialrechtliche Entscheidung über die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Bei Antragstellung bis 1. April 2016 kann im Einzelfall auch eine rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht erfolgen. Syndikusanwälte unterliegen zukünftig jedoch bestimmten Einschränkungen: So soll die Tätigkeit von Syndikusanwälten grundsätzlich auf die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt sein. Für Syndikusanwälte gilt zudem ein Vertretungsverbot für den Arbeitgeber in zivil- und arbeitsgerichtlichen Verfahren mit Anwaltszwang sowie ein weitergehendes Vertretungsverbot in Straf- und Bußgeldverfahren. Auch bedürfen Syndikusanwälte keiner Berufshaftpflichtversicherung, sofern sie nicht zusätzlich auch als Rechtsanwalt im Sinne des § 4 BRAO zugelassen sind.

Pressemitteilung des BMJV, Bericht des Bundestages

Ergänzend hierzu der Beitrag von Dr. Martin Schorn. 


Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz

Das Bundeskabinett hat in seiner Sitzung am 6. Januar 2016 den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz – 1. FimanoG) verabschiedet und damit das parlamentarische Verfahren eingeleitet. Der Gesetzentwurf soll die Marktmissbrauchsrichtlinie (Richtlinie 2014/57/EU), die Marktmissbrauchsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 596/2014), die EU-Verordnung über Zentralverwahrer (Verordnung (EU) Nr. 909/2014) sowie die EU-Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (Verordnung (EU) Nr. 1286/2014) in deutsches Recht umsetzten.

Der Gesetzentwurf sieht zur Umsetzung der genannten europäischen Richtlinie und zur Ausführung der genannten EU-Verordnungen insbesondere Änderungen im WpHG, dem KWG, dem BörsG, dem VAG und dem KAGB vor. Im Wesentlichen sind im Gesetzentwurf folgende Regelungsaspekte enthalten:

  • Überarbeitung und in weiten Teilen Aufhebung der Abschnitte 3 und 4 des WpHG zu Insiderhandel und Marktmanipulation, die nunmehr überwiegend in der unmittelbar geltenden Marktmissbrauchsverordnung geregelt sind;
  • Erweiterung des Katalogs von Ordnungswidrigkeitstatbeständen und Erhöhung des Bußgeldrahmes sowie die Einführung einer grundsätzlich zwingenden Veröffentlichung von Maßnahmen und Sanktionen durch die BaFin;
  • Anpassung der Straftatbestände der Marktmanipulation und des Insiderhandels im WpHG an die Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie;
  • Verpflichtung der BaFin zur Einrichtung eines Hinweisgebersystems für die Entgegenahme von Meldungen über Verstöße gegen gesetzliche Pflichten durch Änderung des FinDAG;
  • Geringfügige Änderungen im Nachgang zum Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie (BGBl. I vom 25. November 2015 S. 2029‑2052), insbesondere um Regelungslücken bei Übergangsvorschriften und Bestandsmitteilungen zu schließen, die erst nach Abschluss des damaligen Gesetzgebungsverfahren aufgetreten sind, und um zukünftig ein anwenderfreundliches elektronisches Verfahren zur Übermittlung von Stimmrechtsmitteilungen ausgestalten zu können.

Pressemitteilung des BMF

 

Leitlinien für Geschäftsprozesse in Aufsichtsgremien

Das Deutsche Institut für Normung (DIN) hat Leitlinien für Geschäftsprozesse in Aufsichtsgremien (DIN SPEC 33456) veröffentlicht. Die Leitlinien können kostenlos nach Registrierung als Download erworben werden. Nach dem Einführungstext handelt es sich bei den DIN SPEC 33456 um Leitlinien für Geschäftsprozesse in Aufsichtsgremien, die den Ablauf der regelmäßig stattfindenden Überwachungsprozesse, insbesondere unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten, systematisieren und beschreiben. Potenzielle Anwender und Zielgruppen dieser Leitlinien sind Aufsichtsgremien von Kapitalgesellschaften, insbesondere mittelständischer Unternehmen, Familienunternehmen, Stiftungen und öffentliche Unternehmen. Die Leitlinien spiegeln weitgehend den Rechtsstand zum 1. Oktober 2015 wider und sind aus der Sicht einer kapitalmarktorientierten AG verfasst.

Inhaltlich befassen sich die Leitlinien mit dem „Nominierungs- und Besetzungsprozess von Aufsichtsgremien“, der „Effizienzprüfung des Aufsichtsrates“, der „Besetzung, Zielvereinbarung, Incentivierung und Vergütung des Vorstands“, der „Überwachung interner Kontroll- und Risikomanagementsysteme und der internen Revision durch den Aufsichtsrat insbesondere durch den Prüfungsausschuss“, der „Prüfung der Rechnungslegung und des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat bzw. den Prüfungsausschuss“, der „Prüfung der Planungen und Berichte des Vorstandes, insbesondere der Berichte nach § 90 AktG“, der „Überwachung der Arbeit des Abschlussprüfers durch den Aufsichtsrat bzw. den Prüfungsausschuss“ sowie dem „Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung“.

 

Abschlussprüfungsreformgesetz

Mitte Dezember 2015 hat das Kabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der prüfungsbezogenen Regelungen der Richtlinie 2014/56/EU sowie zur Ausführung der entsprechenden Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 im Hinblick auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (Abschlussprüfungsreformgesetz – AReG) verabschiedet. Die beiden vorgenannten EU-Rechtsakte sind am 16. Juni 2014 in Kraft getreten. Die Umsetzung der Richtlinie muss bis spätestens 17. Juni 2016 erfolgen. Der Gesetzentwurf sieht Änderungen u.a. des HGB, des PublG, des AktG, des GmbHG und des GenG vor. Die Regelungen werden insbesondere für Banken, Versicherungen sowie andere, kapitalmarktorientierte Unternehmen gelten. Inhaltlich sieht der Gesetzentwurf folgende Aspekte vor:

  • Artikel 17 der EU-Abschlussprüferverordnung führt eine Höchstlaufzeit für ein Prüfungsmandat von 10 bzw. 20 Jahren ein. Dementsprechend sieht § 318 Abs. 1a HGB-E vor, dass ein Prüfungsmandat über einen Zeitraum von 10 Jahren auf höchstens 20 Jahre verlängert werden kann, wenn ein öffentliches Ausschreibungsverfahren für die Abschlussprüfung nach dem 10. Jahr durchgeführt wird. Die Laufzeit kann sich auf 24 Jahre verlängern, wenn spätestens ab dem elften Geschäftsjahr mehrere Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfergesellschaften als Abschlussprüfer bestellt werden („Joint Audit“). Bei Kreditinstituten und Versicherungen soll die Höchstlaufzeit von 10 Jahren gelten.
  • Die Erbringung von Steuerberatungsleistungen durch den Abschlussprüfer soll entsprechend der Wahlmöglichkeit in Artikel 5 der EU-Abschlussprüferverordnung auch weiterhin in begrenztem, im Gesetzentwurf näher definiertem Umfang möglich sein, § 319a Abs. 1 HGB-E. Der Prüfungsausschuss bzw. der Aufsichts- oder Verwaltungsrat des Unternehmens haben die Erbringung von bestimmten Steuerberatungsleistungen vorher zu genehmigen, § 319a Abs. 3 HGB-E.
  • Die in Artikel 11 der EU-Abschlussprüferverordnung vorgesehene erweiterte Berichtspflicht im Rahmen des Prüfungsberichts wird in § 321 HGB-E umgesetzt.
  • Soweit nach der überarbeiteten EU-Abschlussprüferrichtlinie erforderlich (Artikels 39 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit Artikel 2 Nr. 13), werden die Regelungen zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses auf einzelne nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen von öffentlichem Interesse erstreckt (§ 324, § 340k Abs. 5 S. 1 und § 341k Abs. 4 S. 1 HGB-E sowie in § 107 Abs. 4 AktG-E). Von der nach Artikel 39 Abs. 2 Unterabs. 2 der überarbeiteten EU-Abschlussprüferrichtlinie zulässigen Ausnahme von der Verpflichtung zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses wird jedoch vollumfänglich Gebrauch gemacht. Hiernach kann der Aufsichtsrat eines Unternehmens die Aufgaben des Prüfungsausschuss wahrnehmen, wenn letzterer Teil des Aufsichtsrates ist.
  • Die in der überarbeiteten EU-Abschlussprüferrichtlinie (Artikel 30 Abs. 1, Artikel 30a Abs. 1 Buchstabe a, b, e und f sowie Artikel 30c) enthaltene verschärfte Sanktionierung von Verstößen gegen die prüfungsbezogenen Pflichten von Aufsichtsrats- und Prüfungsausschussmitgliedern wird in den einzelnen Gesetzen abgebildet.

Pressemitteilung des BMJV, Meldung des Bundestages

Die aufsichts- und berufsrechtlichen Regelungen der vorgenannten europäischen Rechtsakte wurden separat im Rahmen des Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz (APAReG) umgesetzt. Dieses wurde im vergangenen Monat bereits von Bundestag und Bundesrat verabschiedet und wartet nun auf seine Veröffentlichung im BGBl.

 

Update zur Finanztransaktionssteuer

Bereits seit 2011 wird über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in der EU verhandelt. Die EU-Kommission hatte im September 2011 einen entsprechenden Richtlinienentwurf vorgeschlagen, der keinen Konsens fand. Daraufhin beschlossen elf Länder (Deutschland, Österreich, Belgien, Estland, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland, Portugal, Slowakei, Slowenien) im September 2012 die Einführung einer Finanztransaktionssteuer im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit. Die EU-Kommission erstellte darauf im Februar 2013 einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Umsetzung dieser Verstärkten Zusammenarbeit. Eine abschließende Einigung lässt seit dem jedoch auf sich warten.

Am 8. Dezember 2015 wurde im Rahmen der Sitzung des EU-Rats eine neuerliche Absichtserklärung (englisch) der nunmehr noch verbliebenen zehn verhandelnden Mitgliedstaaten veröffentlicht, die die anhaltende Bereitschaft zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer dokumentieren soll. Estland nimmt danach nicht mehr an der Verstärkten Zusammenarbeit teil. Einigung besteht nach der Erklärung vom 8. Dezember 2015 darin, dass die Besteuerung auf eine möglichst breite Bemessungsgrundlage mit niedrigen Steuersätzen gestellt werden soll. Alle Transaktionen, einschließlich der innerhalb eines Tages vorgenommen Transaktionen, sollen erfasst werden. Für Staatsanleihen sollen Ausnahmen vorgesehen werden. Die Untersuchung der Auswirkungen einer Finanztransaktionssteuer auf die Realwirtschaft und die Altersvorsorge ist noch nicht abgeschlossen. Auch steht die Höhe der einzelnen Zinssätze, der Anwendungsbereich auf Produkte, die außerhalb der an der Verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Mitgliedsländern ausgegeben werden, sowie Ausnahmeregelungen für bestimmte Derivate und Finanzmarktakteure noch nicht fest. Nach der Erklärung sollen bis Ende Juni 2016 die noch offenen Punkte der Einführung einer Finanztransaktionssteuer in den genannten Ländern geklärt sein.

 

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