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Digital Markets Act: Europäische Kommission leitet Verfahren gegen Alphabet, Apple und Meta ein

28.03.2024

Am 7. März 2024, dem sogenannten DMA-Compliance Day, wurde der Digital Markets Act („DMA“) „scharf gestellt“. Seitdem müssen die sechs bisher benannten Gatekeeper – Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft – dafür Sorge tragen, dass sie die DMA-Verhaltenspflichten vollumfänglich einhalten. Diese zielen darauf ab, die Bestreitbarkeit und Fairness der Märkte im digitalen Sektor zu gewährleisten.

Die Europäische Kommission („Kommission“) hat nun keine 20 Tage nach dem Compliance Day bereits Anzeichen erkannt, dass drei der Gatekeeper (Alphabet, Apple und Meta) ihren DMA-Verhaltenspflichten nicht hinreichend nachkommen oder diese sogar bewusst umgehen. Die Kommission hat daher gegen diese drei Unternehmen offizielle Verfahren eingeleitet, die mit einem erheblichen Bußgeld enden könnten.

Die konkreten Vorwürfe gegen Alphabet, Apple und Meta

Die Kommission wirft den drei Gatekeepern laut einer Pressemitteilung verschiedene Verstöße gegen den DMA vor:

Alphabet

Die Kommission erhebt gleich zwei Vorwürfe gegen Alphabet, den Mutterkonzern von Google.

Der DMA sieht vor, dass App-Entwickler Endnutzer durch freie Kommunikation und Werbung zu eigenen Angeboten außerhalb der Vertriebskanäle eines Gatekeepers „lenken“ dürfen. Die Kommission wirft Alphabet nun vor, die Nutzung von Angeboten außerhalb von Google Play, dem App Store von Google, zu behindern.

Des Weiteren ist die Kommission der Auffassung, dass Alphabet möglicherweise sogenanntes „self preferencing“ betreibt. Konkret ist der Vorwurf, dass in der allgemeinen Google Suche eigene Angebote von Alphabet bevorzugt angezeigt werden (zum Beispiel Google Shopping, Google Flüge oder Google Hotels). Das heißt, dass Angebote von konkurrierenden Dienstleistern möglicherweise diskriminiert werden.

Apple

Wie im Falle von Alphabet wirft die Kommission auch Apple vor, mit seinen Regelungen zum eigenen App Store die freie Kommunikation und Werbung für Angebote von App-Entwicklern auf anderen Vertriebskanälen zu behindern.

Daneben geht die Kommission davon aus, dass es Apple den Nutzern eines iPhones nicht hinreichend einfach ermöglicht,

  • Apps von iOS zu löschen;
  • voreingestellte Systemeinstellungen auf iOS zu ändern; und
  • vorausgewählte Standard-Dienste (z.B. Browser oder Suchmaschinen) zu ändern.

Meta

Bei Meta, dem Mutterkonzern von Facebook, Instagram und WhatsApp, hat die Kommission Zweifel an der DMA-Vereinbarkeit des „pay or consent“-Modells. Vereinfacht werden damit Angebote beschrieben, bei denen Endnutzer entweder in die Verarbeitung ihrer Daten (z.B. zum Einsatz für personalisierte Werbung) einwilligen oder für die „Nicht-Verarbeitung“ zahlen müssen. Eine Nutzung des jeweiligen Angebots ist nur mit einer dieser beiden Optionen möglich. Eine solche Ausgestaltung könne im Widerspruch zu der DMA-Verpflichtung stehen, dass Gatekeeper den Endnutzern eine „echte“ Wahlmöglichkeit über die Verarbeitung ihrer Daten geben müssen.

Die Kommission hat bereits weitere Schritte angekündigt

Die Kommission zeigt sich im Übrigen schon jetzt bereit, zeitnah weitere Verfahren einzuleiten, etwa zu Apples neuer Bezahlstruktur und anderer Nutzungsbedingungen für alternative App Stores sowie zu möglichem self preferencing auch durch Amazon beim Ranking von Produkten im eigenen Marketplace. Insofern hat die Kommission angekündigt, bereits Ermittlungsmaßnahmen eingeleitet zu haben.

Schließlich hat Meta von der Kommission sechs Monate zusätzliche Zeit erhalten, um in Bezug auf Facebook Messenger die Anforderungen des DMA an die Interoperabilität zu erfüllen. Das bedeutet im Kern, dass Nutzer des Facebook Messengers auch mit Nutzern anderer vergleichbarer Dienste (und umgekehrt) kommunizieren können müssen.

Ausblick und Bewertung

Die Einleitung der Verfahren stellt einen ersten Meilenstein bei der Durchsetzung des DMA dar und zeigt, dass die Kommission ihre Ankündigung einer strikten Durchsetzung des DMA konsequent und schnell in die Tat umsetzen wird.

Die Verfahren kommen dabei nicht ganz unerwartet. So waren die bisherigen Compliance-Bemühungen der verschiedenen Gatekeeper in der Fachöffentlichkeit und im Markt zum Teil recht kritisch bewertet worden. Das gilt etwa für Apple, dem gleich 34 Unternehmen aus dem Markt (darunter etwa Spotify und Epic Games) Anfang März in einem offenen Brief an die Kommission eine „Verhöhnung“ des DMA vorgeworfen hatten. Insofern handelt es sich um eine Konfrontation mit Ansage.

Beachtenswert ist umgekehrt auch, dass andere Gatekeeper – jedenfalls für den Moment – nicht von Verfahren oder Ermittlungen betroffen sind. Das gilt insbesondere für Microsoft, dem zuweilen ein ernsteres Bemühen um Compliance mit dem DMA nachgesagt wurde. Anderseits wurde aber auch gegen ByteDance, dem Mutterkonzern von TikTok, kein Verfahren eingeleitet. Da ByteDance derzeit die Benennung als Gatekeeper gerichtlich angreift, war aber auch nicht unbedingt zu erwarten, dass der Konzern die DMA-Verhaltenspflichten vollumfänglich umsetzen würde.

Die Kommission hat angekündigt, die eingeleiteten Verfahren innerhalb von 12 Monaten abschließen und über die DMA-Compliance entscheiden zu wollen. Sofern Verstöße der Gatekeeper festgestellt werden, kann sie Bußgelder bis zu 10% des weltweiten Gesamtumsatzes festsetzen. Im Falle einer wiederholten oder sogar systematischen Nichteinhaltung drohen den Gatekeepern noch höhere Bußgelder oder strukturelle Abhilfemaßnahmen (bis hin zur Entflechtung).

Der Ablauf und das Ergebnis der Verfahren (inklusive möglicher nachfolgender Gerichtsverfahren) dürften erste Hinweise liefern, inwieweit sich die Ziele des europäischen Gesetzgebers durch den DMA verwirklichen lassen. Alle von den Vorschriften des DMA betroffenen Akteure sind daher gut beraten, alle Verfahren im Blick zu behalten.

Neben den Verfahren der Kommission könnten die betroffenen Gatekeeper wegen DMA-Verstößen auch mit rechtlichen Maßnahmen gewerblicher Nutzern vor nationalen Gerichten konfrontiert werden (private Rechtsdurchsetzung des DMA). Mit dieser Möglichkeit der privaten Rechtsdurchsetzung kommt gewerblichen Nutzern und den nationalen Gerichten eine entscheidende Rolle zu, die Kommission bei der Überwachung der DMA-Compliance zu unterstützen (siehe auch unser Beitrag auf Noerr News).

Hintergründe zum DMA

Die Kommission hat im September 2023 sechs Unternehmen (Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft) auf Basis von insgesamt 22 zentralen Plattformdiensten (Core Plattform Services – „CPS“) als Gatekeeper benannt . Diese CPS dienen als Zugangstor zwischen einer großen Zahl von gewerblichen Nutzern einerseits und Endnutzern andererseits. Diese Position als Zugangstor bringt erhebliche Einflussmöglichkeiten auf die wirtschaftliche Betätigung vieler Akteure mit sich. Deshalb erlegt der DMA den dahinterstehenden Gatekeepern besondere Verhaltenspflichten auf, um die Märkte offen zu halten und Innovationen zu fördern (weitere Details finden Sie in unserem Beitrag auf Noerr News).

Damit die Kommission die Einhaltung der DMA-Verhaltenspflichten durch die Gatekeeper ohne eigene aufwändige Untersuchungen überprüfen kann, mussten die Gatekeeper bis zum 7. März 2024 in Compliance Reports darlegen, mit welchen Maßnahmen sie ihren Verhaltenspflichten nachkommen (weitere Hintergrundinformationen finden Sie in unserem Beitrag auf Noerr News). Im Anschluss daran fanden im März 2024 für jeden Gatekeeper von der Kommission veranstaltete Compliance Workshops statt. In diesen konnten insbesondere die Kommission, die Gatekeeper und betroffene gewerbliche Nutzer der CPS im Dialog erörtern, inwiefern die Gatekeeper mit den in den Compliance Reports dargelegten Maßnahmen ihre DMA-Verhaltenspflichten erfüllen.